Philippe Herreweghe
Jugendlicher Puls
von Attila Csampai
6. Februar 2018
Bis heute gelten nur die Schuberts Unvollendete und die Große C-Dur als bedeutende Meisterwerke. Jetzt hat Philippe Herreweghe sich die Zweite und die Fünfte vorgenommen.
Bis heute hält sich der Vorwurf, Schuberts frühe Sinfonien seien „nur“ gekonnte Nachbildungen der Werke seiner großen Vorgänger Haydn und Mozart, und im Grunde nichts Eigenes. Bis heute gelten nur die Unvollendete und die Große C‑Dur als bedeutende Meisterwerke. Jetzt hat Philippe Herreweghe, der Feingeist unter den großen Pionieren des Originalklangs, sich die Zweite und die Fünfte vorgenommen und beide B‑Dur-Arbeiten des Teenagers Schubert mit dem Antwerp Symphony Orchestra so zärtlich und feurig wiederbelebt, dass man sich fast fremdschämen möchte für die dummen Vorurteile früherer Generationen. Natürlich spürt man in beiden Werken den starken Einfluss seiner erklärten Vorbilder. Doch bahnt sich schon im Kopfsatz der Zweiten Sinfonie Schuberts ganz eigener, lyrisch sich ausbreitender, flächiger Satzbau seinen eigenen Weg, der durch Herreweghes drängenden, aber immer wunderbar transparenten und jugendlich pulsierenden Klangfluss einen ganz eigenen Charakter gewinnt und fast ungetrübte Aufbruchsstimmung verbreitet: So glückt dem 19-jährigen Schubert im Andante der Fünften Sinfonie einer der schönsten, innigsten Sätze seines gesamten Schaffens, ein einzigartiges Juwel musikalischer Schönheit. Herreweghe weiß das, trägt aber auch hier nicht zu dick auf, bleibt nobel, warmherzig und empfindsam.