Kirill Petrenko

Flie­gende Finger und Rari­täten

von Corina Kolbe

19. April 2018

In Berlin wird Kirill Petrenko scherzhaft "das Phantom" genannt. Hoch waren die Erwartungen, als er jetzt zum zweiten Mal nach seiner Wahl ans Pult der Berliner Philharmoniker trat.

In wird scherz­haft „das Phantom“ genannt. Die wählten ihn zwar schon vor drei Jahren zu ihrem neuen Chef. Der russi­sche Diri­gent, zurzeit noch Gene­ral­mu­sik­di­rektor der Baye­ri­schen Staats­oper in , tritt sein Amt jedoch erst zu Beginn der Saison 201920 an. Bis dahin bleiben seine Auftritte an der Spree rar. Entspre­chend hoch waren die Erwar­tungen, als Petrenko jetzt zum zweiten Mal nach seiner Wahl ans Pult der Berliner Phil­har­mo­niker trat.

Die viel disku­tierte Frage, wie er mit dem Welt­klas­se­or­chester das klas­sisch-roman­ti­sche deut­sche Kern­re­per­toire angehen wird, steht weiterhin im Raum. Statt sinfo­ni­scher Schlacht­rösser hatte Petrenko Rari­täten sowie ein popu­läres Werk der russi­schen Moderne im Gepäck. Mit gera­dezu schwin­del­erre­gender Virtuo­sität inter­pre­tierte die chine­si­sche Pianistin das Klavier­kon­zert Nr. 3 von Sergei Prokofjew.

Nach dem lyri­schen Klari­net­ten­solo von stei­gerten sich die zunächst zart einset­zenden Strei­cher zu einem unru­higen Stac­cato-Lauf, den Wang mit gera­dezu flie­genden Fingern an ihrem Instru­ment fort­setzte. Die vitale Rhythmik des Stücks gab der Solistin ausrei­chend Gele­gen­heit, ihre souve­räne Technik zur Schau zu stellen. Dafür fehlte es ihrem Spiel in den lang­samen, intimen Passagen ein wenig an Innig­keit.

Hoch waren die Erwar­tungen, als Petrenko jetzt zum zweiten Mal nach seiner Wahl ans Pult der Berliner Phil­har­mo­niker trat

Die Berliner Phil­har­mo­niker zeigten sich einmal mehr als heraus­ra­gende Kammer­mu­siker, etwa als Solo­flö­tist und seine Bläser­kol­legen die „Gavotte“ zu Anfang des zweiten Satzes anstimmten und mit den Strei­chern dialo­gi­sierten. Mit Bravour gelang es Petrenko, die grotesken und ironi­schen Facetten dieses Konzerts plas­tisch heraus­zu­ar­beiten. Bei diesem Reper­toire war er spürbar in seinem Element. Vergessen war die schwit­zige Anspan­nung, unter der er im vergan­genen Jahr in Berlin Mozarts Haffner-Sinfonie diri­giert hatte. Das Publikum dankte es mit lautem Beifall, der sich vor allem an die in eine rotglit­zernde Holly­wood-Robe geklei­dete Pianistin rich­tete.

Zu Anfang gab es « schil­lernde Ballett­musik La Péri, die von den Phil­har­mo­ni­kern zuletzt 1961 unter Leitung von Ernest Ansermet aufge­führt worden war. Auch die Vierte Sinfonie des Öster­rei­chers Franz Schmidt, der zu Zeiten von als Cellist im Wiener Hofopern­or­chester spielte, war in Berlin bisher selten zu hören. Als Requiem für Schmidts jung verstor­bene Tochter kompo­niert, ist dem spät­ro­man­ti­schen Vorbil­dern inspi­rierten Werk ein eigen­stän­diger Charakter nicht abzu­spre­chen. Eindring­lich entfaltet sich das melan­cho­li­sche Spiel der Solo­trom­pete (), mit der das Werk beginnt und endet. Im Adagio leitet Ludwig Quandts Cello­solo zu einem berüh­renden Trau­er­marsch des Orches­ters über. Aller­dings hat die Sinfonie stel­len­weise auch deut­liche Längen. Anfang der 1930er Jahre geschrieben und 1934 urauf­ge­führt, ist dieses musi­ka­lisch anspruchs­volle Werk von der dama­ligen Avant­garde unbe­ein­flusst und wirkt daher seltsam rück­wärts­ge­wandt. Auch wenn sich Petrenko in hervor­ra­gender Form zeigte, fiel der Applaus in dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal am Ende doch eher verhalten aus.

Bei seinen nächsten Auftritten mit den Berliner Phil­har­mo­ni­kern setzt Petrenko hingegen auf Altbe­währtes. Mit Beet­ho­vens Siebter Sinfonie sowie Don Juan und Tod und Verklä­rung von sind das Orchester und sein zukünf­tiger Chef­di­ri­gent Ende August auch beim zu erleben, wo die Phil­har­mo­niker zudem ihr 60. Luzerner Bühnen­ju­bi­läum feiern.

Fotos: Monika Rittershaus