Erika Pluhar

Die Verschwö­rung

von Erika Pluhar

19. Mai 2020

Erika Pluhar über vermeintlichen Freiheitsverlust, Feindbilder und Faschismus

Leider muss ich zur Zeit, wenn ich mich thema­tisch äußern möchte, ständig auf meine ganz frühe Kind­heit zurück­kommen, was ich unter „normalen“ Umständen nicht täte. Aber das Erleben des Zweiten Welt­krieges, sofort, als ich zu leben begann, drängt sich mir unent­wegt und unüber­sehbar auf. Da fielen Bomben vom Himmel – da flüch­tete man in irgend­welche Keller – da wurde verschüttet und gestorben – da war das Über­leben meist nur zwischen Schutt und Asche möglich – da hatte jeder Angst, und keiner sprach über seine Angst. Da wusste man auch, dass es die soge­nannten ‚Alli­ierten‘ waren, die die Bomben auf uns warfen, da war es nicht mehr vonnöten, den Feind anderswo zu suchen. Man wollte über­leben und weiter­leben.

: »Nichts Böses fällt vom Himmel und die Natur lächelt unbe­sorgt vor sich hin.«

Jetzt erlebe ich also, gegen Ende meines Lebens, eine andere, eine die Welt erschüt­ternde Krise. Sie sieht völlig anders aus. Nichts Böses fällt vom Himmel – die Vögel zwit­schern glück­selig – der Flieder blüht – dann die Akazien, der Holunder – die Natur lächelt unbe­sorgt vor sich hin. Die Menschen haben Wohnungen – Häuser – Gärten – und sollen sich dort bitte aufhalten, ohne auszu­schwärmen.

Quaran­täne

Nicht irgend­wel­cher Bombar­die­rungen wegen – nein, weil der Ausbruch einer Pandemie – Epidemie großen Ausmaßes steht bei Google und im alten DUDEN – sie gefährden könnte. Man hat zu – man hat Fern­seh­ap­pa­rate, Tablets, Smart­phones, man hört Musik und sieht Videos. Es ist ein biss­chen lang­weilig, wenn man nicht Kinder hat, die stressen, weil Kinder­gärten und Schulen geschlossen sind. Um alte Leute sollte man sich kümmern – das Wort „Quaran­täne“ gewann an nie geahnter Bedeu­tung.

Erika Pluhar: »Eine große Mehr­heit in der Bevöl­ke­rung leidet plötz­lich am Verlust der eigenen Frei­heit!«

Ja, etwas wird unserer Wohl­stands­ge­sell­schaft abge­for­dert. Etwas an „Einschrän­kungen“ (auch eine wesent­liche Vokabel geworden!) muss – keiner weiß, wie lange – jeder Bürger auf sich nehmen. Sogar jetzt noch, da Öster­reich und bereits in eine „neue Norma­lität“ entlassen. Wirk­lich unter der Krise leiden vor allem die, denen die Tages­ein­nahme finan­ziell den Tag abge­si­chert hat und die vor einem Nichts stehen. Die Armen leiden.

Auf unsere Nächsten achten

Eine große Mehr­heit in der Bevöl­ke­rung jedoch beginnt, gegen gesund­heits­tech­ni­sche Vorschriften, die ihr Leben einengen, zu demons­trieren. Sie leidet plötz­lich am Verlust der eigenen Frei­heit! Wir besitzen jetzt die Frei­heit, mit Vernunft frei­willig Vorsicht walten zu lassen, das schon. Wir können selbst­be­stimmt auf uns selbst und auf unsere Nächsten achten, die Gefahr nicht außer Acht lassen und diese acht­same und vorsich­tige Frei­heit genießen. Viele Menschen tun das auch.

Erika Pluhar: »Sind wir Menschen denn wirk­lich eine Spezies, eine Gattung von Idioten?«

Was da aber plötz­lich hoch­zu­sprießen beginnt – leider auch bei Menschen, die man eigent­lich für bedacht und vernünftig hielt –, sind Unmengen von Verschwö­rungs­theo­rien. Was an hahne­bü­chenem Unsinn da ange­nommen und geglaubt wird, macht jeden Vernunft­be­gabten fassungslos. Feind­bilder wurden gesucht und gefunden. CORONA sei eine chemi­sche Waffe der Chinesen! Wieso fängt aber in quasi von Corona „gerei­nigten“ chine­si­schen Städten die Infek­tion wieder von neuem an!? Bill Gates ist plötz­lich der Über-Feind, er verpflanzt uns etwas ins Ohr oder ähnli­ches (5G? Fleder­mäuse?), weil er die Welt­macht anstrebt! Den geis­tes­kranken Donald Trump über­geht man – oder versteht man! Was ist da entstanden? Sind wir Menschen denn wirk­lich eine Spezies, eine Gattung von Idioten?

Sehn­sucht nach einem Feind­bild

Leitet das Ganze die Sehn­sucht nach einem Feind­bild? Einem Feind also, der sichtbar ist, angreifbar, uns allen gegen­wärtig, anzu­greifen und von uns nieder­zu­ma­chen ist? Weil dieses Virus eben derart unsichtbar, so unan­greifbar, so schwer persön­lich anzu­gehen bleibt?

Die Bomben, die von Himmel fielen, die hörte, sah und spürte man. Der Krieg war keine heim­liche Verschwö­rung, sondern das Resultat einer menschen­ver­ach­tenden, unmensch­li­chen, grau­samen Politik, der die Massen zustimmten. Väter und Söhne fielen wirk­lich an der Front. Unter den Bombar­de­ments starb man wirk­lich. In den KZs vergaste man und metzelte man wirk­lich Millionen jüdi­sche Menschen, Zigeuner und Wider­ständler nieder. 

Erika Pluhar: »Alle, die sich durch Corona-Beschrän­kungen um ihre persön­liche Frei­heit betrogen fühlen, begeben sich in die Diktatur der Verblen­dung.«

Was bitte hat Bill Gates mit der Corona-Krise zu tun? Er und eine angeb­liche Welt-Verschwö­rung? Wieso gerade er? Alle benutzen Micro­soft und Windows, alle haben ihn zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht, und das ist er. Aber nur das. Und warum soll China, das ohnehin zur wirt­schaft­li­chen Welt­macht wurde, die Welt chemisch vergiften? Was hätte China davon? Und so weiter und so weiter …

Wehret den Anfängen!

Es sind letzt­lich einfache Fragen, die man allen vom Un-Sinn Über­zeugten leider vergeb­lich stellt. Alle, die sich durch Corona-Beschrän­kungen um ihre persön­liche Frei­heit betrogen fühlen, begeben sich in die Diktatur der Verblen­dung. Wir kennen diesen Vorgang aus der Geschichte. Und wer davon profi­tiert, es benützt, sind natür­lich auch wieder die Rechts-Popu­listen, ist dieser unbe­lehr­bare Prozent­satz von Menschen, denen der Faschismus nicht auszu­treiben ist. Wie heißt es? Wehret den Anfängen! Und die Anfänge haben immer ein anderes Gesicht!

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(Foto oben: © Chris­tina Häusler)