Ioan-Holender-Kolumne

Nicht mehr als reisende Bühnen­bilder

von Ioan Holender

20. Februar 2019

Ioan Holender über Koproduktionen von Opernaufführungen

Ende des 19. Jahr­hun­derts bis in die 1920er-Jahre wurden die Namen der Regis­seure meis­tens gar nicht genannt. Enrico Caruso schickte bei seinem Debüt an der im Jahre 1906 seinen Sekretär zur Bühnen­probe, der ihm nachher über das szeni­sche Geschehen berich­tete. Noch probte bis zur Fertig­stel­lung des szeni­schen Arran­ge­ments und der Beleuch­tungs­proben mit Statisten, während das Orchester per Tonband einge­spielt wurde.

Das Regie­kon­zept intensiv erar­beitet

Erst bei Konstantin Stanis­lawski, Wladimir Nemi­ro­witsch-Dant­schenko und später bei , Giorgio Strehler, , Günther Rennert, Wieland Wagner u.a. wurde das Regie­kon­zept intensiv und ausgiebig mit den singenden Inter­preten erar­beitet.

Das Übel der thea­ter­fremden Kopro­duk­tionen

Heute sollte der Regis­seur – neben dem Diri­genten und den Sängern – ein gleich­wer­tiger Bestand­teil einer Opern­pro­duk­tion sein. Manchmal ist dieser jedoch der primus inter pares, was sich ungut auswirkt. Das Übel der thea­ter­fremden Kopro­duk­tionen macht sich immer breiter. Man erar­beitet eine Insze­nie­rung mit dem Regis­seur, und nachher geht das Bühnen­bild samt den Kostümen auf Reisen in andere Theater. In diesen – es sind meis­tens mehrere Orte – wird das szeni­sche Geschehen mit ganz anderen Sängern und Diri­genten von einem Regie­as­sis­tenten, selten auch vom ursprüng­li­chen Regis­seur einstu­diert, indem die Inter­preten gezwungen werden, möglichst genau so zu agieren, wie jene der ersten Einstu­die­rung.

Von Oman um die Welt

Die Ende März im Sultanat Oman entste­hende Insze­nie­rung von Lakmé etwa geht anschlie­ßend in Kopro­duk­tion an die Los Angeles Opera, das Teatro dell’­Opera di , die Fonda­zione Arena di , das Teatro Carlo Felice di , das Cairo Opera House, die Astana Opera in Kasach­stan, das National Centre for Performing Arts of Beijing und die Opera Australia und zwar in jeweils anderen Beset­zungen.

Regie – ein krea­tiver Akt

Regie ist ein krea­tiver Akt. Sie hängt von denen ab, die singen und agieren, und deren jewei­liger Persön­lich­keit. Die zweite, dritte und weitere Wieder­ho­lung des origi­nalen Regie­kon­zepts zwingt dazu, das zu tun, was jene der Ko-Insze­nie­rung taten. War der erste Otello klein und dick, muss jener der nach­fol­genden Kopro­duk­tion tunlichst so agieren wie er, auch wenn er groß und schlank ist.

Geld gespart

Das ursprüng­liche Regie­kon­zept wird weiter­ver­kauft, das Bühnen­bild ebenso, und die Gestalter der ersten Insze­nie­rung erhalten Tantiemen – ob sie weiter dabei sind oder nicht. Natür­lich ersparen sich die mitma­chenden Abnehmer durch solche Kopro­duk­tionen das Geld für die Herstel­lung der Bühnen­bilder. Künst­le­risch gesehen, beschränkt sich jedoch die ganze Opera­tion auf reisende Deko­ra­tionen.

Fotos: Servus TV / Hoermandinger