Ein Kaffee mit Matthias Brandt

„Wenn Musik Substanz hat, dann kommt sie aus der Stille

von Ute Elena Hamm

29. November 2018

Sohn von … ist längst kein Nebensatz mehr, wenn von Matthias Brandt die Rede ist.Längst hat er sich als erfolgreicher Schauspieler emanzipiert.

Sohn von … ist längst kein Neben­satz mehr, wenn von Matthias Brandt (*1961) die Rede ist. Denn längst hat er sich als erfolg­rei­cher Schau­spieler eman­zi­piert. 2016 legte er mit „Raum­pa­trouille“ sehr amüsante Geschichten aus seiner Kind­heit vor. In denen man dann doch dem ehema­ligen Bundes­kanzler begegnet. Jetzt schlüpft er auf der Hörbio­grafie in die Rolle von Robert Schu­mann.

CRESCENDO: Herr Brandt, man weiß, dass Sie sich für Fußball begeis­tern. Sind Sie auch Musik­lieb­haber?

: Ja, unbe­dingt. Musik hat für mich immer eine große Rolle gespielt und tut es noch, beruf­lich und privat. Ich kann mir mein Leben ohne Musik gar nicht vorstellen.

Welche Art von Musik mögen Sie?

Ich höre fast alles: von klas­si­scher Musik bis Ramm­stein, auch Jazz – je nach Lebens­phase. Ich habe mich nie von einer Musik­rich­tung abge­wandt, nur immer neue dazu­ge­wonnen. Womit ich aller­dings nicht mehr umgehen kann, ist, Musik im Hinter­grund zu hören, zum Beispiel im Café. Wenn Musik im Raum ist, ich mich mit ihr aber nicht beschäf­tigen kann, irri­tiert mich das.

2016 erschien Ihr Buch „Raum­pa­trouille“. Dazu gehört das Musik­album „Memory Boy“ von Jens Thomas. Wie kamen Sie auf die Idee, Ihren Text mit Musik zu verbinden?

Wir haben schon vorher Projekte zusammen gemacht, in denen Jens zu dem, was ich lese oder erzähle, einen Sound­track entwi­ckelt. So etwas wollten wir dann auch mit meinen eigenen Texten und seinen selbst geschrie­benen Songs machen. Während er die Musik schrieb und ich am Buch arbei­tete, standen wir perma­nent mitein­ander im Austausch und haben uns gegen­seitig inspi­riert. Wie ein Brief­wechsel. Weil wir uns aber mit unter­schied­li­chen Mitteln ausdrü­cken, ist eben so etwas dabei heraus­ge­kommen.

Kann Musik etwas besser ausdrü­cken als Sprache?

Ich habe immer das Gefühl, dass Musik in Bereiche des Ausdrucks vordringen kann, wo die Sprache nicht hinkommt. Mit der Meinung bin ich nicht allein, das spie­gelt nur ein latentes Unter­le­gen­heits­ge­fühl von Schau­spie­lern Musi­kern gegen­über. Aber das ist gar kein Neid, sondern das ist einfach so.

„Ich mag Sprache sehr, miss­traue ihr aber auch“

Als Schau­spieler und Spre­cher tragen Sie die Texte anderer vor. Wie war es, für Ihr Buch eigene Worte zu finden?

Beides habe ich immer als Gewinn empfunden, weil ich mich sehr intensiv mit Sprache beschäf­tigen konnte. Auch damit, wie etwas klingt, was nicht ganz unwe­sent­lich ist. Ich habe ja erst sehr spät etwas veröf­fent­licht und war erstaunt, dass Schreiben und Spielen viel näher beiein­an­der­liegen, als ich dachte. Es ist einfach ein Erzählen mit anderen Mitteln.

Wie charak­te­ri­sieren Sie Ihre Bezie­hung zur Sprache?

Ich betrachte sie oft mit skep­ti­schem Inter­esse. Ich mag Sprache sehr, miss­traue ihr aber auch. Ich glaube, dass die Ausdrucks­mög­lich­keiten von Sprache oft über­schätzt werden, aber ich bin natür­lich trotzdem immer ange­zogen und faszi­niert davon, die Nuancen auszu­loten.

Was reizt Sie am Spre­chen von Texten?

Im Ideal­fall klingt etwas schon längst Ausfor­mu­liertes so, als
würde es jetzt gerade erst entstehen. Kleist hat das die „Verfer­ti­gung der Gedanken beim Reden“ genannt. Darin unter­scheidet sich aber ein Text nicht von einem notierten Musik­stück. Die inten­sivsten Musik­erleb­nisse sind dieje­nigen, wenn ich das Gefühl habe, die Musik entsteht genau in diesem Moment, auch wenn sie 250 Jahre alt ist.

„Im Tonstudio ist die einzige Wahr­neh­mungs­ebene, die zählt, die Akustik“

Was faszi­niert Sie daran, einen Text „nur“ zu spre­chen, ohne zu schau­spie­lern?

Im Tonstudio ist die einzige Wahr­neh­mungs­ebene, die zählt, die Akustik. Was ich da sonst noch an Verren­kungen mache, hat nichts mit schau­spie­le­ri­schem Ausdruck zu tun, sondern ist nur dafür da, die rich­tige akus­ti­sche Wirkung zu erzeugen. Ich glaube, das sieht mitunter ziem­lich komisch aus. Das ist ein lustiger, aber auch ein freier Vorgang. Es ist wie auf dem Spiel­platz.

Wie haben Sie als Spre­cher Robert Schu­mann erlebt?

Schu­mann kannte ich als Kompo­nisten nicht beson­ders gut. Vor ein paar Jahren spielten die in kurzer Zeit alle seine Sinfo­nien, die habe ich mir ange­hört. Seine Musik habe ich als im besten Sinne unfertig verstanden, als „work in progress“. Da sind Elemente, die sind unaus­ge­goren, die arbeiten gegen­ein­ander. Man merkt, da hat jemand mit sich und in sich gear­beitet.

Wie viel von der Person, die man spricht, ist man selbst?

Es hat immer mit einem persön­lich zu tun. Für eine Rolle, die ich spiele, habe ich ja nur mich und meine Wahr­neh­mung zur Verfü­gung. Man begibt sich mit allem, was man hat, in die Rolle hinein. Ich wüsste keinen anderen Weg, und mir wäre schlei­er­haft, wie man aus der Distanz jemanden verkör­pern soll.

„Mich hat seit jeher das Schweigen inter­es­siert“

Was macht eine schöne Stimme aus?

Ich finde, das hat viel mit Wahr­haf­tig­keit zu tun, die eine Stimme trans­por­tiert – diese Momente, in denen man einfach nur zuhört, und Dinge, die man schon tausendmal gehört hat, so zu hören, als sei das nicht der Fall. Das ist etwas ganz Beson­deres. Ob das jetzt Schön­heit ist, weiß ich nicht, aber warum nicht?

Ist es für Sie eigent­lich auch ein komi­sches Gefühl, die eigene Stimme auf Band zu hören?

Ja, das hört nie auf. Man kann zwar profes­sio­neller damit umgehen, weil man daran gewöhnt ist. Aber dieser groteske Moment, wenn man sich zum erste Mal auf dem Anruf­be­ant­worter gehört hat und denkt, der Apparat ist kaputt, das bin doch nicht ich – das geht nie ganz weg. Alles hört sich immer voll­kommen anders an, als man denkt. Im Film ist das noch extremer, wenn Sie sich dazu noch sehen. Viel­leicht ist das auch ganz gut so. Denn beim Spre­chen ist meine Innen­wahr­neh­mung das Entschei­dende, mein ganzes künst­le­ri­sches Koor­di­na­ten­system bezieht sich darauf. Zu einer zweiten, rein äußer­li­chen Beur­tei­lungs­ebene könnte ich gar keine seeli­sche Verbin­dung herstellen.

Reden ist Silber, und Schweigen ist Gold?

Ich finde, es gibt eine Zeit zum Reden und eine zum Schweigen. Mich hat seit jeher das Schweigen inter­es­siert. Ich suche immer nach Momenten, die man erzählen kann, ohne etwas zu sagen. Auch in der Musik finde ich Stille sehr inter­es­sant, auch darüber nach­zu­denken, ob Stille der Ursprung von Musik über­haupt ist. ­
Ich glaube, wenn Musik Substanz hat, dann kommt sie aus der Stille und sucht auch immer wieder danach.