Orlando paladino bei den Münchner Opernfestspielen

Liebe, Raserei und Popcorn-Maschine

von Maria Goeth

8. August 2018

Was für ein Gute-Laune-Fest! Axel Ranischs Insze­nie­rung von Haydns Oper „Orlando pala­dino“ im Rahmen der Münchner Opern­fest­spiele macht vor allem eines: jede Menge Spaß!

Zu Haydns Zeiten noch ein Kassen­schlager, wird Haydns „hero­isch-komi­sche“ Oper „Orlando pala­dino“ heute selten gespielt – zu Unrecht! Zuge­geben, die Hand­lung rund um den rasenden Ritter Roland – Ariosts Renais­sance-Best­seller war und ist eine allseits beliebte Fund­grube für Opern­stoffe von Vivaldi über Händel bis heute – gestaltet sich etwas verz­wir­belt: Da gibt es das Liebes­paar Ange­lica und Medoro, die vor dem rasenden Ritter Roland auf der Flucht sind, der eben­falls in Ange­lica verliebt ist. Hilfe bekommt das Paar sowohl von Barba­ren­könig Rodo­monte als auch von Zauberin Alcina. Als humo­ris­ti­schen Gegen­part zu den drama­tisch Liebenden finden Schä­ferin Eurilla und Rolands Schild­knappe Pasquale zuein­ander… und das alle in einem kunter­bunten Reigen aus emoti­ons­starken, fantas­ti­schen, span­nungs­ge­la­denen und brül­lend komi­schen Einzel­szenen.

Tempo und Energie wie in der italie­ni­schen Commedia dell’
Film­re­gis­seur und Operneu­ling findet eine über­zeu­gende Lösung für den Umgang mit diesem hand­lungs­sprung­rei­chen „Szenen­salat“: Er siedelt die Geschichte in einem Programm­kino an, indem einer­seits immer wieder Szenen aus dem „sehr guten Film“ „Medoro & Ange­lica“ – inklu­sive Director’s Cut“ – gezeigt werden und in dem ander­seits das Kino-Personal selbst zu Akteuren wird. Eurilla schuftet dort als Raum­pfle­gerin, ihr Vater Licone als Haus­meister, und dann wären da noch die von Ranisch hinzu­er­fun­denen, omni­prä­senten stummen Rollen eines dick­li­chen Film­vor­füh­rers (Heiko Pinkowski) und seiner Frau (Gabi Herz), die Kult­status-Poten­zial (manche mögen sich des Kult-Statisten Patric Seibert entsinnen, der in Castorfs Bayreu­ther „Ring“-Inszenierung über Jahre manch einem Sänger-Promi den Rang ablief).

Im Laufe der Oper wird das Kino in Schutt und Asche gelegt – inklu­sive lust­voll explo­die­render Popcorn-Maschine

Alle Figuren haben Geschwin­dig­keit und Energie wie in der italie­ni­schen Commedia dell’arte, und im Laufe der Oper wird das Kino denn auch in Schutt und Asche gelegt – inklu­sive lust­voll explo­die­render Popcorn-Maschine. Doch am Ende finden alle Töpf­chen ihre Deckel­chen – inklu­sive schwulen Coming Outs des Film­vor­füh­rers. Man fühlt sich an die tempo­rei­chen und poppigen Barock­oper-Insze­nie­rungen von David Alden an der Baye­ri­schen Staats­oper erin­nert, die die Inten­danz­zeit von Sir Peter Jonas entschei­dend prägten.

Para­die­si­sche Gesangs­leis­tungen
Die Ensem­ble­leis­tung ist durchweg atem­be­rau­bend: Da ist etwa Eurilla Elena Sancho Pereg mit ihrem zum Nieder­knien butter­wei­chen und vor Leben sprü­hend Sopran, Tenor Dovlet Nurgel­diyev als Medoro mit einer Stimme wie zart­schmel­zende Voll­milch­scho­ko­lade oder Don Pasquale David Portillo, der Dank Haydn in der wahn­win­zigen Arie „Ecco spiano. Ecco il mio trillo“als vermeint­li­cher fran­zö­si­scher Gesangs­meister ein begeis­terndes Spek­trum an Gesangs-Raffi­nessen präsen­tieren darf und dafür frene­tisch vom Publikum gefeiert wird.

Am Pult führt ein agiles und spiel­freu­diges Münchner Kammer­or­chester. Es ist die zweite Koope­ra­tion zwischen diesem Ensemble und der Baye­ri­schen Staats­oper, dessen eigenes Orchester in der Fest­spiel­zeit nicht alle Vorstel­lungen bestreiten kann.

Fotos: Wilfried Hoesl