Woher kommen eigentlich ...

Die Bretter, die die Welt bedeuten?

von Stefan Sell

8. September 2021

Das Theater des Abendlandes veränderte sich immer wieder. In Asien waren die Entwicklungen beständiger. Und es fand seine Bühne schon 400 Jahre früher.

In der Antike zählte Thespis zu den ersten Tragö­di­en­dich­tern. Seine Bühne war eine Wander­bühne, ein Wagen, der Thespi­s­karren. Ob das mit der Wander­bühne wirk­lich stimmt, weiß man nicht, doch immerhin behaup­tete das der renom­mierte Dichter Horaz. So spricht man heute noch von Wander­bühnen als von Thespi­s­karren. Die Chance, Publikum zu bekommen, war sicher größer, wenn sich das Schau­spiel auf Tournee begab. In der Popmusik ist das heute noch so – einzig, ein Karren reicht nicht aus. Bei AC/DC sind 30 Sattel­schlepper und weit über 200 Menschen nötig, die das Ange­lie­ferte in einer Arena aufbauen.

Auch zu Thespis Zeiten wurde schon in der Arena gespielt. Stets stand ein Chor auf der Bühne, der stell­ver­tre­tend für das Gött­liche dem Stell­ver­treter des Mensch­li­chen auf seine Fragen antwor­tete. Nicht nur Thespis auch , Aischylos und Euri­pides waren berühmte Namen, die das „Spiel des Lebens”, wie es Schiller nannte, auf die Bühne zu bringen wussten.

Fried­rich Schiller:

„Wollt ihr in meinen Kasten sehn?
Des Lebens Spiel, die Welt im Kleinen,
Gleich soll sie eurem Aug′ erscheinen;
Nur müsst ihr nicht zu nahe stehn,
Ihr müsst sie bei der Liebe Kerzen
Und nur bei Amors Fackel sehn.”

Das Theater des Abend­landes verän­derte sich immer wieder. Zu Shake­speares Zeiten entwi­ckelten sich aus den fahrenden Schau­spie­ler­en­sem­bles, die Wirts­häuser und Markt­plätze bespielten, mehr und mehr die festen Spiel­orte. Ist das fahrende Schau­spie­ler­ge­werbe in Hamlet noch von tragender Bedeu­tung, sind die Werke Shake­speares längst auf einer festen Bühne in London zu Hause.

Nachbau des Globe Theater
Nachbau von Shake­speares Globe Theater in London
(Foto: © Tohma)

Die Flaggen des Globe Theatre verkün­deten: „All the world’s a stage” – „Die Welt ist eine Bühne”. Es gab eine Vorder­bühne ohne Bühnen­bild, die direkt ins Publikum führte und von allen Seiten einsichtig war, eine Hinter­bühne, die „gebildet” werden konnte und Türöff­nungen und Vorhänge besaß. Außerdem gab es eine Ober­bühne. Hier hatte weiteres Publikum Platz oder sie wurde als Empore bespielt. Selbst­ver­ständ­lich waren da auch die Auffüh­rung bei Hofe, für Fürsten und Könige. Haydn schrieb zahl­reiche Musiken für das Mario­net­ten­theater des Fürsten Ester­házy.

Kutiyattam
Das Sans­krit-Theater Kuti­yattam
(Foto: © Natan­a­kai­rali / UNESCO)

In Asien waren die Entwick­lungen bestän­diger. Während Thespis im 6. Jahr­hun­dert v.u.Z. lebte, fand das Theater in seine Bühne schon 400 Jahre vorher im soge­nannten Sans­krit-Theater. Zudem waren Schatten- und Puppen­spiele beliebt. Seit über 1.000 Jahren spielen Schau­spieler im Tempel­theater, dem Kuttam­palam. Die Thea­ter­form Kuti­yattam, was sinn­gemäß „zusammen spielen und tanzen” heißt, hat meist kein Bühnen­bild, bedarf oft nur einer Licht­quelle und wird von Zimbeln wie einer schweren Trommel namens Mizhavu begleitet. Dauer einer einzigen Auffüh­rung: bis zu zehn Tagen.

Peking Oper
Die Peking Oper
(Foto: © Zhao Yiping / Beijing Bureau of Culture)

Auch in bei der Peking Oper ist das Bühnen­bild eher kärg­lich, die Kostüme jedoch sind umso farben­präch­tiger. Trotz ihres Namens, die Peking Oper soll gar nicht aus Peking kommen. Gestaltet wird eine solche Oper, die auch mal 240 Akte haben kann und sich über mehrere Tage hinzieht, inter­dis­zi­plinär, spar­ten­über­grei­fend: Schau­spiel, Tanz, Gesang, Kampf­kunst und Akro­batik bestimmen die Bühne.

Zwischenruf von Schiller:

„Schaut her! Nie wird die Bühne leer
Dort bringen sie das Kind getragen,
Der Knabe hüpft, der Jüngling stürmt einher,
Es kämpft der Mann, und Alles will er wagen.”

„Alles wagen” bedeutet auch, „die Puppen tanzen lassen”, „Draht­zieher” sein und dabei immer „die Fäden in der Hand behalten”. Bühnen für Mario­netten- und Puppen­theater sind auf der ganzen Welt zu finden.

Wasserpuppentheater
Das Wasser­pup­pen­theater Thang Long in Hanoi
(Foto: © Gryffindor)

hat seit dem 11. Jahr­hun­dert ein Allein­stel­lungs­merkmal: das Wasser­pup­pen­theater. Erst war die Bühne ein See, später ein Dorf­teich. Darin stehen die Puppen­spieler, durch einen Bambus­vor­hang verdeckt, bis zum Bauch im Wasser. Im Gegen­satz zu den Bregenzer Fest­spielen ist das keine feste Bühne auf einem See, sondern wirk­lich eine Bühne aus Wasser, heute einge­fasst in ein Becken. Die Spiel­technik blieb lange ein gut gehü­tetes Fami­li­en­ge­heimnis. Die Musik, mit der das Orchester die Hand­lung begleitet, könnte man mit einem Augen­zwin­kern zu Händel als „Wasser­musik” bezeichnen.

Schil­lers Schluss­wort:

„Ein Jeglicher versucht sein Glück,
Doch schmal nur ist die Bahn zum Rennen;
Der Wagen rollt, die Achsen brennen,
Der Held dringt kühn voran, der Schwächling bleibt zurück;
Der Stolze fällt mit lächerlichem Falle,
Der Kluge überholt sie alle.”
Fotos: Stauf