Ioan Holender-Kolumne

Die Oper verkommt zum Konsumgut

von Ioan Holender

30. Oktober 2019

Ioan Holender über konzertante Opernaufführungen

Die Oper ist die szeni­sche Erzäh­lung der Kompo­si­tion. Aber kann man das noch so erleben? Die konzer­tanten Auffüh­rungen von Opern­werken verbreiten sich in den letzten Jahren wie eine Hydra mit immer größeren Armen.

Die Unsitte der simpli­fi­zierten Wieder­gabe

Die Unsitte der simpli­fi­zierten Wieder­gabe dieser Un-Form begann mit der Renais­sance der Barock­opern, die derzeit weit­ge­hend in konzer­tanter Weise aufge­führt werden, obwohl jeder­mann bekannt ist, dass Barock­opern in der Blüte­zeit ihrer Entste­hung von Cesti, Monte­verdi bis Händel immer und überall in pracht­voller Ausstat­tung als Gesamt­kunst­werk für Auge und Ohr aufge­führt wurden. Die mytho­lo­gi­schen Vorlagen von Homer bis Ovid und bis zu den germa­ni­schen Helden­sagen sind heute dem Publikum und auch den szeni­schen Gestal­tern nicht mehr bekannt, und eine szeni­sche Wieder­gabe wird – ob in histo­ri­scher Form oder im Versuch, die Hand­lung heutig zu erzählen – nicht inten­diert.

Schnelles Geld für alle

Nicht nur bei den Salz­burger Fest­spielen greift die künst­le­ri­sche Unsitte um sich, dass man unbe­denk­lich Werke konzer­tant aufführt, in denen ein verkaufs­träch­tiger Mitwir­kender besetzt werden kann. Die drama­tur­gisch program­ma­ti­sche Recht­fer­ti­gung dazu ist die kurze Proben­zeit, die Zweit­ran­gig­keit des „beglei­tenden“ Orches­ters, keinerlei Deko­ra­tion und natür­lich der gute Verkauf zu denselben Bedin­gungen – sprich zu denselben Preisen – wie die teuren szeni­schen und lange geprobten Auffüh­rungen. Also sind alle froh und zufrieden, der Veran­stalter ebenso wie das Publikum, das sich nicht bemühen muss, eine szeni­sche Gestal­tung zu verstehen oder sich damit zu beschäf­tigen und vor allem die zu schnellem Geld gelangten Sänger.

Die Garde­robe der Solisten als bezahlte Moden­schau

Hinzu kommt die Garde­robe der Solisten als bezahlte Moden­schau. Werden sinfo­ni­sche Werke aufge­führt, bei denen Sänger mitwirken, kleiden sich diese zumeist in Abend­kleid und Frack. Bei konzer­tanten Opern­dar­bie­tungen dagegen zeigen die Sänger und vor allem die Solis­tinnen wahr­haft schrille Mode­vor­füh­rungen, für die sie von Mode­schöp­fern auch noch bezahlt und beschenkt werden. Auf diese Weise wird die Oper immer mehr zum Konsumgut.

Fotos: Servus TV / Hoermandinger