Yaniv d’Or

»Meine Stimme ist mein Zuhause«

von Dorothea Walchshäusl

25. Oktober 2018

Der Countertenor Yaniv d’Or ist ein feinsinniger Exot in der Welt der Klassik. Nun erscheint sein neues Album „Exaltation“ als Höhepunkt einer außergewöhnlichen Trilogie.

Der Coun­ter­tenor Yaniv d’Or ist ein fein­sin­niger Exot in der Welt der Klassik. Nun erscheint sein neues Album „Exal­ta­tion“ als Höhe­punkt einer außer­ge­wöhn­li­chen Trilogie.

hat lange nach seiner Heimat gesucht. Er hat sie in sich selbst gefunden. Und zählt heute zu den span­nendsten, unge­wöhn­lichsten Künst­lern seines Fachs. Der Coun­ter­tenor kam 1975 in Holon in Israel auf die Welt und fand über das Klavier zur Musik. Später entdeckte er die poly­fone Kirchen­musik für sich und die großen klas­si­schen Kompo­nisten. „Auf der High­school hatte ich Musik als Schwer­punkt und habe Mahler kennen­ge­lernt, Wagner, Händel und Monte­verdi … Es war eine Offen­ba­rung“, erzählt er. Doch bald schon fiel seine außer­ge­wöhn­liche Stimme auf: füllig, kraft­voll, ein Coun­ter­tenor, der mit sattem Vibrato und eindring­li­cher Dynamik die ganze Gefühls­pa­lette ausdeuten kann. D’Ors Stimme hat wenig gemein mit der schlanken, schwe­benden Eleganz mancher seiner Stimm­fach­kol­legen. Bei ihm ist immer der ganze Körper spürbar. Und bis heute schwingt eine gewisse Wild­heit mit. Was ihm während seines Studiums an der Guild­hall School of Music and Drama in London durchaus Probleme berei­tete. „Ich war immer ein wenig Außen­seiter“, sagt Yaniv d’Or. Harte Kämpfe habe er fechten müssen, um sich selbst treu zu bleiben. „Keiner wusste, in welche Schub­lade er mich stecken soll“, erin­nert sich d’Or. „Für einen Opern­sänger habe ich mich zu sehr für tradi­tio­nelles Liedgut inter­es­siert, für Barock­musik zu viel Vibrato genommen. Es war ein langer Weg. Heute aber fühle ich mich komplett und frei. Meine Stimme ist mein Zuhause.“

„Für einen Opern­sänger habe ich mich zu sehr für tradi­tio­nelles Liedgut inter­es­siert, für Barock­musik zu viel Vibrato genommen“

Meist ist Yaniv d’Or auf den Opern­bühnen dieser Welt zu erleben – als Rinaldo, Giulio Cesare, . Auf seinen Alben spürt der 43-Jährige das musi­ka­li­sche Erbe seiner Vorfahren auf, mischt alte mit neuen Klängen und kompo­niert auch selbst. D’Or nennt diese Mixtur „Folk Barock“, und auch sein neuestes Album „Exal­ta­tion“ zeugt davon. Es ist nach „Liquefacta Est“ und „Latino-Ladino“ der Abschluss einer Trilogie, auf der er die unter­schied­li­chen musi­ka­li­schen Tradi­tionen der drei mono­the­is­ti­schen Reli­gionen erkundet. Hier wird er zum Brücken­bauer, der da Gemein­sam­keiten aufzeigt, wo andere Grenzen ziehen – musi­ka­lisch wie mensch­lich. „Ich will kein Klischee aufti­schen. Aber es gibt so viel Tumult, Ausgren­zung und Angst in unserer Welt. Dabei ist für jeden Platz. Wir alle wollen gehört werden. Wir alle sehnen uns nach Liebe.“ Mit seiner Musik deutet Yaniv d’Or dieses urmensch­liche Streben klang­sinn­lich aus, begleitet von seinem Ensemble NAYA, das mit klas­si­schen und orien­ta­li­schen Instru­menten aus Ost und West Klang­farben mischt.

Unter „Exal­ta­tion“ versteht d’Or einen Zustand voll­kom­mener Einheit. „Momente, in denen man sich verbunden fühlt mit der Welt, entspannt, ruhig, fried­fertig, ganz bei sich und zugleich weit weg.“ Er selbst erreiche diesen Zustand immer wieder auf der Bühne: „Ich schlüpfe komplett in eine Rolle, ich werde die Person, die ich singe. Distan­ziert singen kann ich nicht“, stellt er fest. Es müsse auch gar nicht alles korrekt und exakt sein. Statt­dessen sei das Singen für ihn ein Zustand, „der Körper und Seele glei­cher­maßen packt“. Dann fühlt Yaniv d’Or sich ganz zu Hause.

Fotos: Ronen Ackermann