News | 21.02.2021

Über­zeu­gend aus dem Niemands­land: „Carmen“ an der Wiener Staats­oper

von Redaktion Nachrichten

21. Februar 2021

Die Wiener Staatsoper streamte die Premiere von Bizets "Carmen" mit Regisseur Calixto Bieito und Dirigent Andrés Orozco-Estrada.

Große Oper ohne Publikum, aber im Live­stream mitrei­ßend und über­zeu­gend: Die Première von Georges Bizets „Carmen“ in der Regie von und mit am Pult der führte am Sonntag vor, was Musik­theater auch in diesen Lock­down-Zeiten nach Hause trans­por­tieren kann. Pralles Leben, mensch­li­ches Drama mit toller Musik und – ja, auch noch gute Unter­hal­tung.

Bieito zeigt die Hand­lung in seiner immer weiter entwi­ckelten ersten „Carmen“-Inszenierung von 1999 in einem Niemands­land zwischen Länder­grenzen. Er hat die spani­sche Exklave Ceuta auf dem Gebiet von bereist, was sicher­lich die Authen­ti­zität der Bilder beein­flusste. So hat die tragi­sche Geschichte durchaus verzwei­felt lebens­frohe Szenen – bis die Party auf einem alten Mercedes steigt, dass die Stoß­dämpfer wackeln.

Schade nur, dass die Haupt­person so wenig Lust auf Schau­spiel zeigt. Anita Rach­ve­lish­vili verkör­pert in dieser Produk­tion die Carmen erst­mals in . Beein­dru­ckend ihre Stimm­ge­walt, aber als Charakter blieb sie merk­würdig eindi­men­sional. Ganz anders Vera-Lotte Boecker (als Einsprin­gerin), was nicht nur an der Rolle der Micaëla lag, sondern an ihrer diffe­ren­zierten stimm­li­chen, körper­li­chen und mimi­schen Gestal­tungs­kraft. Ihre Arie „Je dis que rien ne m« épou­vante“ im 3. Akt wurde zu einem Höhe­punkt des Abends. Piotr Beczała als Don José und als Esca­millo sind einfach Welt­klasse-Beset­zungen.

Diri­gent Orozco-Estrada gab in dieser Première sein Debüt an der Wiener Staats­oper und empfiehlt sich für weitere große Aufgaben. Er brachte die Partitur diffe­ren­ziert und souverän zum Klingen, war jeder­zeit für das Ensemble zuver­lässig und zeigte auch Lust am großen Drama. Sehens- und hörens­wert.

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Fotos: Dario Acosta