Franziska Kronfoth & Julia Lwowski

Verhör oder Verur­tei­lung – Verant­wor­tung und Gerech­tig­keit

von Ruth Renée Reif

29. Oktober 2021

Franziska Kronfoth und Julia Lwowski vom Kollektiv Hauen und Stechen bringen an der Staatsoper Stuttgart Paul Dessaus Die Verurteilung des Lukullus auf die Bühne. Die Premiere ist am 1. November 2021.

Das von den beiden Regis­seu­rinnen und ins Leben geru­fene Kollektiv Hauen und Stechen setzt die Oper Die Verur­tei­lung des Lukullus in Szene. Paul hatten die Erfah­rungen des Exils zu einem poli­ti­schen Künstler geformt. So kehrte er nach dem Krieg bewusst in die Sowje­ti­sche Besat­zungs­zone zurück, um am Aufbau eines sozia­lis­ti­schen, demo­kra­ti­schen Deutsch­lands mitzu­wirken. dagegen hatte sich erst für Ost- entschieden, nachdem er sich in Öster­reich und West­deutsch­land vergeb­lich um ein Theater bemüht hatte, und er behielt auch zu DDR-Zeiten seinen öster­rei­chi­schen Pass.

Szenenfoto Die Verurteilung des Lukullus an der Staatsoper Stuttgart
Gerhard Siegel als Lukullus und Simon Bailey als Toten­richter in Paul Dessaus Die Verur­tei­lung des Lukullus an der Stutt­garter Staats­oper
(Foto: © Martin Sigmund)

Zwischen 1949 und 1951 arbei­teten die beiden an der Verto­nung des Librettos zu Brechts Radio-Hörspiel Das Verhör des Lukullus. Doch ihr Werk stieß nach der von Hermann Scher­chen diri­gierten Probe­auf­füh­rung auf Ableh­nung. Die Musik wurde als „volks­fremd und forma­lis­tisch“ ange­griffen, und die Oper löste eine kunst­po­li­ti­sche Debatte über den sozia­lis­ti­schen Realismus in der DDR aus. Der Kritiker Hans Borgelt brachte anläss­lich der Auffüh­rung seine Enttäu­schung darüber zum Ausdruck, dass Brecht und Dessau klein beigegeben und an ihrer Oper „Verbes­se­rungen“ vorge­nommen hatten. „Dessau konnte ich verstehen, er wollte endlich sein erstes Musik­drama auf einer Bühne sehen… Brecht aber – hatte Brecht es nötig, zu Kreuze zu krie­chen und seinen inner­par­tei­li­chen Gegnern den Triumph zu über­lassen?“

Der Dirigent Bernhard Kontarsky
Diri­giert Paul Dessaus Oper Die Verur­tei­lung des Lukullus an der Stutt­garter Staats­oper: Bern­hard Kontarsky

Die entschei­dende Ände­rung betraf den Titel: Statt „Das Verhör“ hieß es nun „Die Verur­tei­lung“, womit der nega­tive Held von vorn­herein abqua­li­fi­ziert war. Auch die gerügte pazi­fis­ti­sche Tendenz wurde abge­schwächt und der Vertei­di­gungs­krieg aufge­wertet. Kron­foth und Lwowski wollen mit ihrer Regie­ar­beit, in der Gerhard Siegel die Titel­partie über­nimmt, die Oper mit Blick auf die Gegen­wart befragen und Über­le­gungen anstellen, wer sich heute wem gegen­über verant­worten müsste, wenn man den Begriff Gerech­tig­keit ernst nehme. Die musi­ka­li­sche Leitung hat Bern­hard Kontarsky inne.

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Informationen zu den weiteren Aufführungen von Franziska Kronfoths und Julia Lwowskis Inszenierung der Oper Die Verurteilung des Lukullus an der Staatsoper Stuttgart am 6., 13., 15. und 20. November 2021 unter: www.staatsoper-stuttgart.de

Fotos: Martin Sigmund