Don Carlo beim Immling Festival

Oper im Para­dies, spani­scher Infant und unge­zo­gene Lamas

von Maria Goeth

9. Juli 2018

Unsere Autorin hat sich ins idyllische ländliche Nirgendwo hinter dem Chiemsee gewagt, um beim Immling Festival Verdis „Don Carlo“ zu sehen.

Unsere Autorin hat sich ins idyl­li­sche länd­liche Nirgendwo hinter dem Chiemsee gewagt, um beim Immling Festival Verdis „Don Carlo“ zu sehen.

Besucht man das im baye­ri­schen nahe des Chiem­sees, beginnt das Erlebnis bereits bei der Anfahrt: Shut­tle­busse bringen die Gäste vom Park­platz im Ort über eine winzige Wald­straße aben­teu­er­lich ins vermeint­liche Nirgendwo. Doch gerade, als man den Anschluss an jegliche Zivi­li­sa­tion verloren wähnt, schlän­gelt sich das Weglein auf eine Anhöhe, die einen herr­liche Blick über die umlie­gende Natur und ein weit­läu­figes Areal mit Festi­val­haus im Bauernhof-Charakter, „Après-Opéra“-Sternenzelt und male­ri­schen Frei­flä­chen zum stil­vollen Genuss eines Aperi­tivs – inklu­sive sünd­haft leckerer Kuchen – frei­gibt.

Vor dem Eingang grüßen Lamas und Auer­ochsen
Auf dem Weg zum Festi­val­haus passiert man den Strei­chelzoo des Tier­schutz­hofes Immling und kann stau­nend manch gut geklei­deten Opern­be­su­cher beim Strei­cheln von Schafen, Ziegen und Co. begut­achten. Die Auer­ochsen erweisen sich als respekt­ein­flö­ßend, und die Lamas spucken tatsäch­lich – wie manch ein mit nach halb verdautem Heu müffelnden grünen Flecken bespren­kelter Gast leid­voll erfahren muss. Bei schönem Wetter mag man sich dennoch kaum von der verfüh­re­ri­schen Außen­ku­lisse – bei der Première inklu­sive Alphorn­bläser – trennen.

Festspielhaus Immling

Beim Immling Festival zählt das Gesamt­erlebnis

Drinnen wartet ein erstaun­lich gut klima­ti­sierter Saal mit einem soliden Opern­erlebnis. Natur­gemäß sind bei derlei Festi­vals Sänger­ensemble wie Orchester ein recht bunt zusam­men­ge­wür­felter Haufen verschie­denster Nationen, der diversen Budget-Zwängen unter­liegt. Doch Inten­dant scheint, ohne Despo­tismus, bereits im 22. Jahr das Beste aus der Lage heraus­zu­kit­zeln und ein gutes Händ­chen für Künstler und Spon­soren zu haben.

Bei gutem Wetter mag man sich kaum von der verfüh­re­ri­schen Außen­ku­lisse trennen.

Solide Ensemble-Leis­tung
Für Immling wurde die italie­ni­sche Fassung von Verdis Meis­ter­werk „Don Carlo“ – deshalb auch ohne Schluss-„s“ – gewählt, mit Teilen der fran­zö­si­schen Fassung am Schluss, um dem Chor noch etwas mehr Gewicht zu geben, der orts­an­säs­sigen Sängern ein Podium gibt. Über 70 Frau und Mann stark bietet dieser denn auch eine respek­table Folie, vor der die private und öffent­liche Tragödie zwischen Staats­räson und mensch­li­cher Vernunft ihren Lauf nimmt.

Die Solisten liefern eine solide Gesangs­leis­tung. Hervor­zu­heben ist als Prin­zessin Eboli mit ihrem kernig-volu­mi­nösen Mezzo­so­pran und ihrer über­zeu­genden Charak­ter­dar­stel­lung. Leider hapert es insbe­son­dere bei den beiden Prot­ago­nisten – Hector Lopez als Don Carlo und Anna Patrys als Elisa­betta – am Schau­spiel: Trotz hübscher Stimmen mag man den beiden ihre Leiden­schaften leider nicht glauben, wirken sie teils immobil, teils ohne Feuer, was auch nicht mit dem kurz­fris­tigen Einspringen Lopez« für den erkrankten Efe Kislali und der insge­samt etwas stati­schen Perso­nen­füh­rung von Regis­seur Stefano Simone Pintor entschul­digt werden kann.

Ein klarer, schlichter, aber durch­dachter Bühnen­raum (Stefano Simone Pintor und Walter Ulrich) mit hübschen, domi­nie­rend insze­nierten Licht­ma­le­reien (Maxi­mi­lian Ulrich) schafft den Darstel­lern eine würdige Kulisse. Für die erkrankte , die das Festival zusammen mit Ludwig Baumann leitet, über­nahm Lorenzo Cola­donato das Dirigat und hatte sein Ensemble gut und fest im Griff.

Fotos: Vladimir Klejch