Heino Ferch

„Früher habe ich Bundes­liga geturnt und Don Giovanni gesungen!“

von Verena Fischer-Zernin

13. März 2018

Berühmt durch „Comedian Harmonists“, „Der Untergang“ oder „Vincent will Meer“: Heino Ferch zeigt seine Talente als Sänger und Schauspieler.

CRESCENDO: Herr Ferch, haben Sie schon einmal eine Opern­arie ­gesungen?

: Viele! Don Giovanni und Sarastro und solches Zeug. Was halt zu meiner Stimm­lage passte, Bariton bis Bass­ba­riton.

Das klingt ja fast nach einem Plan B zu Ihrer Schauspiel­karriere.

Ich habe am Mozar­teum in Schau­spiel studiert. Bei der Opern­klasse habe ich einfach aus Spaß mitge­macht. In den drei Jahren dort war ich von morgens um acht bis nachts um zwölf in der Hoch­schule. Wir wollten alles mitnehmen, was geht. Das war eine ganz tolle Zeit.

Don Giovanni, Die Zauber­flöte – Mozart würde man nicht als Ersten mit Ihnen in Verbin­dung bringen. Eher ameri­ka­ni­sche Unter­hal­tungs­musik wie in Ihrem berühmten Film Come­dian Harmo­nists.

Das haben wir natür­lich mit der Opern­klasse auch gemacht. Wir sind getin­gelt mit Annie Get Your Gun, ich habe den Riff aus der West Side Story gesungen. Und Chan­sons. Für mich als Nord­deut­schen war Salz­burg ein veri­ta­bler Kultur­schock. In dem Sommer, in dem ich am Mozar­teum aufge­nommen wurde, habe ich zum ersten Mal bei den Salz­burger Fest­spielen gespielt und gemerkt: Das ist aber toll, das ist aber geil, Salz­burg. Man atmet wirk­lich Musik.

Bei den Fest­spielen waren Sie bei Un re in ascolto von Berio dabei, das ist nicht gerade Unter­hal­tungs­musik.

Das war hard­core Zwölfton.

Froh, dass Sie nicht singen mussten?

Und wie! Da war ich als Artist.

„Ich habe Bundes­liga geturnt, bis ich auf die Hoch­schule gegangen bin“

Was heißt das, haben Sie jongliert?

Nö, ich war Kunst­turner. Ich habe Bundes­liga geturnt, bis ich auf die Hoch­schule gegangen bin.

Wie sind Sie über­haupt zur Kunst gekommen?

Als ich 15 war, hat ein Regis­seur am Theater in Bremer­haven für das Musical Can Can von Cole Porter Jungs gebraucht, die durch die Luft fliegen, die Flic­flacs machen und Mädels stemmen und sich nicht auf die Schnauze legen dabei. Und dann hieß es, wir haben hier einen Verein, die sind sehr gut, die haben viel­leicht ein paar, die Lust haben.

Wann war der Moment, in dem das Theater Sie infi­ziert hat?

Das weiß ich noch genau. Bei der Première von Can Can. Wie der Lappen aufging. Wir haben das Stück dann 50-mal gespielt, und als es abge­spielt war, waren alle krank. Nicht weil sie sich so veraus­gabt hatten. Sondern weil sie Kummer hatten, ob’s das jetzt war.

Was haben denn Ihre Eltern zu diesem Fieber gesagt?

Die haben sich gefreut, dass ich von der Straße war! Ich war sowieso von der Straße, weil ich jeden Tag drei Stunden in der Turn­halle verbracht und Sport gemacht habe. Die Schule ist bissl zu kurz gekommen in der Zeit, das ging gerade so knirsch und Kante. Aber mein Vater, der Seefahrer war, hat gesagt, wenn der Junge was macht, was ihm Spaß macht, bin ich heil­froh.

„Klas­si­sches ameri­ka­ni­sches Musical liebe ich sehr“

Es ging also weiter nach Can Can?

Bis zum Abi habe ich ungefä 20 Produk­tionen mitge­macht. Als Casca­deur, Akrobat, mal ein paar Sätze gesagt, Tür auf, Tür zu, biss­chen gesungen, im Weißen Rössl gesteppt und vom Sprung­brett in den Wolf­gangsee gesprungen, das heißt, in die Weich­schaum­matten hinter der Kulisse.

Diese Zeit der Come­dian Harmo­nists, von Bern­stein und Porter, ist das ein Stil, den Sie auch persön­lich mögen?

Klas­si­sches ameri­ka­ni­sches Musical liebe ich sehr. Das habe ich als Jugend­li­cher unheim­lich viel geschmet­tert. Ein Sonntag mit Fred Astaire, Ginger Rogers und Gene Kelly, das waren so Lieb­lings­nach­mit­tage.

Zu Hause bei Regen?

Ja, und auch bei Sonnen­schein.

Und heute, legen Sie etwas auf und zele­brieren es?

Selten.

Sind Sie Spoti­fyer?

Ich bin Spoti­fyer, aber ich wähle auch bewusst aus. Aktu­elles und Klassik. Ein Requiem oder eine Ouver­türe oder eine Opern­szene, was weiß ich.

Sind Sie ein musi­ka­li­scher Alles­fresser?

Ich bin emotio­naler Alles­fresser. Musik geht für mich sehr stark mit Stim­mung und Tages­form einher. Ich mag mir nichts vornehmen – außer dass man zu Weih­nachten ein biss­chen mehr Jingle Bells hört als sonst oder Last Christmas oder was die Kinder hören und lieben – aber ansonsten höre ich Musik komplett nach Gefühl.

„Ich bin emotio­naler Alles­fresser“

Kommt es vor, dass Sie ein Stück hören und sofort wissen, das habe ich in diesem oder jenem wich­tigen Moment gehört?

Das ist ein emotio­nales Gedächtnis, das sofort mitar­beitet. In meinem ersten Semester Schau­spiel­stu­dium kam Amadeus von Miloš Forman ins Kino. Der Film hat mich unglaub­lich beein­druckt. Da ist diese wunder­bare Szene, wo Constanze mit den Hand­schriften von Mozart zu Salieri kommt …

… das ist die mit den Venus­brüst­chen!

Eigent­lich bittet sie um einen Job für ihren Mann. Salieri, also ­
F. Murray Abraham, schlägt die Mappe auf, und während er liest, hört man dieses Potpourri an Sequenzen und sieht und fühlt, wie er verzwei­felt: was für ein Genie!

Nicht eine Note darf man ändern.

Nicht eine! Verrück­ter­weise habe ich die Szene gerade gestern gegoo­gelt, um sie Freunden vorzu­spielen. Das ist eine der Gänse­haut­szenen über­haupt im guten alten 80er-Jahre-Kino.

Wenn Sie als Sänger oder Musiker einen Wunsch frei hätten, was würden Sie gerne mal tun?

Diri­gieren.

Diri­gieren! Was denn?

Also so genau habe ich mir das noch nicht über­legt – aber ich finde es einen faszi­nie­renden Beruf.

Und ohne zu über­legen?

Na dann: Mozart Requiem.

Fotos: Agentur