Walter Felsenstein

Die Obrig­keit am Kieker

von Walter Weidringer

29. Juni 2021

Walter Felsenstein würzte Jacques Offenbachs „Barbe-Bleue“ mit satirischer Schärfe.

Er ist eine Musik­thea­ter­le­gende: Der 1901 in gebo­rene Walter Felsen­stein grün­dete 1947 die Komi­sche Oper und war bis zu seinem Tod 1975 deren Inten­dant und Chef­re­gis­seur. In übli­cher­weise eigenen Über­set­zungen und mit seinem spezi­ellen Insze­nie­rungs­stil gelang es ihm dort, mit einem Stamm­ensemble und gele­gent­li­chen Gästen einen aufre­gend neuen, von den Ansprü­chen und Möglich­keiten des Sprech­thea­ters mitbe­stimmten Begriff von Oper zu etablieren.

Walter Felsenstein
Gründer der Komi­schen Oper Berlin: der Regis­seur Walter Felsen­stein

Einer der Dauer­brenner im Reper­toire war Offen­bachs Barbe-Bleue, der ab 1963 fast 30 Jahre lang an der Komi­schen zu erleben war: 1973 hat Felsen­stein seine Insze­nie­rung mit Hanns Nocker und Anny Schlemm für einen DEFA-Film adap­tiert, der nun in glän­zender Restau­rie­rung vorliegt. Für Stimm­fe­ti­schisten und Opéra-bouffe-Stil­wächter mag das Ergebnis heute weniger geeignet sein, aber jedes Wort ist verständ­lich und mit jener sati­ri­schen Karl-Kraus-Schärfe getränkt, die seiner­zeit auch das DDR-Publikum durch das histo­ri­sche Setting hindurch voll auf seine aktu­ellen Kosten kommen ließ. An Felsen­steins hier behutsam-humor­vollen Dekon­struk­tionen haben sich Gene­ra­tionen von Regie­theater-Nach­fol­gern mit teils deut­lich weniger Geschick und Geschmack bedient: „Mensch, is« ja ulkig!“