Beat Furrer

Musik Denken!

von Katherina Knees

9. März 2018

Gerade wurde der Schweizer Komponist und Dirigent Beat Furrer mit dem Ernst von Siemens Musikpreis für sein Lebenswerk geadelt. Uns weiht er in seinen Schaffensprozess ein.

Gerade wurde der Schweizer Kompo­nist und Diri­gent Beat Furrer mit dem Ernst von Siemens Musik­preis für sein Lebens­werk geadelt. Uns weiht er in seinen Schaf­fens­pro­zess ein.

Ein paar Klicks, und schwupps, schon ist die Verbin­dung da. Dank Skype kann ich dem Kompo­nisten mühelos einen virtu­ellen Besuch abstatten, mitten in der Abge­schie­den­heit der , in die er sich zum Kompo­nieren gerne zurück­zieht. „Früher war es mir egal, wo ich kompo­niere. Aber jetzt brauche ich doch irgendwie Ruhe und kann keine Ablen­kung vertragen. Die Umge­bung hier erlaubt eine wunder­bare Konzen­tra­tion, einfach, weil es so still ist. Es gibt weit und breit keine Straße, keine Zivi­li­sa­tion. Das ist ein Ort, an dem ich sehr gut arbeiten kann. Auch die Konfron­ta­tion mit der Natur hier finde ich – ganz unro­man­tisch – sehr wohl­tuend. Und ich werde hier absolut auf mich selbst zurück­ge­worfen. Trotzdem bin ich kein Eremit.“ Beat Furrer schmun­zelt. Er wirkt sympa­thisch und reflek­tiert und strahlt eine ange­nehme Beson­nen­heit aus. Gerade wurde er für sein Lebens­werk mit dem ausge­zeichnet. Lebens­werk klingt ihm jedoch zu final. „Ich freue mich über die Wert­schät­zung und die Aner­ken­nung meiner Arbeit. Die Arbeit wird ja auch oft von Zwei­feln begleitet, und da ist eine Bestä­ti­gung nicht unwe­sent­lich. Der Preis kommt zur rechten Zeit, es gibt noch viel zu tun!“

Auch wenn Beat Furrer als Diri­gent immer wieder die Gele­gen­heit bekommt, zurück­zu­schauen und mit Werken zu arbeiten, die er vor vielen Jahren geschrieben hat, liegt sein Fokus auf den jeweils aktu­ellen Arbeiten. Gerade sitzt er an der Fertig­stel­lung seiner Oper Violetter Schnee, danach steht ein Violin­kon­zert auf dem Plan.

„Ich nenne es ‚Musik denken‘. Klang ist natür­lich ein physi­sches Ereignis, es gibt eine konkrete Vorstel­lung von Klang“

Als Professor für Kompo­si­tion an der Hoch­schule für Musik und Darstel­lende Kunst in teilt Beat Furrer seinen reichen Erfah­rungs­schatz mit seinen Studenten. „Es geht mir darum, ein Bewusst­sein dafür zu vermit­teln, dass die Arbeit eine Konti­nuität hat. Und dass wir nicht im geschichts­losen Raum hantieren. Und ich fordere meine Studenten dazu auf, sich zu arti­ku­lieren. Also nicht einfach nur zu sagen: „Ich schreibe das, weil ich es schön finde“, sondern zu hinter­fragen: „Warum finde ich das eigent­lich schön?“ Das ist noch inter­es­santer. Im Prinzip kann ich niemandem das Kompo­nieren beibringen, ich muss nur zur rechten Zeit die rich­tigen Fragen stellen“.

Als ich ihn bitte, mich in den Entste­hungs­pro­zess seiner Stücke einzu­weihen, lächelt Beat Furrer nach­denk­lich. „Das ist ganz schwer zu erklären. Ich nenne es ‚Musik denken‘. Klang ist natür­lich ein physi­sches Ereignis, es gibt eine konkrete Vorstel­lung von Klang. Aber es gibt eben auch ein Denken darüber, den Versuch, das zu fassen. Und Denken geschieht ja mittels der Sprache. Das ist ein Grenz­be­reich. Also ‚Musik denken‘ ist viel­leicht etwas zwischen formal logi­schem Denken und Klang erleben. Ich glaube, das ausge­tüf­teltste formale Konzept wäre ohne das physi­sche Erfahren von Klang wertlos.“

Wenn Beat Furrer die Arbeit an einem Stück abge­schlossen hat und es nach dem intimen Entste­hungs­pro­zess den Augen und Ohren von Inter­preten und Öffent­lich­keit ausge­setzt wird, entdeckt der Kompo­nist seine Werke selbst immer wieder neu. „In der ersten Inter­pre­ta­tion ist viel­leicht noch nicht alles reali­siert, was möglich wäre. Ein urauf­ge­führtes Werk viel­leicht noch nicht zum Leben erweckt, es entwi­ckelt sich über Jahr­zehnte. Das ist das Schöne. Dass ich mit einem Ensemble wie dem , dem oder dem Ensemble inter­con­tem­po­rain die Möglich­keit habe, Stücke immer wieder zu hören und weiter daran zu arbeiten – so fangen sie an zu leben. Manchmal, wenn ich eigene frühe Werke aus den 1980ern höre, denke ich, dass ich das heute nicht mehr so schreiben könnte, und doch ist es Bestand­teil meiner aktu­ellen Arbeit. Das ist wie der Blick auf ein Jugend­foto.“

Fotos: EVA Musikstiftung / Manu Theobald