News | 17.08.2020

Forscher: Konzerte und Opern in vollen Sälen möglich

von Redaktion Nachrichten

17. August 2020

Die Charité empfiehlt, klassische Konzerte und Opernveranstaltungen trotz Corona vor vollen Sitzreihen zu veranstalten, wenn alle Zuschauer einen einfachen medizinischen Mund-Nasen-Schutz tragen und Hygieneregeln eingehalten werden. Auch für Musiker von Orchestern wurden die Empfehlungen aktualisiert.

Klas­si­sche Konzerte und Opern­ver­an­stal­tungen könnten auch in der Corona-Pandemie vor voll­be­setzten Sitz­reihen statt­finden. Die wich­tigste Voraus­set­zung dafür wäre, dass alle Zuschauer einen einfa­chen medi­zi­ni­schen Mund-Nasen-Schutz tragen. Das geht aus einer Empfeh­lung der Charité-Insti­tute für Sozi­al­me­dizin und Epide­mio­logie sowie für Hygiene und Umwelt­me­dizin hervor, die am Montag heraus­ge­geben wurde.

Stefan Willich

Stefan

Als weitere Bedin­gungen nannten die Autoren das Einhalten der bekannten Abstands- und Hygie­ne­re­geln und eine ausrei­chende Lüftung der Räume mit Frisch­luft oder durch HEPA-Filter. Zudem müsse eine Kontakt­per­sonen-Nach­ver­fol­gung ermög­licht werden. Getränke und Lebens­mittel sollten nicht ausge­geben werden. Den Mund-Nasen-Schutz müssten die Zuschauer vom Betreten bis zum Verlassen des Gebäudes tragen.

„Das Publikum von Klas­sik­ver­an­stal­tungen zeichnet sich durch ein aufge­klärtes Verständnis der gesund­heit­li­chen Zusam­men­hänge, eine diszi­pli­nierte Verhal­tens­weise sowie die sorg­fäl­tige Einhal­tung von Vorgaben aus“, heißt es in der Empfeh­lung. Die Zuschauer würden während der Auffüh­rungen auch nicht mitein­ander spre­chen. Zudem hielten sie unab­hängig von Corona-Regeln einen sozial ange­mes­senen Abstand. Und Bewe­gungs­ströme und Gedränge ließen sich bei Klassik-Veran­stal­tungen meist gut steuern.

Die entschei­dende Grund­lage für die Empfeh­lung sei die wissen­schaft­liche Beur­tei­lung der Wirk­sam­keit der Mund-Nasen-Masken, erklärte der Direktor des Insti­tuts für Sozi­al­me­dizin und Epide­mio­logie, Stefan Willich, im Sender info­radio. „Wenn man einen solchen Schutz trägt, werden ungefä 95 Prozent der Virus­last absor­biert“, sagte er. „Das heißt, man selber ist geschützt und auch das Gegen­über.“ Willich hat neben Medizin auch Violine, Kammer­musik und Diri­gieren studiert. Er tritt unter anderem mit dem 2008 von ihm gegrün­deten World Doctors Orchestra auf. Von 2012 bis 2014 war er Rektor der Hoch­schule für Musik „.

Auch für die Musiker von Konzert- und Opern­or­ches­tern haben die Wissen­schaftler der Charité ihre Stel­lung­nahme vom Mai aktua­li­siert. Basie­rend auf aktu­ellen Erkennt­nissen empfehlen sie für Strei­cher nun einen Stuhl­ab­stand von nur noch einem Meter statt 1,5 Metern. Bei Bläsern reichen 1,5 statt zwei Meter. Ein Plexi­glas­schutz vor den Blech­blä­sern ist nicht mehr notwendig und kann entfallen. Für Strei­cher, Schlag­zeuger und Tasten­in­stru­mente bleibt die Empfeh­lung von 1,5 Meter Stuhl­ab­stand. Eine regel­mä­ßige Reihen-Testung aller symptom­freien Orches­ter­mit­glieder auf eine COVID-19-Infek­tion vor Beginn des Spiel­be­triebs sei nicht erfor­der­lich und aus epide­mio­lo­gi­scher Sicht nicht sinn­voll.

Beim Spielen von Blas­in­stru­menten können poten­tiell mit Viren belas­tete Tröpf­chen und Aero­lose ausge­stoßen werden. Verschie­dene Studien hätten jedoch gezeigt, dass diese weniger als einen halben Meter nach vorne bewegt werden. Ledig­lich bei der Quer­flöte könne es ein ganzer Meter werden. Strei­cher säßen parallel neben­ein­ander, ihre Bewe­gungen seien begrenzt und ausschließ­lich an ihrem Platz. Ihre Atem­fre­quenz könne abhängig von den zu spie­lenden Passagen erhöht sein, doch atmeten sie in der Regel mit geschlos­senem Mund durch die Nase. Da die Musiker sich nicht gegen­über­sitzen und nicht regel­mäßig mitein­ander spre­chen, sei die Gefähr­dung einer Infek­tion geringer als beim normalen sozialen Kontakt mit Gespräch.

Der Vorstand der Charité distan­zierte sich am Nach­mittag von der Stel­lung­nahme zum Publi­kums­be­trieb. Dabei handele es sich um ein „nicht abge­stimmtes Papier“, hieß es auf dem Twitter-Account. Der Entwurf berück­sich­tige nicht die aktu­elle Dynamik des Infek­ti­ons­ge­sche­hens und der damit verbun­denen Risiken. Er sei daher „nicht als Hand­lungs­vor­schlag, sondern als Grund­lage einer weiteren kriti­schen Diskus­sion im Rahmen der Berliner Test­stra­tegie zu betrachten“.

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