Seong-Jin Cho

Urkräfte des Univer­sums

von Attila Csampai

6. Januar 2019

Hier bezieht ein hochtalentierter Newcomer und ausgeschlafene Mitstreiter Gegenposition zu den Armeen von blassen Mozart-Säuslern.

Der große russi­sche Mozart-Experte Georgi W. Tschit­scherin spürte in dessen Musik die „Urkräfte des Univer­sums“. Was er damit gemeint haben könnte, kann man jetzt auf dem ersten Mozart-Album der südko­rea­ni­schen Klavier-Hoff­nung im Klang erleben. Selten entlockte ein junger Pianist im Wech­sel­spiel mit dem ähnlich aufge­kratzten Chamber Orchestra of Europa dem popu­lären d‑Moll-Konzert solche exis­ten­zi­elle Kraft, solche geballte, drama­ti­sche Wucht. Hier treffen, wie im Don Giovanni, stärkster Lebens­wille und schick­sals­hafte Gegen­mächte unver­mit­telt aufein­ander und liefern dem Hörer ein hoch­dra­ma­ti­sches, dabei glas­klar durch­ge­zeich­netes Szenario schärfster Gefühls­kon­traste. Vor wenigen Monaten erst über­raschte uns der 24-jährige Wahl-Berliner durch sein kalli­gra­fisch-fein­glied­riges Debussy-Album, das medi­ta­tiven Klang­zauber verströmte. Dagegen wirkt sein Mozart-Zugriff gera­dezu ener­gisch und schla­ckenlos prägnant und entfacht jugend­li­ches Feuer und unge­stüme Lebens­kraft. Diesen klaren, hell­wa­chen Blick auf Mozarts impuls­reiche Dramatik kulti­viert Cho dann auch in den beiden Sonaten KV 281 und 332, denen er einen ähnli­chen Reichtum an Gefühls­kon­trasten abtrotzt. Hier bezieht ein hoch­ta­len­tierter Newcomer und ausge­schla­fene Mitstreiter Gegen­po­si­tion zu den Armeen von blassen Mozart-Säus­lern.