Marc-André Hamelin

Leiden­schaft­li­ches Plädoyer

von Sina Kleinedler

12. Mai 2020

Marc-André Hamelin widmet sich den Klaviersonaten des jüdisch-russischen Komponisten Samuil Feinberg.

„In seiner Musik liegt immer das ange­strengte Bestreben, das makro­kos­mi­sche Heulen des Nacht­windes, der bald klagend, bald stür­misch braust, zu enträt­seln.“ Das schrieb der Kompo­nist Anatoli Alex­an­drow über seinen lang­jäh­rigen Freund Samuil Fein­berg. Fein­berg (1890–1962) war ein bedeu­tender Pianist und Klavier­päd­agoge der russisch-jüdi­schen Schule und zeit­le­bens vor allem als Inter­pret aner­kannt (er spielte u.a. die erste russi­sche Gesamt­auf­füh­rung des Wohl­tem­pe­rierten Klaviers).

Seinem kompo­si­to­ri­schen Schaffen widmet sich Ausnah­me­pia­nist mit einer Einspie­lung der ersten sechs der insge­samt 12 Feinberg’schen Klavier­so­naten. Und tatsäch­lich geht es in dieser Musik stür­misch zu, hier scheint der infla­tionär verwen­dete Begriff „ernste Musik“ wirk­lich einmal zu passen. Dennoch sind die Stücke fanta­sie­voll und hoch­ex­pressiv. Der Musik­kri­tiker Carl Engel schrieb 1924, Fein­berg sei „viel­leicht ein Genie“. Hame­lins hoch­vir­tuose und fein durch­dachte Aufnahme ist ein leiden­schaft­li­ches Plädoyer dafür.