„Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen

Blaue Lange­weile

von Maria Goeth

8. August 2018

Die Bayreu­ther Fest­spiele eröffnen 2018 mit „Lohen­grin“.

„Blau, von opiati­scher, narko­ti­scher Wirkung“– mit diesen Worten beschrieb Fried­rich Nietz­sche einst die sphä­ri­schen Klänge von Wagners „Lohengrin“-Vorspiel. Zumin­dest das mit dem Blau scheint das Künst­lerduo Neo Rauch und Rosa Loy, die für Bühnen­bild und Kostüme der neuen Bayreu­ther Insze­nie­rung verant­wort­lich zeichnen, wört­lich genommen zu haben: Sie tunken – abge­sehen von ein paar orangen Streben und einer orangen Elsa und einem frosch­grünen Gott­fried am Schluss – die komplette Opern­optik in den Cyan-Topf: Da bildet ein blaues Umspann­werk das Zentrum des Gesche­hens, von blauen Wolken umhuscht und natür­lich von ausnahms­losen blau geklei­deten Wesen bevöl­kert.

Mehr Opium bitte!
Von Nietz­sches „Opiati­schem“ und „Narko­ti­schem“ hätte man sich indessen mehr gewünscht: Das Ganze ist hübsch anzu­schauen, aber mehr auch nicht. Regis­seur Yuval Sharon versäumt es, den Bläu­lingen Leben einzu­hau­chen. Und ein biss­chen fühlt man sich an die Proble­matik der nur wenige Wochen zurück­lie­genden „Parsifal“-Première bei den Münchner Opern­fest­spielen (Regie: , Bühne: ) erin­nert: Berühmter Künstler gestaltet mäßig inno­va­tives Bühnen­bild. Regis­seur scheint es nicht mehr für nötig zu halten, die Sänger in diesem Bühnen­bild auch zu bewegen (CRESCENDO berich­tete). Und in kommt erschwe­rend hinzu, dass derzeit parallel noch die quir­lige „Meistersinger“-Produktion von zu sehen ist, in der im Gegen­satz zu Yuvals blauen Ölgötzen jedes noch so in den Bühnen­hin­ter­gund gerückte Chor­mit­glied beweist, was sauber gear­bei­tetes Regie­theater heißt.

Elsa als Befreite
Zu einem einzelnen Clou kann sich Yuval dann doch noch durch­ringen: Lohen­grin, der vermeint­lich elek­tri­sie­rende Super­held – sein „Schwan“ entspringt der Strom­lei­tung und Telra­mund streckt er ohne Direkt­kon­takt mittels Kurz­schluss nieder – ist nicht so erlö­sungs­brin­gend wie es scheint: In der Hoch­zeits­nacht fesselt er Elsa an einen Trafo. Diese scheint also wieder mal reich­lich Pech mit ihren Mitmen­schen zu haben. So entpuppt sich der von Ortrud gesäte Zweifel an Lohen­grin schließ­lich als durchaus berech­tigt – am Ende trium­phiert Ortrud denn auch mit Elsa und Gott­fried über die ersterbende Welt der „Glüh­würm­chen“ (Telra­mund trug entspre­chende Flügel, Lohen­grin bekam sie in einer Art Aufnah­me­ri­tual vermacht; warum, erschließt sich nicht ganz).

„Der vermeint­lich elek­tri­sie­rende Super­held entpuppt sich als Schar­latan.“

Musi­ka­lisch erweist sich der Abend im glut­heißen Fest­spiel­haus als durchaus erfreu­lich: Piotr Beczala liefert einen Lohen­grin mit gewal­tigem Schmelz und Schön­klang. Er war kurz vor Proben­be­ginn für einge­sprungen, der die Rolle wegen Über­las­tung nicht fertig gelernt hatte. mimt eine stimm­starke Ortrud ebenso wie einen bombigen König Hein­rich, und kitzelt im Graben das ganze, breit­ge­fä­cherte Klang­spek­trum des Fest­spiel­or­ches­ters heraus. Nur als Elsa wirkt zu Anfang beson­ders in den tieferen Lagen nicht auf gewohntem Niveau (kleine Indis­po­niert­heit?), kommt aber im Laufe des zweiten Aufzugs zu Kräften.

Fotos: Enrico Nawrath