Russische Kammerphilharmonie
Russischer Sahneklang
von Ute Elena Hamm
19. Oktober 2018
Neben breitem Repertoire, namhaften Solisten und hoher Präsenz hat die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg seit fast drei Jahrzehnten eines: den besonderen Streicherklang ihrer Heimat.
Neben breitem Repertoire, namhaften Solisten und hoher Präsenz hat die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg seit fast drei Jahrzehnten vor allem eins: den ganz besonderen Streicherklang ihrer Heimat.
Wer den Namen „Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg“ wörtlich nimmt, wird gleich mehrfach überrascht. Überraschung Nummer eins: Meist sind zwar nur 40 Musiker auf der Bühne, das hindert die Kammerphilharmonie aber nicht daran, ganz groß aufzuspielen. Es gibt keine Epoche, keine Gattung, die nicht im Repertoire zu finden ist. Auch Uraufführungen gehören dazu, wie zum Beispiel die des Trompetenkonzerts von Enjott Schneider im Oktober 2018.
Konzertiert wird dicht getaktet in den kleinen und auch den ganz großen Konzertsälen Deutschlands. Darüber hinaus wird kaum ein Festival ausgelassen. Auch europa- und weltweit ist das Orchester präsent, meist mit namhaften Solisten im Schlepptau.
„Rund 20 Konzerte wird es in Deutschland und in Österreich geben“
Innerhalb von 28 Jahren hat sich die Russische Kammerphilharmonie ein Renommee erspielt, auf das sie zu Recht stolz ist. Und die gerade begonnene Saison steht den vorangegangen in nichts nach: Schon der Sommer war gut gefüllt mit Konzerten, gleich zu Beginn stand der Auftritt beim Rheingau Musik Festival zusammen mit Nils Landgren. Unter den weiteren Solisten für diese Spielzeit finden sich etwa Nigel Kennedy, Mischa Maisky, Gabor Boldoczki, Francesco Tristano, Giora Feidman, Ute Lemper, Lilya Zilberstein, Sergei Nakariakov und Nikolai Tokarev – und mit Matthias Schlubeck wird sogar ein Panflötist dabei sein.
„Bald auch in Ihrer Nähe“ – betrachtet man den Konzertkalender der Russischen Kammerphilharmonie, stehen die Chancen gut, dass dieses fast schon geflügelte Versprechen eingelöst wird: Denn so deutschland- und österreichweit präsent ist kaum ein anderes Orchester. Neben Auftritten in der Elbphilharmonie, dem Gewandhaus Leipzig und anderen großen Sälen ist die Russische Kammerphilharmonie Teil vieler regionaler Kulturprogramme. Das gilt auch für die große Tournee des Orchesters im Januar und Februar 2019 zusammen mit dem russischen Geiger Dmitri Berlinsky. Rund 20 Konzerte wird es in Deutschland und in Österreich geben mit Werken von Niccolò Paganini – ein Programm wie gemacht für den Violinvirtuosen, der seine internationale Karriere als jüngster Preisträger des Paganini-Wettbewerbs in Genua begann.
Gegründet wurde die Russische Kammerphilharmonie 1990 von Absolventen des St. Petersburger Staatskonservatoriums, und auch Dmitri Berlinsky stammt ursprünglich aus dieser Stadt, heute lebt und lehrt er in den USA. Und das ist die zweite Überraschung: Denn die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg hat ihren Sitz seit Anfang des Jahrtausends in Frankfurt am Main. Sie versteht sich als kultureller Botschafter ihres Heimatlands.
„Der Balanceakt zwischen Tradition und Innovation“
Mit ihren exzellenten Musikern bezeugt sie nicht nur das hohe Niveau der russischen Musikausbildung, sondern möchte das, was die meisten Musiker des Orchesters seit der Kindheit an prägte, auch außerhalb Russlands präsent halten: die russische Musik – und den russischen Klang, den „Sahneklang“ der St. Petersburger Geigenschule. Die meisten Streicher der Russischen Kammerphilharmonie haben in St. Petersburg studiert, und zwei der Orchestermusiker entstammen sogar angesehenen St. Petersburger Konzertmeister-Dynastien. Der Russischen Kammerphilharmonie gelingt damit der Balanceakt zwischen Tradition und Innovation, denn sie scheut sich weder vor traditionellem Repertoire noch vor unkonventionellen Programmen.
International ist aber nicht nur ihr Erfolg, sondern auch sie selbst: Die Musiker stammen aus Russland und all den anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, vereinzelt aber auch aus Deutschland, England, Japan, Australien, Kolumbien und Israel. Ihren Ruf als internationales Spitzenorchester verdankt die Russische Kammerphilharmonie vor allem der Arbeit von Juri Gilbo. Er feiert in dieser Saison sein 20-jähriges Jubiläum als künstlerischer Leiter – und er schwärmt gerade von diesem besonderen Streicherklang. Romantische Musik könne er sich ohne diesen Klang gar nicht mehr vorstellen. Auch Juri Gilbo ist gebürtiger St. Petersburger und wurde stark von den Musiktraditionen seiner Heimat geprägt. Er ist übrigens von Haus aus Geiger und Bratschist, als Dirigent genießt er aber nicht nur den Lieblingsklang seines Orchesters, sondern ihm liegt zudem besonders die Freude am gemeinsamen Musizieren am Herzen. Und der Erfolg beweist, dass diese sich in den vielfältigen und überraschenden Programmen mühelos auch auf das Publikum überträgt.