Ein Kaffee mit Chick Corea

„Ich blühe durch die Viel­falt der Künste“

von Ralf Dombrowski

9. September 2017

Armando Anthony "Chick" Core ist Pianist und Komponist. Er ist einer der Gründerväter des Jazzrock und sprengt immer wieder die Grenzen zwischen Jazz, Klassik und anderen Musikgenres.

Armando Anthony „Chick“ Corea (*1941 in Chelsea, Massa­chu­setts) ist Pianist und Kompo­nist. Er ist einer der Grün­der­väter des Jazz­rock und sprengt immer wieder die Grenzen zwischen Jazz, Klassik und anderen Musik­genres.

crescendo: Mister Corea, was würden Sie nach Ihrer unglaub­li­chen Karriere immer noch genauso machen?

: Ach, das wäre reine Speku­la­tion! Ich würde tatsäch­lich niemals versu­chen, die Vergan­gen­heit zu wieder­holen! Das echte Aben­teuer besteht darin, sich immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen.

Sie scheinen also ein sehr neugie­riger Mensch zu sein …

Nur dadurch bleibt man am Leben! Ansonsten hören wir auf hinzu­schauen und denken viel zu viel nach. Wie gesagt, die echte Heraus­for­de­rung ist es, immer etwas Neues zu entde­cken. Sonst lang­weilt man sich, und es geht sofort bergab.

Von Ihrer Band Circle aus den 70er-Jahren zu Mozart oder auch umge­kehrt ist es ein langer Weg. Werden Sie nicht manchmal wahn­sinnig vor lauter Kultur­kon­trasten?

Ich blühe durch die Viel­falt der Künste, die Viel­falt in der Inter­pre­ta­tion und des Lebens im Allge­meinen erst richtig auf! Ich liebe es zu musi­zieren und dann zu erleben, wie verschie­dene Ansätze sich unter­schied­lich auswirken. Die perfekte Kunst gibt es nicht! Für mich ist die Qualität des Effekts auf den Hörer das entschei­dende Krite­rium. Ich möchte, dass die Zuhörer etwas Posi­tives und hoffent­lich Erhe­bendes mit nach Hause nehmen.

Viele Musiker lieben Konzerte und hassen das Reisen …

Reisen ist groß­artig! Leute treffen ; schauen, wie es anderswo auf der Welt zugeht; schauen, was ich selbst für mich mitnehmen kann. Flug­häfen und Flug­ge­sell­schaften sind aller­dings nicht so mein Ding. Aber ich glaube, die mag ja keiner.

Was kriegen Sie von den Städten, in denen Sie spielen, denn so mit? Nur die Konzert­säle?

Meis­tens kriege ich weniger mit, als ich gerne würde. Aber manchmal ist noch Zeit für einen Spazier­gang, und manchmal habe ich zwischen den Auftritten auch ein oder zwei Tage frei.

Kann man als einer der bekann­testen Jazz­mu­siker der Welt noch in den Super­markt gehen, ohne von einer Horde Fans verfolgt zu werden?

Ich sehe keinen Grund dafür, inko­gnito zu bleiben. Manchmal erkennen mich die Leute, aber sie nehmen mich immer gut auf. Und mir macht’s Spaß, die Leute zu treffen, die meine Musik mögen. Heute hab ich einen Typen getroffen, der zu mir meinte: „Weißt du, dass du aussiehst wie Carlos Santana?“ Tatsäch­lich ist mir das schon ein paar Mal passiert …

Viel­rei­sende Musiker werden oft zu Zigarren‑, Whiskey- oder Wein­spe­zia­listen – manchmal schon aus purer Lange­weile. Oder sie entwi­ckeln absurde Sammel­lei­den­schaften. Was ist Ihr kleines, geheimes Laster?

Ich habe mein Leben lang geraucht, damit aber vor zehn Jahren aufge­hört. Seit einigen Jahren bin ich Vege­ta­rier. Deshalb führt mich ein guter Teller Pasta mit Käse, feinem Öl und gut gewürzter Soße echt in Versu­chung. Meine Eltern waren beide Italiener der ersten Gene­ra­tion in . Deshalb bin ich mit der Liebe zur italie­ni­schen Küche groß geworden. Meine Mutter Anna war in dieser Hinsicht die Aller­größte! Aber auch heute Abend habe ich wunder­volle Spaghetti arra­biata hier im italie­ni­schen Ferrara gegessen.

Sie haben viel Inspi­ra­tion aus den Büchern von L. Ron Hubbard* gezogen. Was würden Sie ihn fragen, wenn Sie ihn persön­lich träfen?

Ich hatte tatsäch­lich jahre­lang einen ange­regten Brief­wechsel mit LRH. Seine Antworten waren immer warm­herzig und für mich unglaub­lich prak­tisch und hilf­reich. Heute würde ich ihn wahr­schein­lich fragen, wie man mehr Mensch­lich­keit in die Welt bringen könnte. Ich schätze, seine Antwort wäre irgend­eine neue und spon­tane Version seines Buches „Der Weg zum Glück­lich­sein“.

Ich bin Fan von Fantasy und Science-Fiction. Und Sie? ­Lieb­lings­buch?

Tatsäch­lich gehören Science-Fiction und Fantasy auch zu meinen Lieb­lings­genres und L. Ron Hubbard ist da mein Lieb­lings­autor. Ich habe sogar zwei Platten aufge­nommen, die auf Tondich­tungen nach seinen Erzäh­lungen Zu den Sternen und Das letzte Aben­teuer basieren. Ich bin aber auch ein Riesenfan von Robert Hein­lein.

Haben Sie schon mal daran gedacht, mit der Musik aufzu­hören und etwas ganz anderes zu machen? Malen, foto­gra­fieren, kochen?

Haha, aufzu­hören, etwas zu schöpfen, ist der Tod! Es würde mir gefallen, jede der drei Künste, die Sie genannt haben, eine Lebens­zeit lang auszu­üben!

Apropos kochen: Was war das beste Essen, das Sie je gegessen haben?

Oh, es gab einfach viel zu viele „beste “… zum Beispiel die Spaghetti arra­biata von heute Abend!

Wenn eine nächste Voyager-Sonde mit dem kultu­rellen Erbe der Mensch­heit ins All geschickt würde, welches Ihrer Stücke empfehlen Sie dafür?

Aus dem Stand würde ich sagen Some­time Ago/​La Fiesta von dem ersten „Return To Forever“-Album bei ECM Records.

Vor vielen Jahren haben Sie zusammen mit Fried­rich Gulda gespielt. Was ist Ihnen davon in Erin­ne­rung geblieben?

Fried­rich war ein groß­ar­tiger Musiker, fantas­ti­scher Pianist und wich­tiger Mentor für mich, der dann auch zu einem guten Freund wurde. Ihm verdanke ich meine ersten Erfah­rungen mit Mozart: Ich durfte mit dem großen Diri­genten und dem Concert­ge­bouw Orchester spielen. Er war ein wilder Kerl – und sehr witzig!

*Anmer­kung der Redak­tion: Der 1986 verstor­bene US-ameri­ka­ni­sche Science-Fiction- und Selbst­hilfe-Autor L. Ron Hubbard ist Gründer der Sekte „Scien­to­logy“. Sowohl der Reli­gi­ons­cha­rakter als auch die Methoden der Orga­ni­sa­tion sind äußerst umstritten. In wird Scien­to­logy seit 1997 durch den Verfas­sungs­schutz beob­achtet. Chick Corea ist seit vielen Jahren beken­nender Anhänger der Bewe­gung.

Fotos: Thomas Krebs