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Zeit, dem Publikum zu danken! Und: Berliner Projekt ausgesetzt
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Willkommen in der neuen KlassikWoche,
heute mit der ganzen Größe und Bedeutung des Publikums und einer exklusiven Umfrage, die sagt: ZuschauerInnen lieben ihre Häuser und helfen den Kulturschaffenden, so gut sie können. Und sonst? Optimismus nach Pilot-Projekt in Berlin, Netrebko übt Elisabeth, und Domingo will zurück nach Covent Garden.
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EXKLUSIV: DAS SPENDABLE PUBLIKUM
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Die Zeiten sind nicht leicht, und immer wieder werden Horrorszenarien an die Wand gemalt. Ich habe diese Woche nach optimistischen Nachrichten gesucht und einen Brief geschrieben – an die großen deutschen Konzerthäuser. Meine Frage: „Wie viele ZuschauerInnen haben eigentlich auf die Rückerstattung von Tickets verzichtet und damit Häuser und KünstlerInnen unterstützt?“ Die Antworten haben gezeigt: Das Publikum in Deutschland liebt seine Konzertsäle und seine KünstlerInnen und ist sehr wohl bereit, großzügig zu helfen. Das Publikum von nur vier Häusern organisierte mehr als zwei Millionen Spenden-Euro! Eine Summe, die zeigt, wie engagiert das Publikum ist und dass die Politik die gesellschaftliche Bedeutung kultureller Institutionen nicht unterschätzen sollte.
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Die Kölner Philharmonie erklärte mir, wie schwer der Umgang mit Tickets, Rückerstattungen und Schenkungen sei, da viele Aufführungen offiziell nur „verschoben“ würden und die Karten somit Gültigkeit behalten. Ein täglicher, administrativer Jonglage-Akt. Dennoch hat die Kölner Philharmonie derzeit einen Gegenwert von 180.000 Euro an nicht erstatteten Eintrittsgeldern. Das Geld wird als Basis für die Zahlung von Ausfallhonoraren genutzt, die seit 12 Monaten an freie, nicht subventionierte KünstlerInnen und Ensembles geleistet werden. Die wenigsten der Spender verlangten eine Spendenquittung.
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Auch an der Elbphilharmonie hat das Publikum massiv geholfen: 6.750 KartenkäuferInnen haben auf die Rückerstattung ihrer Tickets verzichtet. So kamen 450.000 Euro zusammen. Zusätzlich erhielt der Elbphilharmonie Hilfsfonds 440.000 Euro an Spenden und Zuwendungen. Die 890.000 Euro des Elbphilharmonie Hilfsfonds kamen ausschließlich freiberuflichen MusikerInnen sowie BühnenkünstlerInnen zugute und unter ihnen nur solchen, die vereinbarte Engagements in der Elbphilharmonie und/oder der Laeiszhalle nicht wahrnehmen konnten, weil die Häuser wegen Corona schließen mussten und die betreffenden Konzerte abgesagt wurden.
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Die Tonhalle Düsseldorf meldet, dass bisher 1.309 KundInnen auf die Rückerstattung von Karten verzichtet haben. Insgesamt sind 250.000 Euro aus Spenden eingegangen. Die Tonhalle stellte ihren Konzertgästen frei, sich die Ticketkosten erstatten oder den Betrag in die Musik fließen zu lassen. Im letzteren Fall hatten sie die Wahl zwischen einer Spende für künstlerische Projekte der Tonhalle Düsseldorf oder einer Unterstützung der freischaffenden KünstlerInnen, die an den ausgefallenen Konzerten beteiligt gewesen wären und keine Gagen erhalten haben. Rund 180.000 Euro wurden der Tonhalle gespendet (sie war dadurch in der Lage, zwischen April und Juni vier Konzerte zu finanzieren), 70.000 Euro fielen den freischaffenden MusikerInnen zu. Die Tonhalle zahlte den KünstlerInnen das Geld in der Sommerpause aus.
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Etwas anders, aber nicht minder effektvoll, operierte das Festspielhaus Baden-Baden. Hier verzichteten rund 1.400 BesucherInnen auf eine Rückerstattung, mehrere tausend BesucherInnen haben ihre Eintrittskarten in Gutscheine umgewandelt. Insgesamt kam man auf rund 600.000 Euro Ticket-Spenden, mit denen das Haus die enormen Umsatz-Verluste (über 80 Prozent allein 2020) dämpfte und die laufenden Kosten bezahlte. Alle Spenden tragen hier direkt zur Rettung des Festspielhauses und der Festspiele bei. Der Freundeskreis Festspielhaus Baden-Baden e.V. verzeichnete einen Zuwachs auf nun fast 1.600 Mitglieder, und einige Spender von Eintrittskarten wurden neue Mitglieder im Freundeskreis. Privatspenden (insgesamt rund sechs Mio. Euro, davon eben zehn Prozent Ticket-Spenden) und eine Landes-Nothilfe von vier Mio. Euro retteten Festspielhaus und die Festspiele 2020. Für 2021 kann das Haus noch nicht absehen, wie es weitergeht, da die Umsatzverluste anhalten.
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CORONA-KLASSIK-TICKER
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Das wissenschaftlich begleitete Pilotprojekt der Berliner Philharmoniker, vor 1.000 ZuschauerInnen zu spielen, war ein großer Erfolg und könnte nach Auswertung der ersten Ergebnisse als Vorbild auch für andere Institutionen dienen. Projektleiterin Susanna Kunz erklärte: „Nach der Hälfte der Veranstaltungen können wir feststellen, dass die geplanten Prozesse gut funktionieren, insbesondere mit Blick auf die Sicherheit aller BesucherInnen. Nun gilt es, die Abläufe vor allem an der Schnittstelle Ticketing – dezentralen Testmöglichkeiten – Umsetzung vor Ort zu optimieren.“ Dummerweise hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller die Fortsetzung des Projektes zunächst auf Grund der hohen Inzidenzen ausgesetzt. +++
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MISSBRAUCHT DIE TOTEN NICHT
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An dieser Stelle wird es etwas heikel. Die psychischen Belastungen der aktuellen Situation betreffen viele Menschen: SchülerInnen, UnternehmerInnen oder KünstlerInnen – und es wäre fatal, sie nicht ernst zu nehmen. In Frankreich sorgte nun ein Fall für großes Aufsehen und zahlreiche Artikel: Der Freitod des Cembalisten François Grenier wird in der Öffentlichkeit als emotionales Mittel benutzt, um die Corona-Politik anzuklagen. „Er konnte die Konzertabsagen nicht mehr ertragen", erklärte seine Kollegin, die Cellistin Claire Lamquet. Finanziell und moralisch, so die Zeitung „Tele-Loisir", würden die Künstler an den Rand des Erträglichen gebracht. Lamquet sprach, wie auch der BR berichtet, von einem „Ozean der Stille", der schier nicht auszuhalten sei.
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Tatsächlich verschärft die aktuelle Situation Emotionen, aber ein Freitod hat oft mehr als nur einen Anlass. Ich frage mich, ob es im Sinne kranker Menschen ist, ihr Ableben für politische Zwecke – welche auch immer – zu nutzen. Über ähnliche Fragen mache ich mir übrigens auch ausführlich im aktuellen Cicero (Print-Ausgabe) Gedanken, wenn ich über Leben und Tod von Wagner-Erklärer Stefan Mickisch schreibe. (Abspann: Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hier finden Sie – auch anonyme – Hilfsangebote in vermeintlich ausweglosen Lebenslagen. Per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch.)
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PERSONALIEN DER WOCHE
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Die Sängerin Camilla Nylund ist Artist in Residence und Patronin eines neuen Klassik-Festivals, das diesen Sommer in Südtirol stattfinden wird: Die Brixen Classics verbinden Kulinarik, Natur, Konzerte und Nachwuchsarbeit, unter anderem mit Piotr Beczała, Daniel Geiß, Albrecht Mayer (und, ja, ich werde auch dabei sein). Festivalleiter sind Tim Decker und Markus Latsch. +++ Hat nicht jeder alles über Beethoven gesagt? Dirigent René Jacobs zeigt im Gespräch mit Markus Thiel, dass dem nicht so ist. Ein spannender Talk über den Meister aus Bonn: „Beethoven hasste Priester – wie Mozart. Und er interessierte sich für andere Religionen. Abgesehen davon hat er die Missa Solemnis nicht für den liturgischen Gebrauch komponiert, sonst hätte er womöglich auch Probleme mit der Kirche bekommen.“ +++ Nun hat auch Daniel Barenboim noch mal erklärt, warum Musik in diesen Tagen wichtig ist. +++ Anna Netrebko zeigt auf Facebook, wie es sich anhört, wenn sie an der Rolle der Elisabeth aus Wagners „Tannhäuser“ probt – nun ja… +++ Ist was? War was? Covent Garden verhandelt offensichtlich gerade über neue Verpflichtungen von Plácido Domingo. Innovativ und konsequent ist irgendwie anders. +++ Ältere Thomaner sollen gegen die Berufung von Andreas Reize als neuen Thomaskantor protestieren. Ich schließe mich in dieser Debatte mit meinem Kommentar wohl auch der Meinung von Claus Fischer an: „Es wäre zu hoffen, dass es dem neuen Thomaskantor durch eine Charmeoffensive auch gelingen wird, die älteren Chormitglieder für sich einzunehmen.“ +++ Der Wiener Musikverein hat erstmals in seiner Geschichte auch eine kaufmännische Geschäftsführung. Renate Futterknecht, zuletzt im Theater an der Wien tätig, hat mit Monatsbeginn diese Position übernommen.
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UND WO BLEIBT DAS POSITIVE, HERR BRÜGGEMANN?
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Ja, wo verdammt bleibt es? Unterhaltsam ist eine Statistik von Classic-FM. Der Sender zeigt, welche Stimmen den größeren Tonumfang haben: David Bowie oder Luciano Pavarotti? Anna Netrebko oder Mariah Carey? Antworten gibt es hier. Und dann bin ich beim Netz-Surfen noch auf die wirklich großartige Seite der Österreichischen Mediathek gestoßen, die aktuell eine Online-Ausstellung anbietet, in der Original-Tonaufnahmen aus der Zeit von Gustav Mahler als Wiener Opernchef zu hören sind.
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In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif!
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P.S.: Die nächste KlassikWoche kommt am Dienstag nächster Woche, bis dahin wünsche ich Ihnen schöne Ostern.
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Gefällt Ihnen die KlassikWoche? Dann sagen Sie´s weiter!
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Wir versenden keine Spam-Mails und verkaufen keine Email-Adressen. Versprochen!
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