Ilya Gringolts

Über­ra­gend

von Christoph Schlüren

6. September 2021

Ilya Gringolts schlägt mit Violinwerken von Johann Sebastian Bach, Brice Pauset und anderen eine Brücke zwischen Alter und Neuer Musik.

Ein phäno­me­naler Hybrid aus russi­scher und ameri­ka­ni­scher Schu­lung, ist heute einer der tech­nisch bestechendsten Geiger. Das vorlie­gende Programm ist Ergebnis seines gelebten Spagats zwischen den Expe­ri­men­tier­fel­dern der Alten und der Neuen Musik, und unmit­tel­barer Ausdruck dessen ist die 2008 kompo­nierte Kontrapar­tita des 1965 gebo­renen Fran­zosen Brice Pauset, deren sieben Sätze sich auf sieben Sätze aus Bachs Solo­par­titen beziehen, die ihnen hier direkt gegen­über gestellt werden – jeweils mit abschlie­ßender Chaconne.

Das betont Frag­men­ta­ri­sche, rein Klang­ef­fekt­be­zo­gene der Pauset’schen Stücke hat inso­fern Konse­quenzen für die Darbie­tung der Musik Bachs, als Grin­golts auch jene ganz gezielt ihres nach­voll­zieh­baren Zusam­men­hangs entle­digt und ihr die Anmu­tung eines gera­dezu zufäl­ligen Verlaufs voller Unwäg­bar­keiten verleiht. In Roberto Gerhards meis­ter­hafter Chaconne, einem komplexen Schlüs­sel­werk der Solo­vio­lin­li­te­ratur von 1959, stellt Grin­golts seine ganze über­ra­gende virtuose Klasse unter Beweis.