Ron Howard

Ein Leben wie eine Oper

von Rüdiger Sturm

13. Dezember 2019

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film „Pavarotti“ von Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger der Faszination des Tenors erlag.

CRESCENDO: Waren Sie ein großer Opernfan, bevor Sie dieses Projekt in Angriff nahmen?

Absolut nicht. Ich hatte von Oper keine Ahnung.

Sie hatten keine Affi­nität zu Oper und haben einen Film über Pava­rotti gemacht?

Ich war schon ein paar Mal in der Oper gewesen. Zum ersten Mal mit vier, als ich einen Film als Darsteller in Wien drehte und meine Eltern mich in die Staats­oper mitnahmen. Ich kann mich noch gut an die Sopra­nistin in ihrem goldenen Kostüm erin­nern. Und ich habe mir auch sonst Opern ange­hört, ich respek­tiere diese Musik. Aber ich hatte keine echte Wissens­basis. Was nicht von Nach­teil ist. Ich liebe es, mich in eine mir unbe­kannte Materie zu vergraben und sie dann einem breiten Publikum näher­zu­bringen. Ich hatte auch nicht viel Ahnung vom NASA-Raum­fahrt­pro­gramm, bevor ich Apollo 13 drehte.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Ein klatsch­nasser mit einer klatsch­nassen Prin­zessin Diana nach einem Konzert bei strö­mendem Regen im Londoner Hyde Park am 30. Juli 1991. Die beiden sammelten Geld für die welt­weite Besei­ti­gung von Land­minen.
(Foto: Globe Photos / ZUMA​PRESS​.COM / Wild Bunch Germany)

Aber wie kamen Sie dazu, genau diese Doku­men­ta­tion zu reali­sieren?

Nach meiner Beatles-Doku­men­ta­tion Eight Days a Week kam Pava­rottis Plat­ten­firma auf mich und mein Team zu. Sobald ich mehr über ihn zu lesen begann, war ich regel­recht faszi­niert. Davon abge­sehen, war mir immer bewusst, was für eine über­wäl­ti­gende Persön­lich­keit er war. Ich hatte ihn in Fern­seh­talk­shows erlebt. Und einmal war ich ihm ganz kurz bei einer Veran­stal­tung begegnet. Da liefen alle mögli­chen promi­nenten Leute herum, aber als Pava­rotti in seinem Fedora und seinem weißen Schal ankam, hat er mit seinem Charisma und seiner Herz­lich­keit alle über­strahlt. Es war regel­recht spürbar.

Und wie geht man dann als Opern-Laie an ein derar­tiges Projekt heran?

Erst einmal braucht man etwas, was das Publikum unter­hält und mitzieht. Die Ausgangs­basis ist die Musik. Man weiß, man kannst sie digital restau­rieren und neu mixen. Doch dann entdeckte ich, dass Pava­rottis Leben etwas Opern­haftes an sich hatte. Die ganzen Wendungen seiner persön­li­chen Reise fanden sich in den Themen seiner Arien reflek­tiert.

Ausdrü­cken, was aus dem Innersten der Psyche kommt.

Als ich mir die Aufnahmen verschie­dener Arien anschaute, begann ich nach Auftritten zu suchen, bei denen er zur glei­chen Zeit auf der persön­li­chen Ebene etwas durch­machte. Das heißt, bei denen er die Themen und Ideen ganz beson­ders tief empfunden haben musste. Das habe ich auch in der Arbeit mit Schau­spie­lern erlebt, die manchmal in Szenen etwas ausdrü­cken, das aus dem Innersten ihrer Psyche kommt.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
1966 debü­tierte Luciano Pava­rotti als Herzog von Mantua in Verdis Rigo­letto an der Mailänder Scala.
(Foto: Wild Bunch Germany)

Welche Auftritte ragten beson­ders heraus?

Zum Beispiel eine Spezi­al­sen­dung aus seinen späteren Jahren mit seiner Pagli­acci-Arie. Da dachte ich mir zum ersten Mal: „Oh, da gibt’s zwischen ihm und dieser Musik eine beson­dere Verbin­dung.“ Nessun Dorma in den Cara­calla-Thermen wirft einen um, das hat mich jedes Mal bewegt. Und eine Tosca-Auffüh­rung in gegen Ende seines Lebens. Wenn man das in diesem Kontext siehst, zusammen mit den Ovationen des Publi­kums, kriegst man eine Gänse­haut.

Der kleine Luciano mit seinen Eltern, dem Bäcker Fernando und dessen Frau Adele, die in einer Tabak­fa­brik arbei­tete
(Foto: Wild Bunch Germany)

Können Sie sagen, wie viel Film­ma­te­rial Sie gesichtet haben?

Ich habe keine Ahnung. Es waren auf jeden Fall Tausende von Metern. Zum Glück hat mein Schnitt­team für mich eine Vorauswahl getroffen. Wir haben uns beispiels­weise alle mögli­chen La-Bohème-Aufzeich­nungen ange­schaut, hatten auch Amateur­auf­nahmen. Zum Beispiel hat jemand einen Auftritt von La fille du régiment mitge­filmt, in dem er die neun hohen Cs singt. Hinzu kamen auch die Heim­vi­deos von seiner zweiten Frau Nico­letta Manto­vani.

Wie viel Mate­rial hat sie Ihnen gelie­fert?

Ich kann es nicht bezif­fern – es war viel, aber keine Stunden. Hier war das Problem, dass die Audio­spur nicht gut zu hören war. Aber wir konnten das tech­nisch lösen. Und uns war sofort klar, dass wir das nutzen wollten. Denn hier spricht er ganz authen­tisch und unge­fil­tert über sein Leben, nicht für irgend­welche Fern­seh­ka­meras.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Luciano Pava­rotti in seiner Geburts­stadt Modena
(Foto: Wild Bunch Germany)

Es gelang Ihnen, Pava­rottis beide Frauen und seine Töchter aus erster Ehe vor die Kamera zu holen. Das dürfte nicht ganz einfach gewesen sein.

Ja, aber es war mir wichtig, dass sich auch Adua Veroni und die älteren Töchter äußern. Denn ich wollte, dass dieser Film einen Blick auf sein ganzes Leben wirft – er sollte eine epische Oper bieten. Ich wusste dabei nicht, was mir alle Betei­ligten erzählen würden. Aber alle waren bereit, weil ich gewis­ser­maßen als Mittels­mann fungierte. So gesehen, hatte der Film auf die Familie eine heilende Wirkung.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Luciano Pava­rotti mit seinen drei Töch­tern Lorenza, Cris­tina und Giuliana aus der Ehe mit Adua Veroni
(Foto: Wild Bunch Germany)

Pava­rottis 16-jährige Tochter Alice aus zweiter Ehe taucht aller­dings nicht auf. Warum?

Es ergab für mich nicht wirk­lich Sinn, da wir möglichst viel aus seinem Blick­winkel erzählen wollten. Wir nahmen also Inter­views, Arien, die seine Geschichte reflek­tierten, und so viel von seinen Aufnahmen wie möglich. Inter­views mit anderen ­Betei­ligten haben wir nur benutzt, um einen Kontext zu schaffen. Alice, die vier war, als ihr Vater starb, konnte nicht wirk­lich Erkennt­nisse zu ihrem Vater vermit­teln.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Zur Fußball-Welt­meis­ter­schaft 1998 in Paris gaben , Luciano Pava­rotti und als „Die drei Tenöre“ am 10. Juli ein welt­weit ausge­strahltes Konzert zu Füßen des Eiffel­turms.
(Foto: Alain BENAI­NOUS/­Gamma-Rapho / Wild Bunch Germany)

Einer der Inter­viewten des Films ist Plácido Domingo. Wenn Sie eine Doku­men­ta­tion über ihn gedreht hätten, wäre das jetzt vermut­lich sehr proble­ma­tisch

Ichkann nur sagen, dass ich ihm für sein Inter­view, das ich selbst nicht geführt habe, sehr dankbar bin. Er war und ist ein großer Künstler, aber wir befinden uns nun einmal in einer Zeit des Wandels. Männer auf der ganzen Welt erleben ein Erwa­chen, weil sich ihr Verhältnis zu Frauen auf konstruk­tive Weise verän­dert. Ich wünsche ihm das Beste für diese schwie­rige und für ihn pein­liche Zeit. Aber so etwas ist eben ein Preis, den man für diese sehr wich­tigen Verän­de­rungen bezahlen muss.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Luciano Pava­rotti mit seinen Eltern
(Foto: Wild Bunch Germany)

Sie selbst machten als Regis­seur unan­ge­nehme Erfah­rungen, weil Ihr letzter Film, das Star-Wars-Epos Solo floppte. Ist die Arbeit an Pava­rotti eine Erleich­te­rung?

So denke ich nicht. Jedes Projekt bringt seine eigenen Heraus­for­de­rungen mit sich, und ich liebe es, zwischen fiktio­nalen Geschichten und Doku­men­ta­tionen hin und her zu wech­seln. Ich bin ein sehr neugie­riger Mensch, und ich liebe es, in verschie­densten Genres auf Entde­ckungs­reisen zu gehen. Alle Arbeiten befruchten sich bei mir gegen­seitig.

Sie sagten, dass Sie vor Pava­rotti keine große Opern­af­fi­nität hatten. Inwie­weit hat Sie dieser Film geistig befruchtet?

Ich höre jetzt wesent­lich häufiger Opern – habe sie im Auto laufen. Ich weiß sie auch viel besser zu schätzen, verstehe ihre Themen und was die Sänger leisten müssen, um dem Publikum das ganze Poten­zial einer Oper näher­zu­bringen.

Am 26. Dezember 2019 kommt der Film Pavarotti von Oscarpreisträger Ron Howard in die deutschen Kinos. Im CRESCENDO-Interview erzählt Howard, wie er als Opernunkundiger mehr und mehr der Faszination des Tenors erlag.
Luciano Pava­rotti bei einem Auftritt in der Großen des Volkes in Beijing
(Foto: Vitto­riano Rastelli / Corbis via Getty Images / Wild Bunch Germany)


Könnten Sie sich jetzt auch vorstellen, Opern­regie zu führen?

Nein, nie.

Wirk­lich nicht?

So weit würde ich mich nicht vorwagen wollen. Bei einer Doku­men­ta­tion kann ich einfach den Beob­achter spielen. So in der Art „Ich bin neugierig. Was kann ich über mein Sujet heraus­finden? Wie kann ich es den Zuschauer vermit­teln?“ Aber es wäre unfair gegen­über der Kunst­form Oper und gegen­über den Publikum, wenn ich mich zu so etwas erdreisten würde.

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Zum Film Pavarotti von Ron Howard mit Luciano Pavarotti, Bono, Lang Lang, Andrea Griminelli, Nicoletta Mantovani, Plácido Domingo, Angela Gheorghiu, Carol Vaness, Vittorio Grigolo, Madelyn Renée, Zubin Mehta, Lorenza Pavarotti, Giuliana Pavarotti, Cristina Pavarotti, Anne Midgette, Terri Robson, Eugene Kohn, Joseph Volpe, Harvey Goldsmith, Michael Kuhn, José Carreras, Dickon Stainer, Prinzessin Diana u.a. unter:www.pavarotti-derfilm.de

Fotos: Terry O'Neill