Festival Printemps des Arts de Monte-Carlo

Vive la Musique!

von Katherina Knees

18. April 2018

Der musikalische Speiseplan der letzten Festivalwoche in Monaco verheißt einen vielseitigen Ohrenschmaus und nach einer Fahrt über die pittoresk geschwungene Küstenstraße geht es auch gleich los.

Schon auf dem Papier verheißt der musi­ka­li­sche Spei­se­plan der letzten Festi­val­woche in einen viel­sei­tigen Ohren­schmaus und nach der Ankunft am Flug­hafen in Nizza und einer Fahrt über die pitto­resk geschwun­gene Küsten­straße geht es auch gleich los mit den ersten kammer­mu­si­ka­li­schen Kapriolen, die in den folgenden vier Tagen um viele weitere Eindrücke aus unzäh­ligen Epochen in ganz verschie­denen Beset­zungen ergänzt werden sollen.

Aber von vorne. Schau­platz Nummer Eins ist das ozea­no­gra­phi­sche Museum, das mit seiner prunk­vollen Fassade hoch auf dem Felsen direkt über dem Meer thront. Die Geigerin Liana Gourdjia und der Pianist Matan Porat präsen­tieren sich mit Sonaten von auf der Bühne als einge­spieltes Team. Nach dem ersten Stück erhebt sich das Publikum und Prinz Albert von Monaco spaziert in den Saal, grüßt hier und da mit Hand­schlag und nimmt in der ersten Reihe Platz. Für die Mone­gassen eine alltäg­liche Situa­tion, die dem kleinen Fürs­tentum zwischen Oper, Casino und Yacht­club eine zusätz­liche Prise Glamour verleiht. Im Rahmen des Festi­vals gerät der allge­gen­wär­tige Luxus jedoch zur Neben­sache, denn zum Glück steht die Musik ganz im Mittel­punkt. Abwechs­lungs­reich und inno­vativ, so präsen­tiert sich das Früh­lings­fest der Künste in Monaco vor allem mit seiner krea­tiven Programm­aus­wahl und den außer­ge­wöhn­li­chen Auffüh­rungs­orten.

Der allge­gen­wär­tige Luxus gerät zur Neben­sache, denn die Musik steht ganz im Mittel­punkt.

Als sich die Früh­lings­sonne am nächsten Abend im Yacht­hafen von Monaco über die Cote d’Azur senkt, verwan­delt sich die tradi­ti­ons­reiche Boots­werk­statt der Monaco Boat Service Group im Riva Tunnel wie von Zauber­hand in einen Konzert­saal und Cameron Croz­mans Stra­di­vari Cello “Bonjour” aus dem Jahr 1692 glänzt mit den ausge­stellten Riva-Booten um die Wette. Cameron Crozman ist ein echter Bühnen­mensch und nimmt das Publikum mit munteren Geschichten zu den Stücken und einer über­zeu­genden und blitz­sauberen musi­ka­li­schen Darbie­tung auf dem berüh­rend klang­schönen Cello schnell für sich ein. Als Zugabe hat der kana­di­sche Rotschopf den Schwan aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint Saens ausge­wählt – aus gutem Grund, denn 1905 wurde auf seinem Cello die erste Aufnahme des char­manten kleinen Stücks einge­spielt.

Die Sinne für neue Erfah­rungen schärfen

Cameron Crozman ist ein gutes Beispiel für die Riege der aufstre­benden Nach­wuchs­mu­siker aus aller Welt, die der Inten­dant Marc Monnet in diesem Jahr zu seinem Festival einge­laden hat: Jung, erfolg­reich, selbst­be­wusst – und mit einer großen Aufge­schlos­sen­heit für zeit­ge­nös­si­sche Musik. Der musi­ka­li­sche Leiter ist selbst Kompo­nist und gestaltet das “Festival de Monte-Carlo” bereits seit 15 Jahren. In diesem Jahr hat er den Fokus unter anderem auf Werke von und Charles Ives gelegt. Er möchte dem Publikum im Rahmen des Festi­vals nicht nur das konven­tio­nelle Programm servieren sondern die Ohren auch für neue Hörerleb­nisse öffnen. “Wenn man an einem Ort wie Monaco nur spielt, was jeder bereits kennt, wird man sofort denken, die Musik ist nur eine hübsche Garnitur für das Drum­herum”, betont er. “Deshalb ist es gerade hier so wichtig, auch unbe­kannte und zeit­ge­nös­si­sche Werke aufzu­führen, um das Publikum neugierig zu machen und zu über­ra­schen und die Sinne für neue Erfah­rungen zu schärfen.”

Wie ein surrealer Traum…

Mit der Oper “Les quatre jeunes filles” von Edison Denisov aus dem Jahr 1986 gelingt das allemal. Das komplexe Werk basiert auf einem Thea­ter­stück von Pablo Picasso – es wirkt wie ein surrealer Traum und stellt die vier Sänge­rinnen des Opern­stu­dios der Opéra de Lyon, den Chor “Musi­cat­reize” und die Musiker des Ensemble Orches­tral Contem­po­rain in der kurzen inten­siven Proben­zeit vor viele Heraus­for­de­rungen. Beim Treffen in der Hotel­lobby versprüht der Diri­gent Daniel Kawka eine anste­ckende persön­liche Begeis­te­rung für Denisovs Musik und zieht spontan die groß­for­ma­tige Partitur aus dem Koffer – blät­tert, zeigt, singt und summt – um die Reize der Kompo­si­tion noch anschau­li­cher zu vermit­teln. “In Denisovs Musik hört man die russi­sche Seele und spürt zugleich seine tiefe Bewun­de­rung für . Das ist eine unwi­der­steh­liche Mischung”, verrät Daniel Kawka. Am Abend fügt sich dann auf der Bühne des Théâtre des Variétés alles zusammen. Im Publikum sitzt dabei auch Ekate­rina Kouprovs­kaia, die Frau des 1996 verstor­benen Kompo­nisten, die beim Applaus Tränen der Rührung in den Augen hat.

Neben den Konzert­er­leb­nissen an den vielen verschie­denen Orten, hat man im Rahmen des Festi­vals Gele­gen­heit, auch mal ein biss­chen hinter die Kulissen blicken. In einem Klari­net­ten­meis­ter­kurs beispiels­weise, den der Klari­net­tist Alain Damiens an einem Vormittag tief unten in einem kleinen Saal der Musik­aka­demie Rainier III. gibt. Blut­junge Klari­netten-Eleven stellen sich in einer öffent­li­chen Unter­richts­stunde beim Maestro in mitge­brachten Werken seinen kriti­schen Blicken und Bemer­kungen. Die Beob­achter lauschen gebannt.

Neben den Konzert­er­leb­nissen an unter­schied­li­chen Orten, gibt es Blicke hinter die Kulissen.

Später am Tag bekommt das Publikum dann noch richtig etwas auf die Ohren. 3 ½ Stunden Kammer­musik im Conseil National und ein prall gefüllten Konzert­abend mit Kompo­si­tionen für Klari­nette aus verschie­denen Epochen in allen nur erdenk­li­chen Beset­zungen im großen Konzert­saal des Audi­to­rium Rainier III. bieten insge­samt fast sieben Stunden Musik – raffi­nierte Tört­chen und herz­hafte Häpp­chen sorgen in den Pausen dafür, dass das Publikum nicht schwä­chelt. Aber die Plätze sind alle gut besucht und es herrscht konzen­trierte Stille.

Der südko­rea­ni­sche Cellist Bumjun Kim ist in beiden Konzerten mit vollem Einsatz dabei – neben einem Mozart-Diver­ti­mento, Mozarts B‑Dur Sonate für Fagott und Cello in einer Bear­bei­tung für Eupho­nium und der Sequenza XIV für Solo­cello von Luciano Berio am Nach­mittag, stehen für ihn abends noch das Klari­net­ten­quar­tett von Pender­ecki und Beet­ho­vens “Gassenhauer”-Klaviertrio auf dem Programm.

Im Shuttle nach Nizza zum Flug­hafen am nächsten Morgen reibt sich der Cellist immer noch etwas verschlafen die Augen und lacht im Rück­blick auf den Tag. “Das war schon ein biss­chen verrückt. So einen Konzert­ma­ra­thon kann man auch nur einmal im Jahr machen.” Bumjun Kim klet­tert aus dem Auto und nimmt seinen Koffer. Für ihn stehen nach dem Abste­cher nach Monaco nun bereits die nächsten Heraus­for­de­rungen vor der Tür: Wohnungs­suche in , denn ab September spielt er für zwei Jahre in der Karajan-Akademie der .

In Konzert­saal des Audi­to­riums klingen vier trubelige Festi­val­wo­chen am folgenden Abend mit sinfo­ni­scher Musik von Charles Ives aus. Chris­tian Arming steht zu diesem Anlass am Pult des Orchestre phil­har­mo­nique de Monte-Carlo. “In so viel­schich­tigen Werken wie “Central Park in the Dark” oder “Three Places in New ” ist man als Diri­gent eigent­lich so etwas wie ein Verkehrs­po­li­zist”, erzählt der Wiener lachend nach der Gene­ral­probe. “Aber es ist wirk­lich toll für das Publikum. Mit diesem Programm bekommt man eine echte Idee davon, was Charles Ives für ein Kompo­nist war.”

Und darauf kommt es an. Das “Festival Prin­temps des Arts de Monte-Carlo” präsen­tiert die Musik mit authen­ti­scher Begeis­te­rung seiner Macher durch die Fülle an außer­ge­wöhn­li­chen Orten, Beset­zungen und Epochen aus ganz unter­schied­li­chen Perspek­tiven und verschafft den Besu­chern dadurch musi­ka­li­sche Erleb­nisse, die vor Inten­sität nur so über­spru­deln.

Fotos: Alain Hanel