Musicalthriller „Sweeney Todd“ in Linz

Musicalthriller „Sweeney Todd“ in Linz

Großes Kino mit Grusel­faktor

von Dorothea Walchshäusl

19. März 2025

Achtung, es wird blutig, herrlich morbide und ausgesprochen makaber. Allzu zartbesaitet sollte man auf jeden Fall nicht sein, wenn man sich in die Aufführung des Musicalthrillers „SWEENEY TODD – Der Barbier des Grauens von Fleet Street“ wagt, der bis Mitte Juli am Landestheater in Linz zu sehen ist.

Schließ­lich geht es hier im wahrsten Sinne des Wortes ans Einge­machte. Mit dem nötigen Nerven­köstum ausge­stattet aber ist die Insze­nie­rung (Regie und Choreo­gra­phie Simon Eichen­berger) ein großes Vergnügen, das mit außer­ge­wöhn­li­cher Dichte, filmi­scher Inten­sität und emotio­naler Wucht in den Bann zieht.

Ursprung der wilden Geschichte ist ein Groschen­roman aus den 1850er Jahren, der 1970 von Chris­to­pher G. Bond zu einem Thea­ter­stück verar­beitet wurde, um als Musical nur wenige Jahre später zum gefei­erten Bühnenhit zu werden. Spätes­tens seit der Verfil­mung des grausig-prickelnden Stoffes mit und Helene Bonham Carter ist „Sweeney Todd“ weithin bekannt.

Die Kern­story ist schnell erzählt: Einst lebte der Barbier Benjamin Barker (Max Niemeyer) ein fried­volles Leben mit Gattin und Kind. Dann aber verbannte ihn der Richter Turpin auf Jahre unschuldig ins Gefängnis, verge­wal­tigte seine Frau und entführte seine Tochter. 15 Jahre später kehrt Barker verwan­delt und von Rache-Sucht getrieben nach London zurück. Sein neuer Name: Sweeney Todd. Sein Ziel: Turbin auf seinen Barbiers­stuhl zu bekommen, um ihm die Kehle durch­zu­schneiden. Der erste Versuch aber geht schief und Todd dreht durch. Wahllos beginnt er, seine Kunden zu meucheln, kaum ein bärtiger Hals ist vor ihm sicher. Zu seiner Part­nerin in Crime wird derweil die bis dato erfolg­lose Bäckerin Mrs. Lovett (Daniela Dett), die ihren Laden direkt unter Todds Barbiers­stube betreibt. Ihr mangelt es an güns­tigem Fleisch für ihre Pasteten und schnell ahnt sie ein viel­ver­spre­chendes Geschäfts­mo­dell. Die Idee: Todd wird seine Leichen los, sie macht endlich Umsatz und beide können gemeinsam dem Wohl­stand frönen. Die Zusam­men­ar­beit wird entspre­chend gene­ral­stabs­mäßig orga­ni­siert: Vom kipp­baren Barbier­stuhl rutschen die frisch aufge­schlitzten Opfer direkt in die Back­stube, wo bereits der Fleisch­wolf wartet. Win-win könnte man meinen, doch Todd fiebert immer wahn­sin­niger dem Besuch des Rich­ters entgegen und die Situa­tion eska­liert. Parallel dazu versucht der verliebte Anthony (Chris­tian Fröh­lich) Todds Tochter Johanna (Valerie Luksch) aus den Fängen Turpins (Karsten Kenzel) und seines unter­wür­figen Büttels (Enrico Treuse) zu befreien, während auf den Straßen eine irre Bett­lerin (Sanne Mieloo) ihre Klage­ge­sänge anstimmt und in der Back­stube Mrs Lovetts Helfer Tobias (Lukas Sand­mann) für Hack­fleisch sorgt.

„Sweeney Todd ist in Wahr­heit ein Film für die Bühne“, schrieb der Kompo­nist Stephen Sond­heim einst über sein Musik­thea­ter­werk und getreu dieser Einord­nung schöpft man in bei der Gestal­tung des packenden Stoffs aus dem Vollen. Die gesamte Bühne ist in düsteres Licht getaucht, dreckig, verwahr­lost und voll bitter­armer Gestalten zeigen sich die Straßen des vikto­ria­ni­schen Londons. Vor dieser Kulisse wird das Barbier­studio samt Back­stube und Paste­ten­shop mit impo­santer Bühnen­technik in Szene gesetzt (Bühne: Charles Quiggin, Licht­de­sign: Michael Grundner) und laufen die Darsteller alle­samt zur Hoch­form auf. Max Niemeyer mimt den rach­süch­tigen Sweeney Todd mit unmit­tel­barer schau­spie­le­ri­scher Präsenz, stimm­li­chem Volumen und einer ordent­li­chen Portion Wahn­sinn, bei der doch auch immer noch ein Rest Mensch­lich­keit durch­scheint. Daniela Dett wiederum bril­liert als gnadenlos kalku­lie­rende Fleisch­händ­lerin und liefert inmitten des Grauens zahl­reiche komö­di­an­ti­sche Momente. Auch die weiteren Rollen sind exzel­lent besetzt, darunter Karsten Kenzel als fantas­ti­scher Wider­ling und Chris­tian Fröh­lich als schmach­tender Anthony. Bei allen Extremen und wuch­tigen Bildern ist die Perso­nen­ge­stal­tung dabei ausge­spro­chen detail­liert und fein gehalten und bleibt trotz des heftigen Gesche­hens immer ein letzter Rest Leich­tig­keit. Das Bruck­ner­or­chester liefert mit der opern­haft durch­kom­po­nierten Musik von Sond­heim dazu unter Leitung von Tom Bitter­lich den passenden Sound­track. Eindring­lich inter­pre­tiert fährt dieser direkt in die Magen­grube und unter­malt voll­endet das stim­mungs­volle Drama, das gerade in den Chor­szenen (bei denen ergän­zend Studenten der MuK Privat­uni­ver­sität der Stadt Wien mitwirken) beson­ders mitrei­ßend ist. Am Ende gibt es Stan­ding Ovations für wahr­lich großes Kino am Linzer Landes­theater. Ob man danach gut schlafen kann, ist ein anderes Thema.

Fotos: Barbara Palffy