Ein Fugger-Musical in Augsburg

Das Herz des Macht­men­schen – Urauf­füh­rung mit Ovationen

von Barbara Angerer-Winterstetter

16. Juli 2018

, Augs­burg, Du herr­liche Stadt!“, erklingt es derzeit auf deren Frei­licht­bühne. Wahr­lich: Mehr Stolz und Selbst­be­wusst­sein stünden der Renais­sance-Stadt, die sich nur allzu häufig im Schatten des nahen sieht, gut zu Gesicht. Da kommt es gerade gelegen, dass das Theater Augs­burg jetzt ein Fugger-Musical als Urauf­füh­rung auf die Beine gestellt hat und sich auf die eigene Stadt-Geschichte besinnt.

Gefühls­mensch
Mit Stephan Kanyar (Kompo­nist) und Andreas Hillger (Text) stand dafür ein Musical-erfah­renes Team bereit. „Herz aus Gold“ heißt das neue Werk, das noch bis zum 28. Juli 2018 auf der Augs­burger Frei­licht­bühne läuft. Schon der Titel zeigt die Grund­pro­ble­matik des Stücks: Denn über Jakob Fugger, den Reichen, und seine welt­um­span­nenden Geschäfte weiß man viel, über sein Privat­leben wenig. Außer, dass seine viel jüngere Ehefrau Sibylla kinderlos blieb und nur ein paar Wochen nach Jakobs Tod ehelichte. Zu wenig Herz für ein Musical, dachte sich das Team und machte aus dem Macht­men­schen Fugger kurzer­hand auch einen Gefühls­men­schen. Einen, der alles bekommt – nur nicht die (Jugend)Liebe seines Lebens, nämlich Sybilla senior, als Mutter der Fugger-Gattin eine freie Musical-Erfin­dung. Sie liefert zwar Grund für Herz, Schmerz und das eine oder andere schöne Duett („Tanz deine eigene Weise“), aber auch für viel allzu Konstru­iertes, das störend wirkt.

Vom rück­sichts­losen Erfolgs­streben in der Renais­sance
Besser ist das Musical, wenn es histo­ri­sche Fakten und den Geist der Renais­sance vermit­telt, mit der ganzen Härte und dem rück­sichts­losen Erfolgs­streben dieser Ära. „Fort­schritt geht über Leichen“, „nach oben, immer nach oben“ und „Gefühle kann ich mir nicht leisten“, singt der Musical-Fugger und ist damit um einiges glaub­wür­diger denn als verschmähter Lieb­haber. Über­haupt ist bemer­kens­wert, wie viel Fugger-Historie in „Herz aus Gold“ steckt. Vom Fugger-finan­zierten Kaiser bis hin zum Auftritt Martin Luthers, der im Fugger-Haus verhört wird. Musi­ka­lisch wie in Sachen Kostüm (Sven Bind­seil) gibt es deut­liche Anklänge an die Renais­sance – gerade so viel, dass das Stück nicht kitschig wird, aber sich doch farben­prächtig in Ohr und Auge einprägt.

„Vom Fugger-finan­zierten Kaiser Maxi­mi­lian I. bis hin zum Auftritt Martin Luthers steckt viel Historie im Musical.“

Szenisch verortet ist das Ganze von Regis­seur und Bühnen­bildner Karel Spanhak auf einer wohl­tuend schlichten Frei­licht­bühne mit zwei adler­be­krönten (Lautsprecher-)Säulen, dem mit Büchern und Land­karten gefüllten Fugger-Kontor in der Mitte sowie einer durchaus ironi­schen Show­treppe aus schim­mernden Gold­du­katen, die präch­tige Einzüge von oben ermög­licht.

Viele gut besetzte Neben­rollen
Und das Sänger-Team? in der Haupt­rolle wirkte im zweiten Teil, als alter, verein­sa­mender Fugger, über­zeu­gender und hat vor allem beim Titel­song „Herz aus Gold“ seinen großen, stimm­ge­wal­tigen Auftritt. Eben­bürtig die diven­haft-selbst­be­wusste Sybilla senior (), gefolgt von Sybille junior (Katha­rina Woll­mann), die stimm­lich leider zu wenig Möglich­keiten zur Entfal­tung bekommt. Inner­halb den vielen gut besetzten Neben­rollen hat noch Fuggers Gegen­spieler Welser die größte Möglich­keit, sich darstel­le­risch zu profi­lieren und wird von Regis­seur Holger Hauer selbst glaub­würdig verkör­pert. Das Aufgebot aus Opern­chor und Ballett Augs­burg, einem Musi­cal­en­semble und Mitglie­dern der Thea­ter­aka­demie August Ever­ding bleibt nichts schuldig – und das, obwohl GMD mit dem Rücken zum Ensemble die prächtig musi­zie­renden diri­gieren muss und den Ausfüh­renden nur via Bild­schirmen zur Verfü­gung steht.

Trotz inhalt­li­cher Frage­zei­chen: Die stehenden Ovationen am Schluss der Aufführung(en) spre­chen eindeutig für dieses Musical. Infos zu Terminen und Karten finden Sie hier.

Fotos: Jan-Pieter Fuhr