Willi Sitte

Die sozia­lis­ti­sche Utopie in den Gemälden Willi Sittes

von Ruth Renée Reif

2. Oktober 2021

Willi Sitte war einer der bekanntesten Künstler der DDR. 2021 jährte sich sein Geburtstag zum 100. Mal. Am 3. Oktober 2021 eröffnet im Museum Moritzburg in Halle an der Saale die Retrospektive.

Willi Sitte gehörte zu den inter­na­tional bekann­testen Künst­lern der DDR. Anläss­lich seines 100. Geburts­tages zeigt das Kunst­mu­seum in , wo Sitte viele Jahre lang wirkte, erst­mals seit 198990 eine Retro­spek­tive seines Œuvres. Es will damit zur Aufar­bei­tung des als Staats­kunst bezeich­neten Werks beitragen. Sitte entstammte einer kommu­nis­ti­schen Familie aus Kratzau und trat 1936 dem Kommu­nis­ti­schen Jugend­ver­band bei.

Selbst­mord­ver­suche und Partei­ver­fahren

Während des Zweiten Welt­kriegs suchte er nach seiner Deser­tion Verbin­dung zu Parti­sanen in Italien. Da er nach dem Krieg nicht nach Kratzau zurück­konnte, zog er nach Halle, wo er der SED beitrat. Er wurde Mitglied der Volks­kammer und des Volks­ko­mi­tees der SED und damit einer der einfluss­reichsten Kultur­po­li­tiker der DDR. Aber er war auch Künstler, der mit der gefor­derten Unter­wer­fung unter die Normen des Sozia­lis­ti­schen Realismus zu ringen hatte und auf dessen Weg auch zwei Selbst­mord­ver­suche und Partei­ver­fahren standen.

Willi Sitte: Raub der Sabinerinnen
Auf der Suche nach dem eigenem Ausdruck: Willi Sitte: Raub der Sabi­ne­rinnen, 1953
(Natio­nal­ga­lerie, , Foto: bpk / Natio­nal­ga­lerie, SMB / Jörg P. Anders © VG Bild-Kunst, 2021)

Die Ausstel­lung zeigt jene Werke aus den 1940er-Jahren, die sowohl künst­le­risch als auch im Verhältnis zum Staat und zur Partei wich­tige Entwick­lungs­jahre für Sitte markieren, sowie groß­for­ma­tige Gemälde aus den 1950er- bis 1980er-Jahren. Auf der Suche nach einer Formen­sprache, die aus der Wirk­lich­keit abstra­hiert, malte Sitte zunächst reli­giöse Themen. Sein Leit­bild in diesen Jahren waren Pablo Picasso und dessen Anti­kriegs­ge­mälde Guer­nica und Massaker in Korea, was ihm den Vorwurf „spät­bür­ger­li­cher Deka­denz“ einbrachte.

Das Bild der Zukunft

Was Sitte anstrebte, war „das Bild der Zukunft“. 1958 fand er unter dem Einfluss von Renato Guttuso, dessen theo­re­ti­sche Ausfüh­rungen ihn beein­druckten, zu den groß­for­ma­tigen Ereignis- und Histo­rien­ge­mälden. So entstand Der Kampf der Thäl­mann-Brigade in , gefolgt von Memento-Stalin­grad. Leuna 1921 erin­nerte 1965 an den Gene­ral­streik im Mans­felder Berg­bau­re­vier, der in blutigen Kämpfen zwischen preu­ßi­schen Truppen und den Arbei­tern mündete.

Willi Sitte: Leuna
Der schöp­fe­ri­sche Mensch in der sozia­lis­tisch bestimmten Zukunft: Willi Sitte: Leuna 1969
(Natio­nal­ga­lerie, Staat­liche Museen zu Berlin, Foto: bpk / Natio­nal­ga­lerie, SMB / Klaus Göken © VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Mit der Form des Arbei­ter­tri­pty­chons stellte Sitte die Beru­fung der Arbei­ter­klasse zur Über­win­dung von Ausbeu­tung und Unter­drü­ckung von Indi­vi­duen und Völkern dar. In Leuna 1969 (Bild) zeigte er den schöp­fe­ri­schen Menschen in der sozia­lis­tisch bestimmten Zukunft, die die Arbei­ter­klasse erkämpft hatte. Sitte hielt auch über das Ende der DDR hinaus an seinen Über­zeu­gungen fest. So unter­sagte er eine Ausstel­lung seiner Bilder im Westen. Seine Arbeiten aus den letzten Jahren wie etwa das Selbst­bildnis mit Toten­kopf zeugen zuneh­mend von Enttäu­schung und Resi­gna­tion. Beglei­tend zur Ausstel­lung erscheint der Katalog.

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Weitere Informationen zur Retrospektive Sittes Welt im Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale unter: www.kunstmuseum-moritzburg.de

Fotos: Volker Naumann Fotografie / VG Bild-Kunst, Bonn 2021