Oper Graz

„Eine einma­lige Leis­tung vom Beer“

von Ruth Renée Reif

1. Mai 2020

Die Oper Graz zeigt ab 2. Mai 2020 die Operette „Polnische Hochzeit“ von Joseph Beer in einem Online-Stream auf ihrer Website. Die Inszenierung war der große Operettenerfolg 2018/2019 am Haus.

Die Oper zeigt ab 2. Mai 2020 die Operette Polni­sche Hoch­zeit von Joseph Beer in einem Online-Stream auf ihrer Website. Die Insze­nie­rung war der große Operet­ten­er­folg der Saison 2018/2019 am Haus. Von wurde sie mit dem „Operet­ten­frosch Dezember 2018“ ausge­zeichnet. Sebas­tian Ritschel brachte mit Witz und Ironie eine schrille, bunte Operet­ten­welt auf die Bühne.

Die Operette Polni­sche Hoch­zeit von Joseph Beer ist eine Wieder­ent­de­ckung. „Es ist nicht die klas­si­sche Wiener Operette, es ist aber auch nicht so eine pure Jazz-Operette, sondern es ist dazwi­schen. Das heißt, wir haben diese klas­si­schen Melo­dien wie Herz an Herz. Wir haben aber auch wilde Broadway-Nummern, wenn wir an die Katzen­augen denken“, erläu­terte der Regis­seur Sebas­tian Ritschel gegen­über dem ORF.

Viele Dinge auf engstem Raum

Enthält wilde Broadway-Nummern: die Operette "Polnische Hochzeit" von Joseph Beer
Wilde Broadway-Nummern in Joseph Beers Operette Polni­sche Hoch­zeit
(Szenen­foto und Szenen­foto oben: © Werner Kmetitsch)

„Das ist wirk­lich in dieser Konse­quenz einzig­artig. So viele Dinge auf engstem Raum zu haben, ohne dass es zusam­men­ge­stü­ckelt wirkt. Das ist schon eine einma­lige Leis­tung gewesen vom Beer“, bekräf­tigte der Diri­gent Marius Burkert.

Der Regisseur Sebastian Ritschel inszenierte die Operette "Polnische Hochzeit" von Joseph Beer in einer schrillen Operettenwelt.
Brachte eine schrille Operet­ten­welt auf die Grazer Bühne: Regis­seur Sebas­tian Ritschel
(Foto: © Pawel Sosnowski/80studio.net)

Die Hand­lung ist einfach. Der junge polni­sche Frei­heits­kämpfer Graf Boleslav kehrt nach Jahren der Abwe­sen­heit in seine polni­sche Heimat zurück. Er möchte die Güter seines Vaters über­nehmen und seine große Liebe aus Kind­heits­tagen Jadja heiraten.

Verklei­dung und Verwechs­lung

Marius Burkert dirigiert die Operette "Polnische Hochzeit" von Joseph Beer
Einzig­artig ist für den Diri­genten Marius Burkert die Operette Polni­sche Hoch­zeit von Joseph Beer

Als Diener verkleidet, kommt er auf das Schloss seines Onkels Graf Staschek Zagorsky, der die Güter verwaltet. Graf Staschek, der bereits fünfmal verhei­ratet war, plant gerade seine sechste Hoch­zeit mit Jadja. Damit ist der Knoten der Hand­lung geknüpft. Mit bombas­ti­scher Musik, Tumult, Verklei­dung und Verwechs­lung erfolgt über drei turbu­lente Akte hinweg die Auflö­sung, bis die Liebenden am Ende vereint sind.

Operet­ten­kom­po­nist Joseph Beer

Der junge polni­sche Frei­heits­kämpfer Graf Boleslav kehrt nach Jahren zu seiner Liebe aus Kind­heits­tagen Jadja zurück.
(Szenen­foto: © Werner Kmetitsch)

Joseph Beer, der 1908 zur Zeit der Öster­rei­chisch-Unga­ri­schen Monar­chie in Gódek zur Welt kam, war nach seinem Studium zunächst in als Diri­gent tätig. Nachdem es ihm jedoch geglückt war, dem Libret­tisten Fritz Löhner-Beda einige seiner Kompo­si­tionen vorzu­stellen, unter­stützte ihn dieser mit seinen Kontakten.

Tanzende Bauern in der Inszenierung von Sebastian Ritschel
Wie Puppen sollte das Bauern­volk darge­stellt werden, erläu­tert der Regis­seur Sebas­tian Ritschel.
(Szenen­foto: © Werner Kmetitsch)

Löhner-Beda, der u.a. für schrieb, war überaus gefragt. 1930 lud ihn sein damals erfolg­reichster Kollege Alfred Grün­wald zur Zusam­men­ar­beit ein. Grün­wald schrieb u.a. für . Das Libretto für Joseph Beers zweite Operette Polni­sche Hoch­zeit verfassten Grün­wald und Löhner-Beda gemeinsam.

Nach der Urauf­füh­rung kamen die Natio­nal­so­zia­listen

Szenenfoto mit Suza und Onkel Staschek aus Sebastian Ritschels Inszenierung der Operette "Polnische Hochzeit" von Joseph Beer
Miss­hand­lung in der Hoch­zeits­nacht: Wild­katze Suza erteilt Onkel Staschek eine Lektion.
(Szenen­foto: © Werner Kmetitsch)

Die Urauf­füh­rung erfolgte 1937 an der Züri­cher Oper. Der Erfolg war durch­schla­gend. Eine öster­rei­chi­sche Erst­auf­füh­rung mit Richard Tauber in der Rolle von Boheslav wurde 1938 von den Natio­nal­so­zia­listen jedoch verhin­dert. Am 12. März 1938 waren die Deut­schen Truppen in Öster­reich einmar­schiert. Beer musste fliehen, weil er Jude war.

Der Librettist Alfred Grünbaum
Erfolg­rei­cher Libret­tist und verfolgt von den Natio­nal­so­zia­listen: Alfred Grün­wald

Alfred Grün­wald wurde 1938 verhaftet, weil er Jude war. ihm gelang es jedoch, eine vorüber­ge­hende Frei­las­sung zur Flucht nach Paris zu nutzen, von wo er über Casa­blanca und in die floh.

Tragi­sche Verken­nung

Löhner-Beda dagegen kam um. Wie seine Biografen Barbara Denscher und Helmut Peschina schreiben, verkannte er in tragi­scher Weise den Ernst der Situa­tion. Wie unvor­sichtig er sich verhielt, belegen die Erin­ne­rungen des Kompo­nisten und Libret­tisten Hugo Wiener: „So hatte er täglich, beim Betreten des Café Hein­richshof, dem Ober zuge­rufen; ‚Bringen Sie mir den Völki­schen Beob­achter! Ich möchte sehen, was der Tape­zierer macht!‘ Er bedachte nicht, dass der Ober oder einer der Gäste ein Nazi sein konnte.“

Der Librettist Fritz Löhner-Beda
Opfer der Natio­nal­so­zia­listen: der Libret­tist Fritz Löhner-Beda
(Foto: © ÖNB-Bildarchiv_picturedesk.com_Karl Winkler)

Wenige Tage nach dem Einmarsch der Deut­schen Truppen in Öster­reich wurde er verhaftet. Am Abend des 31. März brachte man ihn ins Wiener Poli­zei­ge­fan­ge­nen­haus. Viktor Matejka, der sich eben­falls unter den Gefan­genen befand, erin­nert sich an die Zuver­sicht Löhner-Bedas, dass Franz Lehárs Bezie­hungen zu seiner Befreiung beitragen würden.

In Ausch­witz ermordet

Löhner-Beda wurde nach Dachau gebracht und im Herbst 1938 nach Buchen­wald. Am 17. Oktober 1942 schaffte man ihn nach Ausch­witz, wo er für den Chemie­kon­zern I.G. Farben Schwerst­ar­beit verrichten musste und wegen angeb­lich unge­nü­gender Leis­tung erschlagen wurde.

Der Komponist Joseph Beer
Die Natio­nal­so­zia­listen ermor­deten seine ganze Familie: der Kompo­nist Joseph Beer

Joseph Beer gelang es, Zuflucht in Paris zu finden. Als die Deut­schen Truppen in Paris einmar­schierten, floh er nach Nizza. Er blieb bis zum Ende des Krieges da und kompo­nierte sein drittes Musik­thea­ter­stück Stra­della in . Seine Eltern und seine Schwester, die in Lemberg geblieben waren, wurden im KZ Ausch­witz ermordet.

Verwei­ge­rung der Auffüh­rungs­rechte

Tief getroffen vom Tod seiner Familie und vieler Freunde, verwei­gerte Beer nach dem Krieg die Auffüh­rungs­rechte an seinen frühen Werken. So kam die Operette Polni­sche Hoch­zeit erst 2012 beim Wiener Operet­ten­sommer zur öster­rei­chi­schen Erst­auf­füh­rung, als Beers Töchter Suzanne und Béatrice ihre Zustim­mung erteilten. Zur Première an der Oper Graz reiste Suzanne sogar an.

Martin Miotk schuf das Bühnen­bild, und Andy Besuch entwarf die Kostüme.
(Szenen­foto: © Werner Kmetitsch)

Für die Auffüh­rung in Graz schuf Martin Miotk das Bühnen­bild. Andy Besuch entwarf die Kostüme. Als Jadja und Boleslav stehen die Sopra­nistin Sieg­linde Feld­hofer und der Tenor Szabolcs Brickner auf der Bühne. Den Onkel Graf Staschek verkör­pert Markus Butter, und Suza ist Andrea Purtić. Zu den weiteren Darstel­lern gehören Josef Forstner, Roman Straka, David McShane, Markus Höll­rieg, Mikhail Gusev, Alek­sandra Todo­rović, Neven Crnić und Daniel Doujenis sowie Chor und Ballett der Oper Graz.

Ab 2. Mai 2020 im Online-Stream unter: www​.oper​-graz​.com

Joseph Beer: „Polni­sche Hoch­zeit“, Martina Rüping, Susanne Bern­hard, Nikolai Schu­koff, , Matthias Haus­mann u.a., Chor des Staats­thea­ters am Gärt­ner­platz, , (jpc)
Zu beziehen u.a. bei: www​.amazon​.de

Und zu hören in der NML
Als Dank, dass Sie auch ange­sichts der Corona-Krise an die Musik glauben, können Sie dieses Album bis Ende Mai 2020 kosten­frei in der NML hören. Regis­trieren Sie sich unter: crescendo​.de