Arash Safaian
Bilder einer Ausstellung über Beethoven
von Corina Kolbe
8. November 2020
Arash Safaian sieht in Beethoven vor allem den Erneuerer, der das Menschliche ins Zentrum gerückt hat. Mit dem Pianisten Sebastian Knauer hat er ein Album mit Variationen über Beethovens Werke eingespielt.
Ein Plattenladen in Teheran, nach Beethoven benannt, weckte Arash Safaians Neugier auf Musik. Auf allen Hüllen fiel dem Kind der charakteristische Kopf des Komponisten auf. „Mein Vater spielte mir eine Aufnahme des dritten Klavierkonzerts mit Swjatoslaw Richter vor. Das ist meine erste bewusste Erinnerung an Musik“, sagt Safaian, der schon früh Kompositionsunterricht nahm.
»Die mystische Weltsicht des Orients finde ich in der europäischen Kunstmusik wieder.«
Mit seinen eigenen Stücken, darunter Opern und Filmmusiken, versucht er heute in vieler Hinsicht Grenzen zu überschreiten. Wobei der Umzug aus dem Iran nach Bayern für die Familie keinen allzu großen Kulturschock bedeutete. „Intellektuellen in Teheran sind Goethe, Heidegger oder Grass ebenso geläufig wie die Dichter Rumi, Saadi und Tagore“, sagt er. „Verschiedene Ursprünge vermischen sich zu einer globalen Kultur. Die mystische Weltsicht des Orients finde ich auch in der europäischen Kunstmusik wieder. Sie ist für mich Ausdruck einer Einheit von Mensch und Natur.“
»Es sollte eine Offenheit in alle Richtungen geben, auch für narratives Formulieren.«
Sein Vater, der Maler und Bildhauer Ali Akbar Safaian, führte ihn an die Musik wie an die Kunst gleichermaßen heran. Zunächst ging er an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, danach an die Hochschule für Musik und Theater in München. „Das Kompositionsstudium hat mich in künstlerischer Hinsicht noch mehr provoziert. Die Freiräume für Experimente sind größer als in der Instrumentalausbildung“, erklärt er. „Letztlich geht es doch darum, was ein junger Komponist selbst mit seiner Musik ausdrücken will. Es sollte eine Offenheit in alle Richtungen geben, nicht nur für rein akademische Diskurse, sondern auch für narratives Formulieren.“
»Als Komponist will ich Geschichten erzählen und Emotionen zum Ausdruck bringen.«
Zu Philip Glass« legendärem Musiktheaterwerk Einstein on the Beach schrieb Safaian die Kurzoper On the Beach. 2012 wurde sie in der Regie von Robert Wilson in New York uraufgeführt. Die Oper Der Schuss 2–6‑1967 kam zum 50. Todestag von Benno Ohnesorg in Berlin auf die Bühne. Für Jan-Ole Gersters Film Lara schrieb er die Filmmusik und eigens ein Klavierkonzert, von dem eine Aufnahme mit der Pianistin Alice Sara Ott erschien. „Als Komponist will ich Geschichten erzählen und Emotionen zum Ausdruck bringen. Ich möchte nicht verstören, sondern berühren“, sagt er. „Meine Musik soll über die Ohren in den Körper eines anderen Menschen eindringen. Zuhörer sollen sich in ihr verlieren können.“
»Die große Kraft der Kunstmusik liegt im empathischen Moment.«
Safaian spricht lieber von „Kunstmusik“ als von „klassischer“ Musik. Letzteres sei ein begriffliches Konstrukt, das die Musik in eine Schublade verbanne. „Man verbindet damit einen Ernst, der viele Leute abschreckt. Die große Kraft der Kunstmusik liegt doch im empathischen Moment. Da fließen auch Elemente der Popkultur ein. Wenn man keine künstlichen Grenzen absteckt, entstehen immer neue Kombinationen. Nur so kann sich Kunst weiterentwickeln.“
Mit dem Pianisten Sebastian Knauer, der norwegischen Geigerin Eldbjørg Hemsing und dem Zürcher Kammerorchester hat Safaian ein Album mit Variationen über Werke von Beethoven realisiert. Knauer hatte die Komposition in Auftrag gegeben. Vorher hatten sie gemeinsam den ebenfalls auf CD erschienenen Konzertzyklus „ÜberBach“ konzipiert.
Ausgangspunkt der Beethoven-Variationen sind etwa das Allegretto der Siebten Sinfonie und die Mondscheinsonate. „Ich habe an so etwas wie Bilder einer Ausstellung über Beethoven gedacht“, erklärt Arash Safaian. Modest Mussorgski hatte sich zu seinem Klavierzyklus durch Gemälde und Zeichnungen anregen lassen. Safaian bezieht sich auf den antiken Torso vom Belvedere, dessen fragmentarische Gestalt er als besonders modern begreift. Eigenwillig ist auch seine Verbindung zwischen der Formensprache Beethovens und dem Barcelona-Pavillon des Architekten Mies van der Rohe auf der Weltausstellung 1929.
»Stücke lebender Komponisten sprechen unmittelbar zu den Menschen ihrer Zeit.«
Der CD-Titel This is (not) Beethoven wirkt doppeldeutig wie ein Bild von René Magritte. „Man muss die Dinge genau betrachten, um sie verstehen zu können“, meint Safaian. „Wenn man Beethoven feiert, sollte man ihn vor allem als Erneuerer sehen, der das Menschliche der Musik ins Zentrum gerückt hat. Er hätte es gewollt, dass heute mehr Stücke lebender Komponisten gespielt werden. Denn sie sprechen unmittelbar zu den Menschen ihrer Zeit.“
Arash Safaian: „This is (not) Beethoven“, Sebastian Knauer, Zürcher Kammerorchester (Modern Recordings)
Zu beziehen u.a. bei: www.jpc.de
Und anzuhören in der NML
Mehr Info unter www.arashsafaian.com