Birgit Minichmayr
Brüchig & rau
21. Juli 2021
Debüt einer Sängerin: „Durch das Singen war ich in der Lage, tiefe Liebe zu finden, oder tiefe Traurigkeit." Birgit Minichmayr singt Sonette von William Shakespeare.
Birgit Minichmayr hat schon früher gesungen. Nicht nur zu Hause unter der Dusche, sondern natürlich im Theater – ihrem bevorzugten Arbeitsplatz – und auch schon mit Campino und den Punkern von Die Toten Hosen. Auflösen hieß der herrlich eingängige Song aus dem 2008 erschienenen Album „In aller Stille“. Der von Minichmayr mitkomponierte Track war nicht nur ziemlich erfolgreich – er war auch ein Versprechen. Eine Ankündigung, die gefeierte österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr nicht nur im Theater, Fernsehen oder Kino zu sehen, sondern sie auch als Sängerin zu erleben. Jetzt, 13 Jahre nach ihrem CD-Gastspiel löst die Linzerin das Versprechen ein. Endlich. „Ich weiß auch nicht so genau, warum das so lange gedauert hat“, erklärt sie im Gespräch, „aber es muss bei mir aus einem natürlichen Prozess heraus entstehen. Sonst wird das nichts.“
Sie spricht aus Erfahrung. Denn an Bemühungen, ein zweites Karrierestandbein zu etablieren, hat es nicht gemangelt. So wollte jemand, der sie vor Jahren am Wiener Burgtheater in der Julian Crouch-Inszenierung von „Struwwelpeter“ sah und singen hörte, sofort musikalische Begleiter für sie suchen und eine Band gründen. Wollte. „Es war alles zu sehr konstruiert“, erinnert sich Minichmayr heute und klingt dabei keineswegs so, als ob sie sich über eine damals verpasste Chance ärgern würde. Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif. Vermutlich aber ist es genau so, wie sie sagt: Es muss einfach passieren – so wie auch „As An Unperfect Actor“ zustande kam. „Zu dem Album bin ich ja wie die Jungfrau zum Kinde gekommen“, verrät sie und klärt auf: „Bei einem Liederabend kam die Idee auf, dass ich einen Cole-Porter-Song singe.“ Der bei dieser Gala mitwirkende Pianist Bernd Lhotzky hörte sie – und war, wie sie sagt, spontan ziemlich aus dem Häuschen. „Er hat überschwänglich auf meine Stimme reagiert und gemeint, dass ich unbedingt etwas mit Musik machen sollte. Am besten Shakespeare.“ Zunächst habe sie das nicht ernst genommen, aber ein paar Monate später bekam sie tatsächlich Post von Lhotzky: die ersten Kompositionen von vertonten Shakespeare-Sonetten – der Startschuss für „As An Unperfect Actor“.
Musikalisch ist das keine leichte Kost. Lhotzky vertonte die aus dem frühen 17. Jahrhundert stammenden Shakespeare-Sonette fantasievoll ohne stilistische Berührungsängste. Kunstvoll verwob er in den Liedern Elemente aus Tango, Jazz, Gospel und Kabarett – einfühlsam umgesetzt von den Musikern von Quadro Nuevo. Unkonventionelle Klänge, die selbst für routinierte Sänger eine Herausforderung darstellen sollten. Umso erstaunlicher ist es, mit welch souveräner Leichtigkeit Minichmayr diese hohe künstlerische Hürde nimmt. „Ich habe zur Musik ja keinen technischen sondern einen intuitiven Zugang“, meint sie. Womit sie aber offenbar genau den Nerv des Komponisten traf: „Er wollte keine Jazzsängerin, die das lupenrein bis in die letzte Note singt. Ihn hat vielmehr genau diese Brüchigkeit und Rauheit interessiert. Das hat mir extrem geholfen.“
Als hilfreich bei den dreitägigen Aufnahmen in einem Münchner Studio erwiesen sich für Minichmayr auch einige Stunden bei einer Gesangslehrerin sowie: ein ausführliches YouTube-Studium: „Ich habe mir viele Sonette von englischen Schauspielern angeschaut. Das habe ich rauf und runter gehört und mir dabei einiges abgeguckt.“ Dass ihr Englisch bei den Interpretationen des historischen Stoffs nach „Native Speaker“ klingt, habe sie allerdings jemand anderem zu verdanken: „Meiner Englischlehrerin. Die hat extremen Wert auf korrekt ausgesprochenes Oxford-Englisch gelegt. Tausend Dank an sie!“