Bregenzer Festspiele

Szeni­sche Höhen­flüge

von Antoinette Schmelter-Kaiser

14. September 2021

Spektakuläre Bühnenbilder sind Publikumsmagneten – für manche sollten die Darsteller ein Diplom im Kunstturnen mitbringen. Über die Notwendigkeit von Drahtseilakten und anderen Verrenkungen…

15 Meter über dem Bodensee an Bord eines Fessel­bal­lons die Arie Caro Nome singen: Diese Aufgabe am Ende des Ersten Akts von Giuseppe Verdis Oper Rigo­letto findet Ekate­rina Sadov­ni­kova „heraus­for­dernd“. Angst hat sie aber nicht. „Alles ist sehr sicher, weil ich ange­gurtet bin“, erzählt die russi­sche Sopra­nistin über ihre Haupt­rolle als Gilda, die sie 2019 und 2021 bei den Bregenzer Fest­spielen spielte. „Während der Proben wird jede Bewe­gung einstu­diert. Nichts ist spontan, sondern präzise kalku­liert. Beim Auftritt läuft dann alles auto­ma­tisch ab, so dass ich mich ganz auf

Bregenzer Festspiele
„So etwas habe ich noch nie gemacht“, meint die Sopra­nistin Ekate­rina Sadov­ni­kova, die in schwin­del­erre­gender Höhe aus dem Korb des Ballons hängt.

Vor den Augen von 7.000 Zuschauern muss die 40-Jährige nicht nur einen Auftritt in luftiger Höhe absol­vieren. Weil Regis­seur seinen Rigo­letto auf, in und um einen impo­santen Clowns­kopf insze­niert, klet­tert Ekate­rina Sadov­ni­kova außerdem auf dessen hydrau­lisch beweg­li­cher Hand und in seinem Mund herum oder wird auf dem schrägen Kragen unter­halb des Gesichts von Entfüh­rern verfolgt. Darüber hinaus muss sie bei den Auffüh­rungen Wind, Mücken oder Regen trotzen; nass wird sie immer, weil in einer Gewitter-Szene Wasser auf die Seebühne flutet.

Eine tolle Erfah­rung

„So etwas habe ich noch nie gemacht“, resü­miert Ekate­rina Sadov­ni­kova, die in Armavir, sowie Gesang studierte und seither auf inter­na­tio­nalen Bühnen vom Bolschoi Theater über die Mailänder Scala bis zur Wiener oder Baye­ri­schen Staats­oper steht. „Für mich ist Rigo­letto eine tolle Erfah­rung, die ich liebe.“ Mit dieser Einstel­lung ist sie eine ideale Beset­zung für das Bregenzer „Spiel auf dem See“.

Bregenzer Festspiele, Spiel auf dem See
„Aben­teu­er­lustig“, sollten die Sänger bei den Bregenzer Fest­spielen sein, findet der Projekt­leiter Michael Csar.

„Unsere Sänge­rinnen und Sänger müssen schon ein wenig aben­teu­er­lustig sein und wissen, worauf sie sich einlassen“, erklärt Betriebs­di­rektor und Projekt­leiter Michael Csar. „Ihre Auswahl ist immer künst­le­risch bedingt. In einem Annä­he­rungs­ge­spräch sondieren wir dann, ob jemand der rich­tige Typ ist, um mit den beson­deren körper­li­chen Anstren­gungen klar zu kommen und bei Hitze genauso aufzu­treten wie bei Kälte. Wer bei uns zusagt, wird gefor­dert, aber nicht über­for­dert.“

Ein Tauch­kurs zur Vorbe­rei­tung

Bevor der Heli­um­ballon zum ersten Mal abhob, hätten die drei Beset­zungen der Gilda – außer Ekate­rina Sandov­ni­kova singen Stacey Alleaume und Hila Fahima – im Proben­raum mit dem Korb „Neuland erkundet“ und auspro­biert, was dort für sie möglich ist. „Vorschreiben geht nicht“, weiß Michael Csar. „Szenen werden gemeinsam erar­beitet. Singen ist wie Leis­tungs­sport und der Atmen dafür essen­ziell. Entspre­chende Bedin­gungen sind ein Muss.“ Mit dem „rich­tigen Heran­führen“ ist aber vieles möglich: 2017/2018 wurde Carmen am Schluss der Auffüh­rung von Don José ertränkt und musste dabei unter Wasser ein Atem­gerät benutzen, worauf sie mit einem Tauch­kurs vorbe­reitet wurde. Um sich in einer Szene abzu­seilen, lernten die Sänger in André Chénier 2011/2012 zuvor unter profes­sio­neller Anlei­tung klet­tern.

Bregenzer Festspiele 2019 und 2021
Der Höhe­punkt von Philipp Stölzls Insze­nie­rung: Gildas Heiß­luft­ballon

Gildas Heiß­luft­ballon-Auftritt bei Rigo­letto ist der Höhe­punkt der bislang aufwän­digsten und komple­xesten Bregenzer Insze­nie­rung. „Wir wollen uns nicht ständig selbst toppen“, erklärt Michael Csar mit Blick auf die kommende Saison. „Entschei­dend ist, dass es gelingt, die Geschichte der Oper zu erzählen. Bei Madame Butterfly 2022 sind Bühnen­bild und Insze­nie­rung also ganz anders.“ Dass Ausmaß und Grad der Akti­vi­täten von der Art der Oper abhängen, bestä­tigt auch Ekate­rina Sado­ni­v­kova. Inner­halb der Insze­nie­rung braucht es ihrer Ansicht nach „für jede Bewe­gung einen Grund. Verstehe ich den nicht, sage ich das dem Regis­seur und lehne auch ab, wenn etwas für mich nicht funk­tio­niert.“ Denn Musik und Gesang sind für sie „die Nummer eins“; das Schau­spielen sei dazu da, diese zu unter­stützen.

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Weitere Informationen zu den Bregenzer Festspielen unter: bregenzerfestspiele.com

Fotos: Karl Forster / Bregenzer Festspiele