Hervorgehoben

Jetzt verfügbar: mein Buch „Publikumsschwund?“

Ich freue mich, dass mein Buch

„Publikumsschwund? Ein Blick in die Theaterstatistik seit 1949“

erschienen ist.

Der Begriff “Publikumsschwund” tauchte gegen Ende der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf. Die Kulturszene war davon ausgegangen, dass das Publikum in großen Scharen schnell wieder in die neu eröffneten Kulturtempel zurückkehren würde. Dem war nicht so – und Teile der Kulturanbieter haben sich bis heute nicht wieder von dem Einschnitt erholt. Da stellt sich die Frage: War die Pandemie ein “Brandbeschleuniger” und hat nur vorhandene Trends verstärkt bzw. sichtbar gemacht?

Diese Frage beleuchtet mein Buch “Publikumsschwund?” mit einem ausführlichen Blick auf die Entwicklungen, die in den jährlich erscheinenden Theaterstatistiken des Deutschen Bühnenvereins seit Beginn der 50er Jahre dokumentiert sind. 

Nach einer kritischen Einschätzung der Theaterstatistik an sich liegt damit erstmals seit 1987 ein vergleichender Überblick über die Entwicklung der Sparten Oper, Operette, Musical, Tanz, Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater vor. Erstmals werden auch die Zahlen aus der jährlichen Theaterstatistik der DDR mit einbezogen, die ca. 5 Mio. “neuen” Theaterbesuche in der Theaterstatistik für die Spielzeit 1991/92 sind ja nicht vom Himmel gefallen. Die Zahlen der Theaterstatistik des Bühnenvereins stehen aber nur für einen Ausschnitt des deutschen Theaterlebens. In einem weiter gefassten Bogen nehme ich auch die Besuchszahlen der INTHEGA-Theater (Interessengemeinschaft der Theater mit Gastspielen, vom Bühnenverein früher gerne als “theaterlose” Städte bezeichnet), der privaten Theater (teils in der Theaterstatistik enthalten, teils nicht) und der kommerziellen Anbieter mit in den Blick. Dies ist der Versuch einer umfassenderen Kulturstatistik, die dann doch zu erstaunlichen Ergebnissen kommt.

Auch die Vertriebskanäle werden analysiert: Wie haben sich die Anteile von Abonnements oder Besucherorganisationen wie der Volksbühne an den Besucherzahlen entwickelt? Und wie ist die Entwicklung verlaufen von kostenlosen oder kostengünstigen Dienst-, Frei-, Ehren-, Steuer- oder Gebührenkarten? 

Als Bonus-Kapitel gibt es einen vergleichenden Blick auf die jährlich versetzt erscheinende Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Die beiden Statistiken sind NICHT miteinander vergleichbar, das ist aber nicht allen Marktbeobachtern klar.

Neben den Besuchen wird auch die Personalsituation an den Bühnen betrachtet, das Verhältnis von Veranstaltungen und Besuchen sowie der Betriebszuschuss nach Bundesländern in der langjährigen Entwicklung (inkl. einer inflationsbereinigten Darstellung des Betriebszuschusses pro Platz).

Abgerundet wird der Band durch den Blick auf weitere Besuchszahlen, z. B. in den Kinos, und die Entwicklung der Mitgliederzahlen in Kirchen und Gewerkschaften sowie weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.

Das Vorwort stammt von Prof. Dr. Armin Klein, bekannt durch seine zahlreichen Bücher, Fachartikel und Vorträge zum Thema Kulturmarketing. Großes Aufsehen erregt hat 2012 das Buch “Der Kulturinfarkt”, das er gemeinsam mit Prof. Dr. Dieter Haselbach und weiteren Autoren veröffentlicht hat. Leider ist er im letzten Jahr und viel zu früh verstorben und erlebt die Publikation nicht mehr, zu der er mir sehr zugeraten hatte.

Die Zahlen der Theaterstatistik haben in Fachkreisen eine große Bedeutung. Sie werden in den statistischen Jahrbüchern der Länder und des Bundes aufgenommen. Sie spielen bei kulturpolitischen Entscheidungen eine Rolle. Eine nationale Theaterstatistik ist daher notwendig. Allerdings gibt es erhebliches Entwicklungspotential, sei es unter den Fittichen des Deutschen Bühnenvereins, des BKM unter der Leitung der Staatsministerin Claudia Roth oder z. B. der Kulturpolitischen Gesellschaft.

In einer Zeit, in der der Publikumsschwund bei manchen kulturellen Angeboten deutlich sichtbar wird (zum Glück nicht bei allen), liefert das Buch eine fundierte Analyse der sichtbaren Trends. 

Das Buch richtet sich an Kulturpolitiker, Kulturinteressierte, Veranstalter, Künstler und alle, denen die Zukunft von Theater, Oper und Konzert am Herzen liegt.

Ich lade Sie/Dich herzlich ein, das Buch zu lesen und darüber zu berichten. Rezensionsexemplare bitte anfordern bei Franziska Remeika beim Verlag: remeika@metzlerverlag.de.

Save-the-date: Für Mittwoch, den 12. Juni, plant Kulturmanagement.net ab 10 Uhr eine Live-Veranstaltung im Internet zur Veröffentlichung von “Publikumsschwund?”. Einzelheiten folgen dort, in meinem Blog, auf LinkedIn und auf Facebook.

Vielen Dank für Ihr/Dein Interesse!

Mit freundlichen Grüßen,

Rainer Glaap

PS: Vor kurzem erschienen ist mein Buch „Stricken verboten!“ Darin geht um die historischen Theatergesetze, die seit Anfang des 18. Jh. von Frankreich ausgehend auch Deutschland erobert haben. Viele Themen in diesen Gesetzen beschäftigen uns heute noch, so z. B. die Auseinandersetzungen um Arbeitszeit, Freizeit, Bezahlung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie etc. pp. (Ich verweise hier auf die Tarifverhandlungen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Gewerkschaft Deutscher Bühnenangehöriger, wo viele dieser Themen eine große Rolle spielen). Es ist ein kleines, manchmal amüsant zu lesendes, Büchlein mit einer historischen Einordnung. Es enthält den vollständigen Text der Bremer Theatergesetze von 1820 sowie einem Vorschlag für Leipziger Theatergesetze aus dem Theaterlexikon von 1841. Das Buch ist bei ePubli erschienen und sowohl als eBook als auch im Print verfügbar

Bezugshinweise:

“Publikumsschwund?” – eBook (Kindle), €20,99
“Publikumsschwund?” – eBook (PDF), €29,99
“Publikumsschwund?” – Print, €37,99
“Stricken verboten!” – eBook, €2,99
“Stricken verboten!” – Print, €8,99

Mein Blog zum Thema: https://publikumsschwund.wordpress.com/

»Wenn ich an das Publikum denke, drehe ich durch.« • VAN Magazin

Wunderbares Interview mit dem Opernregisseur Calixto Bieito.

https://van-magazin.de/mag/calixto-bieito/

nachtkritik-Autor verzweifelt am Theater

By Adrien Barrère – This file comes from Gallica Digital Library and is available under the digital ID btv1b9005896h, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17738352

nachtkritik-Kolumnist Atif Mohammed Nour Hussein verzweifelt manchmal an der in sich geschlossenen Theaterwelt und schreibt in seiner Kolumne „Grand Guignol1 2 im Opernhaus – Wenn Theater überwältigt“ unter dem Titel „Nur halbwegs zusammengesetzt„:

Wann bin ich da verloren gegangen?, fragt sich unser Kolumnist im Rückblick auf seine letzten Theaterbesuche. Bei denen ihn weder der unverständliche Inhalt noch die überfrachtete Inszenierung erreichten, obwohl er die Ausgangstexte kannte, ja gezielt ausgesucht hatte. Übers Nicht-folgen-können und seine Gründe. […]

Wann ist das passiert, dass Inszenierungen derart kodifiziert sind, dass trotz Seherfahrung und hoher Konzentration so wenig eindringt in mich?

Ich bin sicher, er ist nicht alleine. Das scheint mir vielmehr eine weit verbreitete Erkenntnis nach Theaterbesuchen zu sein, ich schließe mich da durchaus an.

Quelle: https://www.nachtkritik.de/atif-mohammed-nour-hussein/kolumne-grand-guignol-im-opernhaus-wenn-theater-ueberwaeltigt

  1. Grand Guignol = Großes Kasperle (Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Grand_Guignol) ↩︎
  2. https://en.wikipedia.org/wiki/Grand_Guignol ↩︎

Zu wenige Tickets verkauft: Oberammergauer Passionstheater sagt Stück „Der Rebell“ ab | BR24

https://www.br.de/nachrichten/bayern/oberammergauer-passionstheater-sagt-stueck-der-rebell-ab,UCBXrVh

Rekordsaison am Konzerthaus Dortmund – Zahlen sprengen die Erwartungen

Konzerthaus Dortmund
Bild: Hans Jürgen Landes, Fotograf, Ralf Schulte-Ladbeck, Architekt,
CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

PRESSEINFORMATION
Seit den Eröffnungsjahren hat das Konzerthaus noch nie so viele Karten verkauft wie
in der aktuellen Saison 2023/24.
Die Corona-Pandemie und deren Folgen hat den Kultureinrichtungen schwer zu schaffen
gemacht. Nach der Pandemie wieder die Auslastung der Vor-Corona-Zeiten zu erreichen,
hat sich als große Herausforderung erwiesen. Das Konzerthaus Dortmund hat in der
aktuellen Saison 2023/24 nicht nur die Werte der Vor-Corona-Zeiten erreicht, sondern
verzeichnet bereits jetzt die höchsten Verkaufszahlen seit den Eröffnungsjahren 2002–2004.
„Die Entwicklung ist extrem erfreulich“, sagt Konzerthaus-Intendant Raphael von
Hoensbroech. „Wir haben zu Beginn dieser Saison gehofft, wieder die Besucherzahlen aus
der Zeit vor dem Corona-Knick zu erreichen, doch wir übertreffen sie sogar. Die aktuellen
Zahlen sprengen unsere Erwartungen.“
In den bisher 89 von insgesamt 113 Eigenveranstaltungen hat das Konzerthaus bereits jetzt
den besten Umsatz und die höchste Auslastung seit der Eröffnungssaison 2002 erzielt. Seit
September 2023 waren rund 90.000 Besucherinnen und Besucher im Konzerthaus
Dortmund. Das sind schon zum jetzigen Zeitpunkt rund 25 Prozent mehr Besucher als in der
gesamten vorherigen Saison 2022/23. Damit waren nur die Saisons 2002/03 und 2003/04
kurz nach der Eröffnung besser besucht – in beiden Spielzeiten fanden aber auch mehr
Konzerte statt: 146 in der ersten und 118 in der zweiten Saison.
Der Erfolg lässt sich laut Intendant Raphael von Hoensbroech nicht an einzelnen Ursachen
festmachen. „Es gibt eine Vielzahl von Gründen“, sagt Raphael von Hoensbroech. „Unser
Ziel ist es, als Konzerthaus nahbar zu sein und dem Publikum einen Raum zu bieten, in dem
es emotional berührt wird. Dafür machen wir ein Programm, das sehr unterschiedliche
Bedürfnisse anspricht und immer eine sehr hohe Qualität hat. Hinzu kommt, dass wir unsere
Kommunikation neu ausgerichtet haben.“
Anne-Katrin Röhm, Leiterin Strategisches Marketing, Kommunikation und Vertrieb: „Wir
haben uns bereits vor Corona sehr intensiv damit beschäftigt, wie wir neue Besucherinnen
und Besucher für das Konzerthaus Dortmund gewinnen können und dazu eine groß
angelegte Marktforschungsstudie durchgeführt, nach der wir unsere Kundenansprache
sukzessive neu aufgestellt haben. Unsere Kampagne setzt weniger auf die Namen einzelner
Künstlerinnen und Künstler, sondern knüpft auf einer emotionalen Ebene an – damit gehen
wir neue Wege und sorgen dafür, dass unser Programm möglichst viele Menschen erreicht.
Diese Arbeit zahlt sich jetzt offensichtlich aus.“

03.04.2024
Anastasia Päßler
Pressesprecherin
T 0231 22 696 141
anastasia.paessler@konzerthaus-dortmund.de

Der neue Klassik-Knigge des NDR

Adolph Freiherr von Knigge (Wikipedia)

Bei dem Begriff „Knigge“ stellen sich vielen die Haare auf. Man denkt schnell an ein altväterliches Benimmbuch und Schläge auf die Hände mit dem Lineal oder Schlimmeres, wenn man sich nicht richtig benimmt. Dieser Gedanke beruht auf einem Missverständnis, Knigge verstand sich als Aufklärer und schrieb dazu das Buch „Über den Umgang mit Menschen„, Benimmregeln fügt der Verlag erst nach seinem Tode hinzu.

„Richtiges Benehmen“ ist ja in der Kultur gelegentlich Thema. Immer wieder gibt es Bücher wie Daniel Hopes „Wann darf ich klatschen?“ oder Christiane Tewinkels Buch „Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert langweile?“. Viele Menschen fühlen sich vom Klassik- und Theaterbetrieb ausgeschlossen, weil sie Angst haben, sich falsch zu verhalten, falsch anzuziehen usw. – sicher auch ein Teilhabeproblem. Die Bertelsmann-Studie zum Musikbetrieb im letzten Frühjahr sowie die IKTF-Studien in Berlin zeigen klar auf, dass große Teile der Bevölkerung sich nicht angesprochen fühlen von den Angeboten.

Jetzt hat der NDR mit einem Klassik-Knigge mit dem queeren Hamburger Tarik Tesfu nachgelegt und versucht sich beim Influencer-Marketing. Das Ziel ist natürlich die Erschließung neuer Publikumsschichten, indem man ihnen die „Angst“ vor einem Konzertbesuch nimmt.

Ob das gelingt, ist offen – und die Erfolgsmessung wird nicht einfach, sollte sie überhaupt jemand versuchen … Ein „gefällt“ mit 74x ist da auch noch nicht die Welt …

Den Hinweis auf diese Initiative des NDR verdanke ich der Folge 84 des Podcasts von Axel Brüggemann und Dorothea Gregor „Alles klar, Klassik?“ mit dem Titel „Klassik-Knigge mit Hafermilch“ (hier: https://alles-klar-klassik.podigee.io/84-new-episode, auch auf Spotify u.a. Plattformen).

Sind US-amerikanische Museen zu teuer?

Quelle: A Hopper-style painting, created by MS CoPilot

The Economist berichtet am 27.3.24 über Preiserhöhungen in vielen bekannten Museen:

In October moma started charging $30, the latest in a series of price rises.

moma is not the only museum raising the cost of admission. The Metropolitan Museum in New York ended its longstanding “pay what you will” policy for out-of-town visitors in 2018 and raised general admission for them to $30 in 2022. Last summer the San Francisco Museum of Modern Art, the Philadelphia Museum of Art, the Whitney Museum and the Guggenheim Museum all followed suit, bumping a standard ticket from $25 to $30.

Auch deutsche und andere Museen werden mit Preiserhöhungen genannt.

Es besteht natürlich überall die Angst, dass höhere Preise Menschen vom Besuch abhalten könnten… Manche Beobachter der Szene fordern daher freien Eintritt für alle oder niedrigere Preise (das Thema habe ich in mehreren Blogbeiträgen behandelt).

Aber, und auch das ist eine bekannte Erkenntnis:

Yet significantly reducing costs may not actually do much to attract new audiences either. In both America and Europe, people say that price is just one of several factors when it comes to deciding what to do with their leisure time. If tickets were free, “people who typically come anyway might come more often. Otherwise, you’re not really changing your demographic,” says Michael Rushton, an economist at Indiana University who studies pricing in the arts.

Quelle: Museums are becoming more expensive, The Economist, 27.3.2024

Mehr von Michael Rushton: https://www.artsjournal.com/worth/

Reißerisch, aber rechnerisch sicher richtig

Bild: WordPress

So titelt die BZ:

„Kultur-Kosten: Auf diesem Stuhl schenkt Berlin Ihnen 272 Euro“

Von Besuchszahlen 10% unter Corona-Niveau ist in dem Bericht aber nicht die Rede, lt. BZ zeigt sich der Kultursenator Joe Chialo zufrieden über das Jahr 2023.

Zum Betriebszuschuss heißt es:

„XXL-Zuschüsse je Besucher bekommen Komische Oper (272 Euro), Ballhaus Naunynstraße (466 Euro), Tanzfabrik (326 Euro).“

Die Zahlen sind nicht mit den Zahlen des Deutschen Bühnenvereins abgleichbar, da die Theaterstatistik immer in Spielzeiten „denkt“ und in der Regel mit einem Abstand zur Spielzeit von 1,5 Jahren erscheint (aktuell verfügbar ist die Theaterstatistik 2021/22).

Quelle:

https://www.bz-berlin.de/berlin/auf-diesem-stuhl-schenkt-ihnen-berlin-272-euro

Berliner Kultur-Einrichtungen in 2023 noch 10% unter Vor-Corona Niveau

Bild: WordPress

Das berichtet der RBB am 28.3.2024:

„Die Theater und Orchester in Berlin haben insgesamt noch nicht an alte Besuchszahlen der Vor-Corona-Zeit anschließen können. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Häuser nach Angaben der Kulturverwaltung vom Donnerstag zusammen 3.061.809 Besucherinnen und Besucher. Im letzten Jahr vor der Pandemie konnten 2019 mit 3.315.161 Tickets noch rund zehn Prozent mehr verkauft werden.“

Quelle: https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2024/03/berliner-theater-orchester-besucher-zahlen-gering-vor-corona-pandemie.html

Der beste Platz im Konzert ist…

Saalplan, von MS Copilot erstellt

… in der ersten Reihe, am Rand oder auf dem Balkon?

Im Kino sitzt man am besten in der letzten Reihe, in der Oper in der ersten. Oder? Manche Zuschauer wollen im Theater, der Oper oder im Konzert immer in der ersten Reihe sitzen, weil dort die Plätze am teuersten sind – und annehmen, dass diese Plätze auch die besten sind.

Kritiker, die von der Premiere berichten sollen, setzen die Verantwortlichen in den Theatern jedoch nicht in die erste, sondern je nach Größe des Zuschauerraums eher in die sechste oder siebte Reihe. Einige Vertreter dieser Zunft bevorzugen allerdings Randplätze, damit sie jederzeit schnell flüchten können, ohne dabei jemanden aufscheuchen zu müssen.

Wie findet man nun heraus, welches der beste Platz ist?

Das ist nicht leicht zu sagen. Für einige große Opernhäuser gibt das Büchlein „Einsteins Violine“ Hilfestellung. So gilt die Loge #18 in der Mailänder Scala als hervorragend, im Opernhaus Zürich die Reihe 16 im Parkett mit den Plätzen 6 und 7, in der Bayrischen Staatsoper dagegen wird der Balkon, Reihe eins mit den Plätzen eins und drei empfohlen. In Sonderfällen kann es auch Überraschungen geben: man hat die Reihe eins gebucht, sitzt aber nicht in der ersten Reihe. Das passiert, wenn der Orchestergraben nicht benötigt und überbaut wird. Da hat die Reihe eins auch schon mal die Reihen A – F vor sich …
Wer richtig hineingesogen werden will in die Handlung eines Theaterstücks, ist sicher in den vorderen Reihen gut aufgehoben, wer ein großes und komplexes Bühnenbild in seiner Gänze aus der Perspektive des Architekten sehen will, wird auf dem Balkon glücklicher. Wer in der Oper Übertitel mitlesen will, muss aufpassen, nicht unter dem Balkon zu sitzen – dort sind Übertitel oft nicht mehr zu sehen. In der ersten Reihe in der Oper möchte man keine Übertitel lesen, da sollte man textfest sein – sonst wird man nach einer mehrstündigen Opernaufführung an Genickstarre leiden.

RIECHEN, HÖREN ODER SEHEN?

Auch olfaktorische Aspekte sind nicht zu vernachlässigen – in der ersten Reihe bei Tanzveranstaltungen riecht man gelegentlich die Anstrengungen der Tänzer. Und in Comedy-Shows oder im Zirkus (nicht wirklich unser Thema hier) kann man als Zuschauer in den vorderen Reihen auch schon mal auf der Bühne landen – als Mitspieler.

Im Konzert liegt die Sache wieder anders: als Musikliebhaber möchte man einen perfekten Höreindruck, man möchte das Orchester sehen, den Dirigenten und am liebsten noch die Solistin – und von dieser die Hände, wenn es sich um eine Pianistin handelt. Wenn die Zuschauerränge nicht ansteigen, was in Konzertsälen wie der Glocke in Bremen der Fall ist, sind in einem solchen Fall wahrscheinlich die Reihen fünf bis sieben etwas links von der Mitte vorzuziehen – ob sie noch verfügbar sind, ist natürlich eine andere Frage. In Konzertsälen wie der Philharmonie Berlin, dem Gewandhaus oder der neuen Elbphilharmonie in Hamburg mit ihrer Weinberg-Architektur – das Orchester spielt in der Mitte, die Zuschauer sitzen rund herum – hat man sogar die Chance, bei entsprechender Platzwahl den Dirigenten von vorne bei der Arbeit zu betrachten – muss aber in Kauf nehmen, auf die Rücken der Musiker zu schauen und muss möglicherweise Abstriche beim Ton machen.

Für die Großgewachsenen unter den Zuschauern kann auch die Beinfreiheit ein wichtiges Thema sein. Da hilft es manchmal, am Mittelgang oder am Rand zu sitzen, damit man gelegentlich die Beine zur Seite ausstrecken kann. Legendär sind die Sitze im Festspielhaus in Bayreuth – wer Wagner sehen will, muss leiden – oder sich sein eigenes Sitzkissen mitbringen, die Sitze sind nämlich nicht gepolstert.


Die meisten Veranstalter bieten übrigens bei der Buchung zwei Möglichkeiten an: die Sitzplatzsuche im Saalplan, bei der es gut ist, wenn man den Zuschauerraum aus früheren Besuchen schon kennt, oder die Bestplatzsuche, bei der der Computer den besten noch verfügbaren Platz anbietet. Der Computer weiß, welches der nächste beste Platz ist, weil der Veranstalter das bei der Programmierung des Saalplans nach bestem Wissen und Gewissen festlegt, Platz für Platz – und der Computer arbeitet diese Liste bei Anfragen ab. Manche Veranstalter bieten auch eine Sitzplatzvorschau von jedem Platz aus an – hier hat ein Fotograf von jedem Platz aus ein Foto von der Bühne gemacht. Bei der Buchung kann diese Sicht dann angezeigt werden (z. B. im Konzerthaus Berlin und der Scala in Mailand). Für Opern- oder Theateraufführungen sind diese Sitzplatzvorschauen nicht immer ausreichend, da die Sicht von einem Platz auch je nach Bühnenbild sehr unterschiedlich sein kann.

AN DER FRISCHEN LUFT

Bei Open-Air-Vorstellungen im Rahmen von Festspielen sitzt man oft im Freien – hier kann es je nach Wetterlage angebracht sein, Kissen und Regenbekleidung mitzunehmen. Schirme sind in der Regel nicht erwünscht – die verhindern den Blick auf die Bühne für die weiter hinten Sitzenden. Manche Open-Air-Bühnen bieten Teilüberdachungen, möglicherweise gegen einen Aufpreis – das hilft nicht nur gegen Regen, sondern auch gegen starken Sonnenschein. Die Bregenzer Festspiele gehen bei Dauerregen einen anderen Weg: ein Teil der Zuschauer kann bei Regen ins Festspielhaus wechseln, wo die Aufführung konzertant (ohne Bühnenbild) gegeben wird – die anderen gehen nach Hause …

ENTSCHEIDUNGSHILFEN

Der Preis eines Tickets kann ein Indikator für die Güte des Platzes sein, muss es aber nicht. Meistens stellen die Veranstalter Saalpläne mit vielen bunten Kästchen bereit – je Preis eine Farbe. Daran kann man sich orientieren. Oder Sie buchen Ihre Tickets telefonisch oder persönlich an der Kasse – die Mitarbeiter der Veranstalter werden Ihnen sicher gerne Auskunft zur Qualität der gewünschten Plätze geben.

Zu guter Letzt: Für kleinere Veranstaltungsorte gibt es häufig Einheitspreise mit und ohne Platzwahl. Bei Letzterem hilft nur eins: beim Einlass ganz vorne stehen – dann hat man die freie Wahl für den besten Platz.

Die Entscheidung, wohin Sie als Zuschauer sich in der geplanten Aufführung setzen, kann Ihnen niemand abnehmen – je früher Sie allerdings buchen, desto größer ist die Auswahl.

[Erstmals 2017 veröffentlicht im Eventim Klassikportal]