Gstaad Menuhin Festival u.a.

Der Berg ruft!

von Corina Kolbe

24. Mai 2018

Viele Musikfestivals verlegen Konzerte in luftige Höhen. Für das Publikum bedeutet das ein völlig neues Erlebnis, für Künstler und Veranstalter eine akustische Herausforderung.

Majes­tä­ti­sche Berg­land­schaften haben so manchen Kompo­nisten zu großen Werken inspi­riert. In « Alpen­sin­fonie hört man das Rauschen eines Wasser­falls, bevor der Wanderer über blumige und durch unweg­sames Dickicht den Gipfel erreicht und in ein Gewitter gerät. In seiner Tondich­tung verar­bei­tete Strauss Jugend­er­in­ne­rungen an einen Aufstieg auf den Heim­garten, einen der Münchner Haus­berge. In im Pustertal, wo er unter anderem seine Neunte Sinfonie schrieb, schwärmte beim Blick auf die Dolo­miten: „Hier ist es wunder­herr­lich und repa­riert ganz sicher Leib und Seele.“

Partnachklamm
Lädt zu einer Musik­wan­de­rung durch die Part­nach­klamm: das Richard Strauss Festival in

Im Gegen­satz zu Strauss und Mahler können Gäste von Klas­sik­fes­ti­vals Musik im Gebirge heute nicht nur in der Fantasie erleben. Veran­stalter folgen dem weit verbrei­teten Trend, Konzerte an unge­wohnte Orte zu verlegen. Kultur und Tourismus fördern sich dabei gegen­seitig. Beim Richard Strauss Festival in Garmisch-Parten­kir­chen begleiten in diesem Sommer ein Trom­peter und ein Posau­nist eine Musik­wan­de­rung durch die Part­nach­klamm. Unter dem Motto „Von der Renais­sance zum Rosen­ka­va­lier“ lädt das Festival außerdem auf die Sonnenalm ein, die mit der Wank­bahn oder zu Fuß zu errei­chen ist. Das Ensemble Munich Opera, das aus den acht Hornisten des Baye­ri­schen Staats­or­ches­ters besteht, spielt auf einer Terrasse vor der beein­dru­ckenden Kulisse der Zugspitze. Beim kann man Kammer­en­sem­bles auf dem Nebel­horn und bei Sonnen­un­ter­gang an der Gipfel­sta­tion des Fell­horns lauschen. Und der Südti­roler Berg­stei­ger­chor Castion Faver singt an der Station Schlap­poldsee.

Während man auf dem Fell­horn ohne zu schwitzen mit der Berg­bahn ans Ziel kommt, hat die in der öster­rei­chi­schen Wande­rungen für kondi­ti­ons­stär­kere Gäste im Programm. 600 Höhen­meter sind auf einer neun Kilo­meter langen „Land­partie“ zu über­winden, die wahl­weise früh­mor­gens oder am Nach­mittag durch den Natio­nal­park Gesäuse führt. Zur Beloh­nung gibt es dann im Gebirge Live-Musik von Alphorn­blä­sern, Flötis­tinnen und einem Vokal­trio.

Gstaad Festival
Sol Gabetta in der Kirche von Saanen beim

Das Gstaad Menuhin Festival in der findet in diesem Jahr sogar unter dem Themen­schwer­punkt „Alpen“ statt. Inten­dant Chris­toph Müller spricht in seinem Vorwort von einer „magi­schen“ Anzie­hungs­kraft, die Berge im Zeit­alter der Beschleu­ni­gung und welt­weiten Vernet­zung auf Stress­ge­plagte ausüben. Die meisten Konzerte finden aller­dings in Kirchen und im Festi­val­zelt statt. Anders als bei früheren Ausgaben ist ein Glet­scher­kon­zert in diesem Jahr nicht vorge­sehen. Dafür tritt auf der Alp Züne­weid auf einer Höhe von rund 1.600 Metern ein Blech­blä­ser­quin­tett auf.

Wie Müller im Inter­view erklärt, sucht er neben den Haupt­spiel­stätten auch typi­sche Orte in der Region aus, an denen die Verbin­dung von Natur und Musik am schönsten zum Ausdruck komme. Was die Akustik betrifft, so räumt er rasch ein, dass bei Frei­luft­kon­zerten Abstriche gemacht werden müssten. „Man besucht solche Veran­stal­tungen ja nicht in erster Linie wegen des Klang­er­leb­nisses. Dafür haben wir unsere Kirchen, die für ihre Akustik berühmt sind.“ Die Beson­der­heit der Konzerte im Gebirge erkennt Müller eher darin, dass die übliche Tren­nung zwischen Bühne und Zuschau­er­raum aufge­hoben sei. „Die Hörer sind den Musi­kern ganz nah. In Wander­schuhen und Sport­dress lässt es sich wunderbar mitein­ander über Musik und die Welt disku­tieren.“

Und wie gehen die auftre­tenden Musiker mit der unge­wohnten Situa­tion um? „Wer nicht bereit ist, solche Kompro­misse einzu­gehen, spielt halt nicht dort“, sagt der Inten­dant, der von Haus aus Cellist ist. „Gene­rell verspüre ich bei Künst­lern aber eine große Offen­heit für solche Formate.“ Die Gefahr, dass das Gebirge zu einer Event­ku­lisse redu­ziert wird und die Natur darunter leiden könnte, schließt er bei seinem Festival aus. „Wir veran­stalten diese Konzerte immer in sehr kleinem Rahmen, mit 80 bis höchsten 150 Zuhö­rern. Andern­falls würde die beson­dere Stim­mung gar nicht erst aufkommen.“

Davos Festival
Animiert zu einer Wander­tour: das Festival

Mit dem Goethe-Zitat „Über allen Wipfeln ist Ruh“ will das in seine Besu­cher zu einer Wander­tour animieren, die vom Jakobshorn (2.590 m) berg­abwä über die Clava­deler Alp (2.005 m) zur Kirche Frau­en­kirch (1.505 m) führt. Zum Ausgangs­punkt gelangt man mit einer Bahn. Die Konzerte auf der tradi­tio­nellen Festi­val­wan­de­rung, die jedes Jahr ihre Route ändert, finden in Innen­räumen statt. Im Restau­rant der Gipfel­sta­tion singt zunächst der Kammer­chor des Festi­vals, der die gesamte Tour begleitet. Wie bei vielen anderen Konzerten im Gebirge ist auch hier ein Bläser­en­semble dabei, das im Keller eines Käse­rei­hofes spielt, bevor der Ausflug bei Musik in der Kirche endet. Bei höchs­tens 50 bis 60 Zuhö­rern kann man auch hier nicht von einer Massen­ver­an­stal­tung spre­chen.

Ein bewusstes und umwelt­ver­träg­li­ches Natur- und Musik­erlebnis in kleinem Kreis bietet auch das Festival Die Klänge der Dolo­miten in . Künstler und Publikum kommen sich beim Wandern durch die male­ri­sche Berg­welt des Tren­tino näher als in jedem herkömm­li­chen Konzert­saal. , Solo-Oboist der , war im vergan­genen Sommer ganz unge­wohnt auf einer Berg­wiese im Natur­schutz­park Adamello-Brenta zu hören, begleitet von dem Kammer­mu­sik­ensemble Zandonai aus . In einem Video auf Youtube ist zu sehen, wie die Musiker, die sich durch Hüte vor Sonnen­stich schützten, ein Programm aus Klassik, Film­musik, Tango und Pop aufführen. Die Geigerin nahm bereits an einer Trek­king-Tour durch die Ceve­dale-Gruppe teil, die bis auf über 3.000 Meter Höhe führte. Mit einer Sonnen­brille auf der Nase spielte sie vor schnee­be­deckten Gipfeln gemeinsam mit dem künst­le­ri­schen Festi­val­leiter Mario Brunello. Der Cellist aus Vene­tien, der 1986 als erster Italiener den Tschai­kowsky-Wett­be­werb in Moskau gewann, kennt die Berge von klein auf wie seine Westen­ta­sche. Er ist davon über­zeugt, dass Musik und Natur fürein­ander geschaffen seien. „Das Profil der Dolo­miten ähnelt dem Noten­bild in einem Prälu­dium von Bach“, schreibt Brunello in seinem Buch „Fuori con la musica“ (Draußen mit der Musik). Und den Klang seines Instru­ments verglich er einmal mit der Sonne, die früh­mor­gens über den Gipfeln seiner geliebten Dolo­miten aufgeht.

Fotos: Daniele Lira, Sammy Hart, Raphael Faux, Yannick Andrea