Konstantin Krimmel

Begna­deter Barde

von Stefan Sell

26. Oktober 2019

Der Bariton Konstantin Krimmel kann allein mit seiner Stimme Geschichten erzählen – und macht damit das Lied zur Oper.

Der Bariton kann allein mit seiner Stimme Geschichten erzählen – und macht damit das Lied zur Oper.

Da kommt eine wirk­lich aufre­gende, frische, neue Stimme auf uns zu. Sie weiß uns wunder­volle Geschichten zu erzählen, völlig unge­trübt, klar und verständ­lich, im Timbre aber ein emotio­nales Spek­trum von betrübt, besorgt, häss­lich hassend bis ängs­ti­gend schreiend, wie auch heiter, froh, liebend, leicht und über­mütig, ja versöh­nend und betö­rend. Der deutsch-rumä­ni­sche Bariton Konstantin Krimmel (Foto oben: © Daniela Reske) singt mit großer Hingabe zum Detail und folgt den Nuancen zwischen Wort und Ton bis in die kleinste Nische. Er ist dabei so reich an leiden­schaft­li­cher Ausdrucks­kraft, dass der 26-Jährige 2019 zum Gewinner und Publi­kums­preis­träger des Deut­schen Musik­wett­be­werbs avan­cierte. Darüber hinaus bekam er beim Inter­na­tio­nalen Gesangs­wett­be­werb „Das Lied“ den zweiten Preis und wurde wieder Publi­kums­preis­träger.

Konstantin Kimmels Debüt­album „Saga“

Das jetzt erschie­nene Debüt­album „Saga“ eröffnet mit Tom der Reimer von . Als hätte er alle Zeit der Welt, singt Krimmel wunder­voll unan­ge­strengt und schwebt heiter durch die Zeilen, in der Stimm­füh­rung auch bei leisen Tönen stets kraft­voll und erdver­bunden. Silbe für Silbe, Wort für Wort zieht er die Zuhörer in seinen Bann. Was war die Inten­tion?

Der Bariton Konstantin Krimmel kann allein mit seiner Stimme Geschichten erzählen – und macht damit das Lied zur Oper.

Konstantin Krimmel: „Unser Anliegen war es, eine Band­breite an Farben in den verschie­denen Verto­nungen und Erzäh­lungen zu zeigen.“
(Foto: Daniela Reske)

„Unser Anliegen war es, unter­schied­liche Kompo­nisten zu mischen, eine Band­breite an Farben in den verschie­denen Verto­nungen und Erzäh­lungen zu zeigen, durch die ein roter Faden fließt. Wir haben viel gesam­melt und geschaut, was könnte dazu passen.“ Balladen sind es, die hier den roten Faden spinnen. Das wird im Booklet sehr schön beschrieben, worin auch die renom­mierte Lied­ex­pertin Susan Youens ihr Wissen einge­bracht hat.
„Wir wollten die ganze Geschichte – die Saga – mit etwas Schönem beginnen, uns mit Tom der Reimer langsam vorar­beiten, um uns dann immer tiefer nach unten zu graben.“ Ein tref­fendes Bild, galt doch das Berg­werk, das Graben in die Welt unter Tage zur Zeit der Romantik als Vorstoß ins Unbe­wusste. Der Span­nungs­bogen ist gelungen. So heiter beschwingt der Reigen beginnt, er mündet mit Odins Meeres­ritt in Tod und Verderben.

Krimmel ist jedem Charakter innig verwoben, gibt jeder Figur ihren eigenen Ton.

Krimmel offen­bart eine große Viel­falt. In Schu­manns Belsazar werden exal­tierter Größen­wahn und dessen fatale Folgen zum Greifen nah. „Wenn sich hier Belsazar völlig irre wie auch selbst­be­wusst gegen Gott stellt, dann darf das auch dementspre­chend kräftig klingen, da muss man einfach zupa­cken und sich nicht hinter großer Lied­technik verste­cken. Für mich heißt das, einfach ein biss­chen weiter­gehen, wenn es häss­lich ist, dann darf man auch häss­lich werden und häss­lich singen. Das hilft der Geschichte, gibt ihr eine gute Basis.“

Konstantin Kimmel gibt jeder Figur ihren eigenen Ton

Genau das ist in Schu­berts Zwerg zu hören, wenn Krimmel ganz in dessen Haut geschlüpft selbst zum versto­ßenen Wesen wird, weil seine Geliebte, die Königin, ihn verlassen hat. In Jensens Wald­ge­spräch wächst und wächst seine Stimme und kulmi­niert im Schrei. In Loewes Erlkönig ist er auf allen vier Ebenen präsent. Man spürt die inten­sive Ausein­an­der­set­zung mit der Rolle des Beob­ach­ters, den angst­vollen Hilfe­rufen des Kindes, den nichts ahnenden Beru­hi­gungen des Vaters bis hin zum trüge­risch verklärten wie verfüh­re­ri­schen Ton des Erlkö­nigs. Krimmel ist jedem Charakter innig verwoben, gibt jeder Figur ihren eigenen Ton. Dabei klingt seine Stimme unglaub­lich gereift, was erstaunt, wenn man weiß, wie jung er noch ist. 

Alle Facetten einer Oper in fantas­ti­sche Musik gepackt

Ziehen ihn seine schau­spie­le­ri­schen Fähig­keiten letzt­end­lich zur Oper? „Für mich haben alle drei Sparten, Lied, Konzert und Oper, einen sehr hohen Stel­len­wert. Dennoch bedeutet mir persön­lich das Lied am meisten, denn Belsazar und Erlkönig sind eigent­lich kleine Opern für sich, eine Oper erzählt in fünf bis sechs Minuten, da ist alles drin, was eine Oper hat. Da ist die Liebe, das Leid, der Tod, alle Facetten einer Oper finden sich hier in fantas­ti­sche Musik gepackt. Meine Pianistin und ich, wir können hier gestalten und so erzählen, wie wir uns das vorstellen. Genau das finde ich eine fantas­ti­sche Sache.“

Der Bariton Konstantin Krimmel und seine kongeniale Partnerin Doriana Tchakarova am Klavier

Der Bariton Konstantin Krimmel und seine konge­niale Part­nerin Doriana Tcha­ka­rova am Klavier
(Foto: Daniela Reske)

Die konge­niale Part­nerin an seiner Seite ist Doriana Tcha­ka­rova – sie haben sich gesucht und gefunden, in Ausdruck, Detail­stärke und Raffi­nesse. Wie pass­genau ihrer beider Kunst inein­an­der­greift, das macht ihr Spiel derzeit zu den aufre­gendsten und span­nendsten Events der Lied­kunst. Das heißt nichts anderes, als sich einfach hinzu­geben und zuzu­hören.

Weitere Infor­ma­tionen und Auftritte: www​.konstan​tin​krimmel​.de

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