Peter Emmerich

Bayreuths Gedächtnis ist tot

von Axel Brüggemann

11. Dezember 2019

Erst kürz­lich hatten ich mit ihm zu tun: Drehs für eine Wagner-Doku, im Winter – kein Problem, Peter Emme­rich wollte sich darum kümmern. Nun ist der Pres­se­chef der mit 61 Jahren gestorben. Ich kann das nicht fassen.

Peter Emme­rich war mehr als ein Pres­se­spre­cher. Er war: Inventar des Fest­spiel­hauses. Wolf­gang Wagner hatte ihn – auf aben­teu­er­li­chen Wegen – 1989 von der Semper­oper in , aus der DDR nach Franken geholt. Als persön­li­chen künst­le­risch-wissen­schaft­li­chen Mitar­beiter. 

Peter Emme­rich war kein Pres­se­spre­cher. Er war: ein Grals­hüter. Sein Büro – eine Biblio­thek, in der man vor Rauch keine Bücher sah. Näch­te­lang saß er gemeinsam mit Wolf­gang Wagner, und später mit zusammen und schmie­dete Pläne. Peter Emme­rich war eines der Gehirne der Fest­spiele. Ihr histo­ri­sches Gewissen. Und ihr Master­mind für die Zukunft.

Für viele von uns Jour­na­listen war Peter Emme­rich zunächst einmal „Mr. No“. Pres­se­karten? Inter­views? Brauchte Bayreuth lange nicht. Nein. Danke. Oft gab es nicht Mal eine Antwort.

Persön­lich lernte ich Peter Emme­rich kennen, als ich bei der „Welt am Sonntag“ war, Wolf­gang hatte die tradi­tio­nellen Inter­views mit dem „Spiegel“ aufge­hört und mir zuge­sagt, sie in Zukunft mit uns zu führen. Bis Peter Emme­rich anrief: Wolf­gang Wagner habe sich nun doch anders entschieden. Es gibt gar keine Inter­views.

Damals bin ich spontan nach Bayreuth gefahren, habe auf einer Bank auf Wolf­gang gewartet – und der hat tatsäch­lich spontan zuge­sagt, nun doch ein Inter­view zu geben. „Wenn das ist, soll es so sein“, hat Peter Emme­rich gesagt. Und seither haben wir uns regel­mäßig getroffen. Ich durfte erleben, dass das Knur­rige nur eine Fassade von Peter Emme­rich war. In Wahr­heit war er ein Leben­mensch. Einer, der gern lachte. Der gern redete. Zuhörte. Stun­den­lang. Näch­te­lang.

Wagner für alle auf dem Fest­platz. Bayreuth im Kino. Fest­spiele im Fern­sehen. Peter Emme­rich wog ab, war nie wirk­lich begeis­tert – machte aber mit. Unter der einen Bedin­gung: es musste seriös sein.

Und Peter Emme­rich ließ sich gern bitten, bevor er vor eine Kamera trat. Wir liebten dieses Spiel: „Emme­rich, ich brauche Sie.“ – „Brau­chen Sie nicht, Brüg­ge­mann.“ – „Doch, Emme­rich.“ – „Na gut, Brüg­ge­mann.“ Und wenn er dann da stand, merkte man, dass es ihm gefiel. Er war ein Profi. Gab launige Inter­views. Erklärte diplo­ma­tisch die Aufreger der Fest­spiele. Schlin­gen­siefs Zebras oder Niki­tins Nazi-Runen. Und er trat sogar im Tatort auf, der im Fest­spiel­haus gedreht wurde.

Egal, was in Bayreuth passierte: Peter Emme­rich war loyal. Erst zu Wolf­gang Wagner. Dann zu Katha­rina Wagner. Jeder Angriff auf die Fest­spiele waren für ihn auch ein Angriff auf sein Lebens­werk.

Und Bayreuth danke es ihm. Als 2010 herauskam, dass er einige Jahre als IM bei der Stasi regis­triert war, stellte sich das Fest­spiel­haus ohne Wenn und Aber hinter ihn, verwies auf die histo­ri­sche Situa­tion und: bewies dem Loyalen abso­lute Loya­lität.

Peter Emme­rich, so unnahbar er hinter seinem Ziga­ret­ten­qualm war, hinter seinem oft süffi­santen Lächeln – er war ein Thea­ter­mann der alten Schule: einer, für den nicht die „Verkaufe“ an erster Stelle stand, sondern das Wissen, die Tradi­tion, die Leiden­schaft für das Theater. Ihr diente er, als er Wolf­gang Wagner diente – und als er Katha­rina Wagner diente. 

Peter Emme­rich ist tot. Das ist nicht nur traurig. Das ist: eine grund­le­gende Verän­de­rung. Die Bayreu­ther Fest­spiele verlieren einen Denker, einen Wissenden – und: einen Teil ihres Gedächt­nisses.

Mensch, Herr Emme­rich – wie gern hätte ich noch eine Ziga­rette mit Ihnen geraucht, obwohl ich schon lange nicht mehr rauche.