Simon Neal (Nekrotzar; links vom Leichenwagen) und Statisterie der Oper Frankfurt in "Le Grand Macabre", Oper Frankfurt 2023

News | 05.11.2023

„Le Grand Macabre“ in Frank­furt: Orgien der Apoka­lypse

von Redaktion Nachrichten

5. November 2023

Die Frankfurter Erstaufführung von György Ligetis Weltuntergangsoper "Le Grand Macabre" in der überarbeiteten englischen Version von 1996 wurde am Sonntagabend mit lebhaftem Beifall begrüßt. Regie führte Vasily Barkhatov, Generalmusikdirektor war Thomas Guggeis. Die Aufführung zeichnete sich durch hohes musikalisches Niveau und beeindruckende Kostüme aus.

Frank­furt am Main: Mit lebhaftem Beifall begrüßte das nahezu ausver­kaufte Haus am Sonn­tag­abend die Frank­furter Erst­auf­füh­rung von György Ligetis Welt­un­ter­gangs­oper „Le Grand Macabre“ in der über­ar­bei­teten engli­schen Version von 1996. Aus der schlüs­sigen Sicht von Regis­seur Vasily Bark­hatov wird die Haupt­figur Nekrozar nicht zur allmäch­tigen Inkar­na­tion des Todes, sondern zum unschein­baren Leichen­wa­gen­fahrer und gesell­schaft­li­chen Underdog, von dessen lang­jäh­riger Unter­gangs­pro­phetie niemand beein­druckt ist. Erst als Fernseh-Meldungen aus der ganzen Welt den Einschlag eines Kometen ankün­digen, sind die Menschen teil­weise bereit, ihm zuzu­hören.

"Le Grand Macabre"

„Le Grand Macabre“

Für das erste Bild wuchtet Bühnen­bildner Zinovy Margolin einen gewal­tigen Auto­bahn­zu­bringer mit vielen Autos, einer Poli­zei­streife, Taxis und einem großen Camping­wagen auf die Bühne, in denen durch­schnitt­liche Menschen mit der drohenden Welt­zer­stö­rung umzu­gehen versu­chen. Im zweiten Teil gibt sich die mit Koks und Alkohol aufge­putschte Upper­class im stil­echt errich­teten „Luxus Royal Palace Night­club“ der finalen Orgie hin. Olga Shaish­me­lash­vilis Kostüme befeuern den Tanz auf dem Vulkan mit einem wahren Ausstat­tungs­rausch. Ob Pharao mit schwarzen Flügeln, Napo­leon, Dschingis Khan oder Kleo­patra: Bis zum Schluss entdeckt man immer neue Roben des versnobten Party­volks.

Gesungen und musi­ziert wird auf aller­höchstem Niveau: Am Pult surft der neue Gene­ral­mu­sik­di­rektor Thomas Guggeis mit seinen Musi­kern stil­si­cher durch 500 Jahre Opern­ge­schichte und beweist dabei von der eröff­nenden „Toccata für zwölf Auto­hupen“ bis zur abschlie­ßenden Passa­ca­glia trotz des stän­digen Wech­sels zwischen extremen Pres­tis­simi und ener­vie­render Lang­sam­keit Nerven wie Draht­seile. Zu Recht holt er am Ende das komplette, immer wieder bis an die Grenzen der Über­for­de­rung getrie­bene Orchester zum Schluss­ap­plaus auf die Bühne. Die aufre­gendsten Sänge­rinnen stammen aus dem Ensemble: Sopra­nistin Anna Nekhames in der rasanten Doppel­rolle als Venus und Chef der Gepopo sprengt alle Grenzen, ebenso Eliza­beth Reiter als Amanda und die wand­lungs­fä­hige Karo­lina Makula in der Rolle Amandos. Über­ra­gend auch die Gäste Eric Jurenas (Fürst Go-Go), die wollüs­tige Mesca­lina von Claire Barnett-Jones und der von Einsam­keit umwehte Simon Neal als Nekrotzar. Alle geben am Premie­ren­abend ihr überaus beein­dru­ckendes Rollen­debüt.

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Fotos: Barbara Aumüller