Iain MacNeil (Odysseus), Yves Saelens (Demodokos), Andreas Bauer Kanabas (Alkinoos) und Sarah Aristidou (Nausikaa) in "Ulisse", Oper Frankfurt 2022

News | 26.06.2022

Oper Frank­furt gelingt mit „Ulisse“ große Ausgra­bung

von Redaktion Nachrichten

26. Juni 2022

Regisseurin Tatjana Gürbaca inszenierte an der Oper Frankfurt mit Ironie und Phantasie erfolgreich Luigi Dallapiccolas Oper "Ulisse". Das Bühnenbild und der Chor tragen maßgeblich zur erzählerischen Umsetzung des europäischen Urmythos bei. Iain MacNeil überzeugt in seiner vielfältigen Rolle als Odysseus.

Regis­seurin Tatjana Gürbaca verwan­delte ihr Debüt an der Oper Frank­furt am Sonn­tag­abend in einen szeni­schen Triumph. Ihr gelang mit feinster Ironie und über­bor­dender Phan­tasie das Unmög­liche: Aus Luigi Dalla­pic­colas Oper „Ulisse“, die seit ihrer Berliner Urauf­füh­rung von 1968 als unspielbar galt, eine über­zeu­gende Erzäh­lung der perma­nenten inneren Verwand­lung zu machen. Im Verein mit Bühnen­bildner Klaus Grün­berg zeigte sie die Irrfahrten und die Heim­kehr des Odys­seus ausge­hend von einer Ausgra­bungs­stätte, in der einer der touris­ti­schen Besu­cher zum Prot­ago­nisten Odys­seus bestimmt wird. Nach und nach legen Gürbaca, Grün­berg und die tempe­ra­ment­volle Kostüm­bild­nerin Silke Will­rett so alle Schichten und Geschichten des euro­päi­schen Urmy­thos frei.

"Ulisse"

„Ulisse“

Beson­dere Aufmerk­sam­keit hatte die Regis­seurin dem bis in die kleinste Neben­figur choreo­gra­fisch über­zeu­gend agie­renden Chor der Oper Frank­furt geschenkt. Ob als Odys­seus« rudernde Gefährten, amüsier­wil­liger Hofstaat des Alki­noos oder als sich in Zeit­lupe herein­wäl­zender, aus Toten bestehender Styx – Gürbaca machte den Chor nicht nur zum Haupt­träger der Hand­lung, sondern auch zum leben­digen Teil des sich ständig wandelnden Bühnen­bildes und damit zu Odys­seus« stän­digem Gegen­über.

Auch Ensem­ble­mit­glied Iain MacNeil über­zeugte in seiner viel­fäl­tigen Odys­seus-Rolle der perma­nenten Selbst­fin­dung. Dass die Oper Frank­furt zudem die meisten anderen der vielen Solo­par­tien aus dem Ensemble besetzen konnte – Odys­seus« Mutter singt keine Gerin­gere als Claudia Mahnke – spricht für die hohe Qualität des Hauses. Fran­cesco Lanzil­lotta im Orches­ter­graben erzeugte aus den vielen hypno­ti­schen Zwölf­ton­reihen ein raffi­niertes Meeres­wogen und ließ die feinen Veräs­te­lungen von Dalla­pic­colas allum­span­nender Schicht der Selbst­zi­tate lyrisch schim­mern.

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Fotos: Barbara Aumüller