Woher kommt eigentlich ...

Der Himmel voller Geigen?

von Stefan Sell

30. November 2017

»Die Musik ist eine Gabe und Geschenk Gottes, die den Teufel vertreibt und die Leute fröhlich macht.« Der Himmel voller Geigen – ein Ort göttlicher Glückseligkeit.

„Und weil ihr so gerne an diesem Reigen tanzt, dunkt euch der Himmel hänge voll Geigen“, tönt es vorwurfs­voll bei Luther. Im Himmel waren es die Engel, die auf diesem Instru­ment musi­zierten. Doch wie schnell ein Engel fallen und zum Teufel werden konnte, wusste auch Luther. Viel­leicht erwuchs hieraus die Idee, die Geige sei ein Instru­ment des Teufels. Den wiederum konnte man laut Luther mit Musik vertreiben: „Die Musik ist eine Gabe und Geschenk Gottes, die den Teufel vertreibt und die Leute fröh­lich macht.“ Der Himmel voller Geigen – ein Ort gött­li­cher Glück­se­lig­keit.

Süß bis zum Übel­werden

Als Grim­mels­hau­sens „Simpli­cius sich in die zweite Ehe gibt“, hieß es: „Ich ließ treff­lich zur Hoch­zeit zurüsten, denn der Himmel hing mir voller Geigen.“ Arnims und Bren­tanos Lieder­samm­lung Des Knaben Wunder­horn enthält ein Gedicht mit dem Titel Der Himmel hängt voll Geigen. In Shake­speare Was ihr wollt wird gefragt, ob ein Liebes­lied gesungen werden kann. Der Narr singt, und belo­bigt ob seiner „honig­süßen Stimme“, lautet die Antwort in Schle­gels Über­set­zung: „Ja, wenn man sie durch die Nase hört, süß bis zum Übel­werden. Aber sollen wir den Himmel voll Geigen hängen?“

1912 betrat in Leo Falls Der liebe Augustin die Bühne. Und Der Himmel hängt voller Geigen wurde zum Operet­tenhit. Der Drama­turg, Regis­seur und Libret­tist Ernst Welisch, dank seiner zahl­rei­chen Studien mit der Herkunft stehender Rede­wen­dungen vertraut, hatte gemeinsam mit Rudolf Bernauer das Libretto verfasst. Doch ursprüng­lich hieß die Operette Der Rebell. Unter diesem Titel fand sie zunächst ihr Publikum nicht.

Welt­weiter Siegeszug

As Fünf­jäh­riger hatte Leo Fall bei seinem Vater Geige spielen gelernt. Wie der Vater von war Falls Vater Kompo­nist und Mili­tär­ka­pell­meister. Mit 16 spielten Leo und Franz zusammen Geige in der Kapelle von Franz Lehár senior. Ob die beiden dort himm­li­sche Töne geigten oder wie zwei Teufels­geiger spielten, ist nicht über­lie­fert. Bei Lehár heißt es später: Lippen schweigen, ’s flüs­tern Geigen.

Lippen schweigen, ’s flüs­tern Geigen, das singt Danilo im Duett der Lustigen Witwe zu. Lehárs Operette löste 1905 Falls Rebell nach nur fünf Auffüh­rungen am Theater an der ab und trat ihren welt­weiten Siegeszug an. Sieben Jahre sollte es dauern, bis Fall seine Operette mit Welisch und Bernauer zu Der liebe Augustin umar­bei­tete. Nun war das Publikum begeis­tert.

Eine miss­glückte Operette zum Erfolg

Wie man eine miss­glückte Operette zu einem Erfolg macht, muss Lehár von Fall gelernt haben, denn als 1923 Lehárs Die gelbe Jacke floppte, in der doch im dritten Akt so schön duet­tiert wurde Es hängt der Himmel voller Geigen, brauchte er im Gegen­satz zu Fall nur sechs Jahre, um mit der Neufas­sung zu trium­phieren: Das Land des Lächelns. In einem Inter­view soll Lehár einmal gefragt worden sein, ob er Konkur­renten habe? Seine lapi­dare Antwort: „Das ist der Fall.“

Ob Luther oder Goethes Mutter, die im Januar 1793 einen Brief an ihren Sohn endigte: „deine treue Mutter Goethe. P. S.: Jetzt hangt hir der Himmel voller Geigen – alle Tage wird gedanzt!“, der Geigen­himmel ist und bleibt eine schöne Vorstel­lung, die auch die Puhdys gern besangen: „Mal hängt der Himmel voller Geigen, mal sind die Sterne über­haupt nicht mehr zu seh’n.“

Fotos: gemeinfrei