Chiaroscuro Quartet

Schmerz­lich-schön

von Attila Csampai

26. Dezember 2018

Gespenstische Bedrohungsszenarien lässt das Chiaroscuro Quartet unter Alina Ibragimova mit Franz Schuberts Streichquartetten aufflammen.

Ich kenne keinen Kompo­nisten, der reale Todes­angst, das lähmende Grauen vor dem Nichts, so erschüt­ternd, so schmerz­lich schön und form­voll­endet in Musik gesetzt hätte wie . Bereits mit 19 Jahren hatte er Matthias Clau­dius« Gedicht Der Tod und das Mädchen vertont und sieben Jahre später in seinem vorletzten Streich­quar­tett zu einer gewal­tigen Schre­ckens­vi­sion ausge­weitet: Wer jetzt die neue, konge­niale Inter­pre­ta­tion des jungen Chia­ros­curo Quar­tets hört, bekommt einen starken Eindruck von Schu­berts Gefühls­lage in jener Zeit, und zugleich erlebt er eines der größten Kammer­mu­sik­werke aller Zeiten. Mit histo­ri­scher Sensi­bi­lität, mit Darm­saiten und fahlem, vibra­to­losem Strich entwerfen die vier exzel­lenten Strei­cher­so­listen unter der Leitung der russi­schen Top-Primaria ein wahr­lich gespens­ti­sches Bedro­hungs­sze­nario, das endlich die emotio­nale Power, humane Wahr­haf­tig­keit und musi­ka­li­sche Größe dieses einzig­ar­tigen Werks aufflammen lässt. Dagegen wirkt das ähnlich ausdrucks­stark und gebün­delt vorge­tra­gene g‑Moll-Quar­tett des 17-jährigen Schu­bert wie ein leiden­schaft­li­cher, jugend­lich-unge­stümer Appell an das Leben.