Unser Kolumnist Moritz Eggert hat in der Mozart-Forschung einen blinden Fleck der prüden Musikwissenschaft aufgespürt…
Neulich sang ich bei einer Aufführung von Mozart wunderbarem Kanon „Difficile lectu mihi mars et jonicu difficile“ mit. Ein kleineres Gelegenheitswerk des Meisters, K 559, nicht ganz so bekannt wie der ähnlich intendierte Kanon „Bona Nox, bist ein alter Ochs“.
Man muss kein Lateinexperte sein, um festzustellen, dass es sich hier um eine Art Küchenlatein handelt, das keinen wirklichen Sinn ergibt. Ähnlich wie „Sit a us vi late in, iste sabernet“ oder „Dicurante bis syphilum“. Der Sinn ergibt sich erst, wenn der Text mit einem gewissen Dialekt (nämlich dem Bayerischen) gesungen wird. Der Legende nach schrieb Mozart den Kanon für den stark bayerisch sprechenden Sänger Johann Nepomuk Peyerl, um ihn bei der Uraufführung zu verspotten.
Die Assoziation an Götz von Berlichingen wir klar
Die Musikwissenschaft spricht, man höre und staune, von zwei verborgenen Sauereien Mozarts. Die erste ist ziemlich offensichtlich, selbst ein Sachse würde beim Aussprechen der Folge „Lectu mihi Mars“ sofort Assoziationen an Götz von Berlichingen wachrufen. Die zweite Sauerei ist etwas für Romanisten: das Wort „jonicu“ wird im Kanon so oft wiederholt, dass man irgendwann stattdessen „cujoni“ hört (ein interessantes Beispiel einer „akustischen Täuschung“ übrigens), und das heißt auf Italienisch schlicht und einfach „Eier“, „Nüsse“ oder „Hoden“. Wer Spanier reden hört, wird auch oft den verwandten Ausdruck „cojones“ heraushören, zusammen mit „corazon“ das meistverwendete Wort im Spanischen.
Soweit, so Wikipedia. Aber es bleibt dennoch eine Frage übrig. Warum eigentlich nur ZWEI Sauereien? Warum werden in allen Wikipedia-Artikeln und musikwissenschaftlichen Abhandlungen immer nur diese beiden Sauereien erklärt, und zwar meistens so behäbig und bieder, dass man auf keinen Fall darüber lachen darf?
„Die Musikwissenschaft rätselte jahrhundertelang über eine mysteriöse Zahlenfolge… Es waren die Lottozahlen, die Mozart gerade getippt hatte.“
Was mir an Mozart immer so gefällt, ist seine Weltverbundenheit. Bei all der überlieferten Exzentrik und den Eigenheiten, die angeblich aus seiner schwierigen Kindheit oder einem versteckten Tourette-Syndrom resultierten, je nachdem, welcher Quelle man Glauben schenkt: Mozart stand auf jedem Fall mitten im Leben. Er war ein leidenschaftlicher Spieler und komponierte tatsächlich parallel zu Billardpartien. Eine besondere Lieblingsgeschichte von mir ist in dem Buch „Mozart der Spieler“ verzeichnet: So rätselte die Musikwissenschaft jahrhundertelang über eine mysteriöse Zahlenfolge auf einem Mozart-Autograph. Waren es geheime Berechnungen? Frühe 12-Tonreihen? Freimaurer-Codes? Nein, es waren die Lottozahlen, die Mozart gerade getippt hatte.
Mozart komponierte beim Billiard-Spielen
Wenn man sich Mozart also als Menschen vergegenwärtigt, so hätte er durchaus Spaß an Mozartkugeln gehabt, weniger Spaß aber an Götzenverehrungen, Heiligsprechungen, unkritischen Genieverehrungen, kitschigen Büsten und Behauptungen, er sei psychisch krank gewesen. War er nämlich nicht, er war einfach ein normaler Mensch mit Spaß an Vulgarität, Exzess und derben Scherzen. Und das war der Musikwissenschaft schon immer besonders unheimlich.
Warum sollte also ein Mozart so gemäßigt gewesen sein, und in diesem Kanon nur zwei Scherze gemacht haben? Es ist bekannt, dass der Mann keine halben Sachen machte, weder in der Kunst noch in seinem Leben, also warum so bescheiden, ausgerechnet hier?
Der Kanon ist noch viel derber als bisher vermutet!
Beim Singen wurde es mir plötzlich klar. Das Geheimnis liegt natürlich im ersten Wort. Selbst Aufführungen in authentischem Wiener Dialekt (so zum Beispiel hier) nehmen das erste Wort des Kanons immer sehr brav neu-italienisch, also „di-fi-tschi-le“. Nun wird aber im Lateinischen – alter Streit, den man als humanistisches-Gymnasium-Geschädigter sicher kennt – das „c“ entweder als „c“ oder als „k“ ausgesprochen. Und letzteres erscheint mir hier wesentlich wahrscheinlicher, gerade wenn es sich bei dem Sänger um einen Bayern handelte.
Und plötzlich ergibt der Text einen wunderbaren Sinn, noch wesentlich derber als bisher offiziell von der hohen Warte der Musikwissenschaft verlautbart. Warum aber wird dies in allen Artikeln über diesen Kanon verschwiegen? Ist es Prüderie? Ist man „g’schamt“, wie der Bayer sagt? Mozart auf jeden Fall schämte sich nicht, NIE, NIEMALS!, und platzierte diesen Kanon frech in einer Sammlung religiöser Werke, auch dies ein sehr sympathischer Zug , wie ich finde.
Ich präsentiere also hier die erste offizielle Neudeutung dieses Mozartschen Werkes. Zuerst auf Bayerisch:
Di Fick I! Le-Leck Du mi im Oarsch (und) Eiern, Di Fick I (le)!
Und ins Hochdeutsche übersetzt:
Ich fick dich! Leck mich am Arsch und an den Eiern! Ich fick dich!
Da habt ihr ihn, euren Mozart, liebe Bildungsbürger.