Ein Hojo­toho für mehr Tole­ranz

von Axel Brüggemann

5. Februar 2019

Die Bayreu­ther „Walküre“ in

Die Oud-Schule von Abu Dhabi liegt in einem unschein­baren Viertel: Schnör­kel­lose, braune Einheits­häuser, die wahr­schein­lich nie einen Archi­tek­tur­preis gewinnen werden. In einem von ihnen geht es etwas goldener zu. Ein impo­santes Trep­pen­haus, schwarzer und weißer Marmor, opulente Kron­leuchter, Bücher­re­gale mit Lite­ratur über die lange Tradi­tion arabi­scher Musik, und in einem Hinter­zimmer – es riecht nach Leim und Kleber – bastelt ein Instru­men­ten­bauer neue Nobel-Klampfen. Zwei Stück pro Monat. 

Auf der schmalen Bühne im Foyer singt ein 14jähriges Mädchen aus Ägypten arabi­sche Weisen. Sie trägt ein pinkes T‑Shirt mit der Aufschrift „Game over“ und wird von ihrer Mutter auf der Oud begleitet. Neben den rot gepols­terten Sitz­reihen stehen zwei Männer. „Warum habt ihr das gestern nicht über­ti­telt?“, fragt der eine. Er trägt Drei­ta­ge­bart, Sandalen und weißen Thawb. Der andere trägt einen vornehmen, blauen Slim-Fit-Anzug und schweigt. Erst als der Mann in orien­ta­li­schem Gewand seine Frage wieder­holt, nun mit lauterer Stimme, „Warum?“, fühlt sich der andere zu einer Antwort heraus­ge­for­dert. „Du weißt“, sagt er, „wie sehr ich die Kunst liebe, aber am Ende ist alles immer auch ein biss­chen Politik.“ Das Mädchen auf der Bühne singt unbe­irrt weiter. 

Streit um Über­titel

Der Mann im Thawb ist Fisal Al Saari, der wohl bekann­teste Oud-Spieler der Emirate. Er reißt die Grenzen von tradi­tio­neller arabi­scher Musik, Jazz und Klassik ein und hat zur Eröff­nung des Louvre im Wüsten­staat gemeinsam mit dem Jugend­or­chester und seine eigene Kompo­si­tion aufge­führt – das welt­weit erste Sympho­nie­kon­zert für Oud. Auftrag­geber war der Mann im blauen Anzug: Ronald Perl­witz. Er kommt aus und arbeitet seit vielen Jahren als Kultur­ma­nager und Orga­ni­sator der „“ im Wüsten­staat. Thema der beiden ist das gest­rige „Walküren“-Gastspiel der , das Perl­witz ins Luxus-Hotel „Emirates Palace“ geholt hat, in dem so ziem­lich alles Blatt­gold ist, was glänzt. 

Leiter des Abu Dhabi Clas­sics Ronald Perl­witz

Das letzte Mal hatte Perl­witz vor 11 Jahren mit High­lights aus dem „Ring“ nach Abu Dhabi einge­laden. Dieses Mal stand die erste Auffüh­rung einer gesamten Oper in Abu Dhabi auf dem Programm. Für die „Walküre“ brachte die Fest­spiel­lei­terin den Diri­genten (er ist kurz­fristig für einge­sprungen), das Fest­spiel-Orchester und eine Star­be­set­zung aus , Albert Dohmen, Egils Silins, und Cathe­rine Foster mit. 

Wie aber soll man im Scheich-Staat mit einem Wagner Libretto umgehen, in dem sich alles um Inzest, Ehebruch und einen in Verträge verstrickten Herr­scher dreht? Perl­witz entschied sich, auf Über­titel zu verzichten und bestellte statt­dessen ein Video. Das will dem Publikum in der betu­li­chen Ästhetik eines „Drei Hasel­nüsse für Aschenbrödel“-Filmes den unge­fähren Hand­lungs­rahmen mit möglichst viel Feuer­zauber und möglichst wenig Details nahe­bringen. Ein Groß­teil des emira­ti­schen Publi­kums über­for­dert das, auch den Oud-Virtuosen Fisal Al Saari.

Ein Land im Umbruch

„Wir wären bereit für den Text gewesen“, erklärt er Perl­witz neben der Bühne, „wir leben doch nicht hinter dem Mond! Die ‚Walküre« ist ein Mythos, keine wahre Geschichte – das verstehen wir schon.“ Dann schweigen die Männer, schauen sich an – und umarmen einander. Viel­leicht, weil sie wissen, dass ihr Gespräch auf jenem Grat zwischen Kultur und Politik, Reli­gion und Welt­of­fen­heit, zwischen west­li­cher und orien­ta­li­scher Tradi­tion tanzt wie die junge Nation Abu Dhabi selber: ein Land im Umbruch.

Blick auf den Emirates Palace

Erst 1971 verließen die Briten die Region und die sieben Golf­staaten schlossen sich zu den Verei­nigten Arabi­schen Emiraten zusammen. In jener Zeit entwi­ckelte Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan auch seinen Master­plan für Abu Dhabi. Er wollte den Staat, in dem die meisten Einwohner noch von der mühsamen, gefähr­li­chen und unren­ta­blen Perlen­fi­scherei lebten, in eine moderne Metro­pole verwan­deln und seine Bevöl­ke­rung an den Gewinnen der Öl-Indus­trie betei­ligen. Heute gibt es ein Grund­ein­kommen von rund 8.000 Euro für jeden Emirati, kosten­lose Kran­ken­vor­sorge, ein Haus als Geschenk zur Eheschlie­ßung und Geld für jedes Kind. Vor allen Dingen aber wollen die Emirate eine sichere Oase in der Krisen­re­gion des Nahen Ostens sein. Kultur spielt dabei eine stra­te­gi­sche Rolle. In ihr können tradi­tio­nelle Grenzen über­schritten und undenk­bare Gedanken schon heute gedacht werden. 

Der Louvre in Abu Dhabi

Dieses Frei­denken ist auch im Louvre in Abu Dhabi zu sehen, einer gigan­ti­schen weißen Kunst-Kugel, die vor andert­halb Jahren vom Archi­tekten Jean Nouvel auf eine sandige Insel vor dem Fest­land gesetzt wurde. Hier wird ein voll­kommen neuer Blick auf die globale Kultur­ge­schichte geworfen, quasi eine begeh­bare Ring­pa­rabel. In jedem Raum stehen Objekte aller Reli­gionen, des Chris­ten­tums, des Buddhismus, des Juden­tums und des Islam neben­ein­ander. Das Verei­nende steht im Zentrum, egal, ob die Rolle des Lichtes (in den Roset­ten­fens­tern des deut­schen Mittel­al­ters oder in den Moschee-Leuchten des 17. Jahr­hun­derts), die Vorliebe für Gold (bei Kult-Masken aller Reli­gionen), oder die moderne Idee, den Körper zum Malen zu benutzen. 

Koran und Tora

Während Israelis und Juden in den Emiraten bis heute uner­wünscht sind, gesteht man christ­li­chen und buddhis­ti­schen Gast­ar­bei­tern inzwi­schen sogar eigene Gottes­häuser zu. Der Papst-Besuch war der bishe­rige Höhe­punkt des „Jahres der Tole­ranz“, das Abu Dhabi gerade ausge­rufen hat. In einem dunklen Saal des Louvre liegt neben dem hand­schrift­li­chen Koran und einer hand­schrift­li­chen Bibel auch eine hand­schrift­liche Tora.

Die große Moschee in Abu Dhabi

Viel­leicht verhält es sich mit der „Walküre“ in Abu Dhabi ein biss­chen wie mit den beiden Buddha-Figuren, die eben­falls im Museum ausge­stellt sind. Eine der vielen indi­schen Gast­ar­bei­te­rinnen steht als Muse­ums­füh­rerin zwischen den zwei Skulp­turen. „Auf der einen Seite sehen Sie eine original indi­sche Statur mit großen Mandel­augen wie bei mir“, sagt sie und lächelt, „daneben sehen Sie, was passiert, wenn Reli­gionen auf Reisen gehen: ein chine­si­scher Buddha mit schmalen, asia­ti­schen Augen.“ 

Auch die Fest­spiele haben die Augen für ihre „Walküre“ in Abu Dhabi nun ein wenig zuge­kniffen und beim Export das Provo­ka­tions-Poten­zial auf der Strecke gelassen. Während dem euro­päi­schen Publikum in vorführt, dass das Öl das neue Rhein­gold ist (und damit Anlass für Hass, Krieg und Apoka­lypse), lässt man in Abu Dhabi Wagners Über­wäl­ti­gungs­musik lieber für sich spre­chen. 

Katha­rina Wagner steht mit Kopf­hö­rern und Sprech­funk an der Seiten­bühne und über­nimmt höchst­per­sön­lich die Abend­spiel­lei­tung. Sie diri­giert die Sänger auf die Bühne, umarmt sie nach ihren Auftritten und orga­ni­siert den Schluss-Applaus. „Wir könnten überall zu Gast sein“, sagt sie, während im „Emirates Palace“ der Feuer­zauber auf der Bühne tobt. „Aber hier in Abu Dhabi geht es um etwas, das mir beson­ders am Herzen liegt: Um kultu­rellen Austausch, der keine Einbahn­straße ist. Für mich ist es span­nend, zu sehen, wie Menschen, für die Wagner nicht zum Alltag gehört, auf seine Musik reagieren.“ Ein Satz, den auch der Papst auf seinem Besuch in den Emiraten hätte sagen können, wenn er der Heilige Vater der Wagner-Reli­gion wäre. Katha­rina Wagner sagt ihn später noch einmal so ähnlich am Pool des deut­schen Botschaf­ters.

Katha­rina Wagner hinter der Bühne bei der Auffüh­rung der „Walküre“

Viel­leicht hat sie auch deshalb vornehm auf akus­ti­sche Ansprüche verzichtet. Das Audi­to­rium des „Emirates Palace“ ist mit dicken Teppi­chen ausge­legt, und selbst ein gewal­tiger Wagner-Klang plumpst hier nach wenigen Metern einfach zu Boden. „Den Original-Bayreuth-Klang gibt es eh nur in Bayreuth“, sagt Wagner, „hier geht es darum, die Musik über­haupt erst einmal vorzu­stellen.“ 

Kapell­meister Poschner

Diri­gent Markus Poschner tut das, trotz nur einer Probe, mit kapell­meis­te­ri­schem Können: Er dimmt die Laut­stärke des Fest­spiel­or­ches­ters und macht es den Sängern etwas leichter: Aus Cathe­rine Foster scheint die anspruchs­volle Rolle der Brünn­hilde inzwi­schen nur so heraus­zu­strömen, Stephen Gould kostet das Abu Dhabi­sche Motto von größer, länger und lauter in seinen „Wälse“-Rufen aus, Albert Dohmen scheint Hundings Boshaf­tig­keit offen­sicht­lich Spaß zu bereiten, und Egils Silins legt einen gewal­tigen Wotan hin, der immer wieder zu leiden­schaft­li­chen Piani fähig ist. Ein durchaus bayreu­thwür­diges Ensemble, dem mit Poschner ein Diri­gent vorsteht, den Katha­rina Wagner spätes­tens jetzt auch für den Hügel auf der Rech­nung haben wird.

Dennoch ist das Audi­to­rium des „Emirates Palace“ nur etwas mehr als halb gefüllt. Einst wurde der Luxus­schuppen als provi­so­ri­sches Parla­ment der Verei­nigten Arabi­schen Emirate und als Über­nach­tungs­mög­lich­keit für die Scheichs der sieben Emirate gebaut. Ein Haus, das überall – vom Blatt­gold an den Wänden bis zu den perfekt gegarten Speisen auf den Restau­rant-Tellern – zeigt, was es kann. Man könnte auf die Idee kommen, dass auch das Gast­spiel der Bayreu­ther Fest­spiele dem emira­ti­schen Credo der Super­la­tive geschuldet ist und man sich Bayreuth nur in die Wüste geholt hat, weil man es kann. Doch das stimmt nicht ganz.

Foyer des Emirates Palace

Der Wagner-Verband Abu Dhabi besteht aus zwei Männern, die sich unre­gel­mäßig in ihren Privat­räumen treffen. Dann holen sie die alten Knap­perts­busch-Platten aus dem Regal und lauschen den Leit­mo­tiven des „Ringes“. Einer von ihnen ist der Leiter der Abu Dhabi Clas­sics, Ronald Perl­witz. Der andere Zaki Nuss­eibeh: ein älterer, hagerer und ausneh­mend freund­li­cher Emirati mit Came­bridge-Abschluss. An solchen Abenden entwi­ckeln die beiden ihre kultu­rellen Visionen für das Land. So werden die Musik-Lehr­pläne an den Schulen von Abu Dhabi neuer­dings am Gast­spiel-Programm der Abu Dhabi Clas­sics ausge­richtet. Die letzten Wochen wurde in den Klas­sen­zim­mern Wagner gepaukt, und zur „Walküren“-Generalprobe wurde der dritte Aufzug für Schüler geöffnet.

Die große Moschee in Abu Dhabi

Zaki Nuss­eibeh sitzt bei der Bayreuth-Première im „Emirates Palace“ in der ersten Reihe neben Perl­witz. Wenn man seinen Namen googlet, besteht nicht einmal bei Wiki­pedia Sicher­heit über seine derzei­tige Posi­tion. „Vermu­tete Ämter“, heißt es dort, und dass er wahr­schein­lich als Infor­ma­ti­ons­mi­nister tätig sei. Auch Ronald Perl­witz verweist, wenn man ihn nach der genauen Posi­tion seines Freundes fragt, lieber auf die Vergan­gen­heit, in der Nuss­eibeh das Kultur­mi­nis­te­rium von Abu Dhabi leitete. Sicher aber ist, dass Zaki Nuss­eibeh einer der wich­tigsten intel­lek­tu­ellen Vordenker des modernen Abu Dhabi ist.

Zwei Wagne­rianer in der Wüste

Das Gesicht des Landes aber ist der Staats­gründer Scheich Zayed. Er hängt als Mobilé unter einen gigan­ti­schen Marmor­bogen, als Giga-Porträt aus Mini-Brief­marken im Museum, als demü­tiger arabi­scher Führer, der auf einer Schwarz-Weiß-Foto­grafie vor einem Schiff im Sand am Meer kniet, in öffent­li­chen Räumen, oder als moderner Staats­mann, der mit akkurat geschnit­tenem Bart und lässiger Sonnen­brille Staats­chefs aus aller Welt empfängt. 

Scheich-Berater Zaki Nuss­eibeh (Mitte)

Im Scheich-Museum, das dem 2004 verstor­benen Staats­gründer gewidmet ist, sind – zwischen ausge­stopften Löwen, seinem alten BMW und Uniformen – auch zahl­reiche Bilder mit dem Wagne­rianer Nuss­eibeh zu sehen. Als enger Berater, als Infor­ma­ti­ons­mi­nister, der die Zeitungen des Landes grün­dete und als Leiter der Kultur­be­hörde, die Abu Dhabi für die Zeit nach dem Öl rüsten soll. Schließ­lich sind die Ölre­serven begrenzt und der Ölpreis fällt konti­nu­ier­lich. Leute wie Nuss­eibeh wissen, dass Torismus und Kultur neben dem Finanz­wesen das wich­tigste Stand­bein der Zukunft sein werden. Er hat sowohl eine Zweig­stelle der Sorbonne als auch den Louvre nach Abu Dhabi geholt – und für den Kultur-Hunger zwischen­durch eben die Bayreu­ther Fest­spiele.

Scheich Museum in Abu Dhabi

Ursprüng­lich stammt Nuss­eibeh aus einer tradi­ti­ons­rei­chen paläs­ti­nen­si­schen Familie in Jeru­salem, die mit dem Abzug der Engländer aus Israel 1948 vertrieben wurde. Zaki Nuss­ei­behs Bruder Sari, ein bekannter Philo­soph, schloss sich der PLO an, wurde intel­lek­tu­eller Berater von Yassir Arafat, sammelte Gelder für die erste Inti­fada und leitete später die al-Quds-Univer­sität in Jeru­salem. Zaki ging derweil nach Abu Dhabi und half dem Scheich einen Staat zu machen. Seit jeher ist er begeis­terter Wagne­rianer, war bereits einige Male in Bayreuth, und das Gast­spiel mit Katha­rina Wagner war sein Herzens­wunsch – sein Wagner-Freund Perl­witz hat es nun möglich gemacht. 

Gemeinsam haben die beiden auch ein Sympo­sium für das Bayreu­ther Gast­spiel ange­setzt, auf dem unter anderem über Wagner und den Islam debat­tiert werden sollte. Das Publi­kums-Inter­esse hielt sich aller­dings in Grenzen, was viel­leicht auch an der Beset­zung des Podiums lag: Der Vortrag des Bayreu­ther Profes­sors Ulrich Berner war sowohl inhalt­lich als auch sprach­lich eher ein genu­scheltes, stabr­ei­me­ri­sches Kauder­welsch.

Wagner ist sicher­lich noch nicht in der Mitte der emira­ti­schen Gesell­schaft ange­kommen. Aber das Gast­spiel der Bayreu­ther Fest­spiele hat auch eher eine stra­te­gi­sche Bedeu­tung. Sie zielt eher weniger auf die 15 Prozent Emiratis, die in Abu Dhabi wohnen, sondern eher auf die 85 Prozent so genannter „Expats“, jene Gast­ar­beiter, auf die Boom-Staaten wie Abu Dhabi ange­wiesen sind: Paki­sta­ni­sche Taxi­fahrer, indi­sche Kellner, indo­ne­si­sche Stra­ßen­ar­beiter und deut­sche Inge­nieure halten das Land am Laufen. 

Kultur als neues Öl

Für prekär beschäf­tigte Gast­ar­beiter gelten strenge Auflagen: Regel­mä­ßige Gesund­heits­un­ter­su­chungen und die Auswei­sung bei Krank­heit, mit dem 65. Lebens­jahr müssen die Zuwan­derer wieder verschwinden, und ihre Partner dürfen sie erst nach­holen, wenn sie genug verdienen. Etwas libe­raler werden die Gesetze bei Führungs­kräften, beson­ders aus Europa, ausge­legt. Damit die sich in Abu Dhabi wohl fühlen, ist Kultur nötig. Die Bayreu­ther Fest­spiele sind also auch ein Stand­ort­faktor. Und natür­lich spielt der Tourismus eine Rolle: Fast fünf Millionen Menschen besu­chen Abu Dhabi jähr­lich, 150.000 davon sind Deut­sche. Für sie ist das Preis-Leis­tungs-Verhältnis der Hotels inter­es­sant, die Sicher­heit im Land, das Klima – neben 5‑Sterne-Hotel­an­lagen soll das kultu­relle Angebot die Reisenden locken. Gerade in Sachen Klassik hat Abu Dhabi noch Nach­hol­be­darf: Während es im Oman bereits ein eigenes Opern­haus samt Ensemble gibt und in ein Haus für Gast­spiele, verschiebt sich der Neubau eines Konzert­hauses in Abu Dhabi seit Jahren – zunächst sollen nun das neue natio­nale Museum und das Guggen­heim-Museum neben dem Louvre entstehen. 

Blick auf Abu Dhabi

Ein weiterer Grund für Gast­spiele wie das der Bayreu­ther Fest­spiele wird eher hinter vorge­hal­tener Hand formu­liert. „Musik an sich ist in vielen isla­mi­schen Staaten bereits eine Botschaft“, sagt ein Emirati. Auffüh­rungen wie die „Walküre“ werden in den Emiraten auch als Kampf­an­sage an den radi­kalen Islam, an den Isla­mi­schen Staat und an Al-Qaida verstanden. Abu Dhabi, so scheint es, versucht derzeit den diplo­ma­ti­schen Tanz zwischen eigener Tradi­tion und einer souverän gesteu­erten Öffnung gen Westen zu tanzen, was gerade Saudi Arabien zuweilen zum Aufhor­chen bringt. Die Emirate aber brau­chen sowohl den Schutz des Nach­barn als auch eine kultu­relle Öffnung. Kultur­ver­an­stal­tungen wie die „Walküre“ aus Bayreuth zeigen die viel­fäl­tigen Moti­va­tionen, Inter­es­sen­lagen und Bedin­gungen bei diesem gewal­tigen Tanz in der Wüste. 

In der Oud-Schule von Abu Dhabi lachen Fisal Al Saari und Ronald Perl­witz schon wieder gemeinsam und lauschen nun dem 14jährigen Mädchen aus Ägypten. Hier, in der Musik­schule, ist die kultu­relle Kraft, die in Abu Dhabi herrscht, viel­leicht am inten­sivsten zu spüren: Menschen, die nichts anderes wollen, als Musik zu machen, für die es selbst­ver­ständ­lich ist, ihre Musik aufzu­führen und neugierig auf das Fremde sind. Der Gesang des Mädchens auf der Bühne geht auch den Gästen aus Europa unter die Haut – ganz ohne Unter­titel.

Autor expe­ri­men­tiert mit einer Oud-Geige

Crescendo reiste auf Einla­dung von Abu Dhabi Tourimus.