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Kommentar zum vorläufigen Aus für den Nürnberger Konzertsaal Schock für die Bayerische Musik-Szene

Das coronabedingte, vorläufige Aus für den geplanten neuen Konzertsaal in Nürnberg ist ein Schlag ins Gesicht der fränkischen Kulturszene. Und nur einer von vielen. Gab es wirklich keine andere Lösung? Ein Kommentar.

Konzerthaus Nürnberg: Team Johannes Kappler Architektur und Städtebau GmbH (Nürnberg) in Arbeitsgemeinschaft mit Super Future Collective (Nürnberg) und Topotek 1 Architektur GmbH (Berlin/Zürich) | Bildquelle: Johannes Kappler Architektur und Städtebau

Bildquelle: Johannes Kappler Architektur und Städtebau

Nein, 2020 ist kein gutes Jahr für die Kultur. Und schon gar nicht für die Kultur in Nürnberg. Vor nicht einmal vier Wochen gab es die bittere Enttäuschung über geplatzte Kulturhauptstadtträume und heute nun das Aus des geplanten neuen Konzerthauses. Auch wenn der Oberbürgermeister der Stadt, Marcus König, in der heutigen virtuellen Pressekonferenz lediglich von einem "Moratorium" gesprochen hat, ist mit dem heutigen Tag klar: dieses so dringend benötigte, akustisch wettbewerbsfähige neue Konzerthaus wird es in den kommenden Jahren nicht geben. Obwohl König nicht müde wurde, immer wieder zu unterstreichen, dass man den Neubau "im Moment" aufgrund der durch Corona schwerst angeschlagenen Haushaltslage nicht weiter verfolgen könne. Aber war es zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nötig, gleich in die Vollbremsung zu gehen? 

Alle städtischen Bauprojekte im Kulturbereich auf Eis gelegt

Dr. Adamski-Störmer vor BR-Banner beim Workshop "Konzertmanagement" | Bildquelle: BR Ursula Adamski-Störmer ist Leiterin der Musikabteilung des BR-Hörfunks in Franken | Bildquelle: BR Keine Frage, die Corona-Pandemie kostet die öffentlichen Haushalte Milliarden. Fehlende Steuereinnahmen reißen riesige Haushaltslöcher in die Kassen. Die Gesamtverschuldung der Stadt Nürnberg beläuft sich im Haushalt 2021 auf rund 1,74 Milliarden Euro. Selbstverständlich ist es angesichts einer solchen Misere von der Stadtspitze nur verantwortlich, den Haushalt einer Generalinventur zu unterziehen und auch Maßnahmen, Planungen auf den Prüfstand zu stellen. Nicht selbstverständlich jedoch aber muss es sein, hier den Scheinwerfer gleich – na worauf denn wohl? – auf die Kultur zu richten und damit alle städtischen Bauprojekte im Kulturbereich auf Eis zu legen.

Hat nicht die Stadtspitze nach der verlorenen Kulturhauptstadtbewerbung am 28. Oktober dieses Jahres gebetsmühlenartig immer wieder und wieder betont, an den zukunftsweisenden Kulturprojekten gerade auch im Baubereich dennoch festzuhalten? Auch da waren die finanziellen Rahmenbedingungen, die Corona uns als Fakten in der Zukunft aufdrückt, bereits bekannt. Und nun, drei Wochen später, ist alles anders?

Warum nicht Planungen wenigstens zu Ende bringen?

Man habe, so König und die zweite Bürgermeisterin Prof. Julia Lehner, in einer solchen Lage zu allererst die Verantwortung, dringend notwendige Renovierungen im Gebäudebestand anzugehen, bevor Gelder in neue Gebäude fließen können. Und sie meint damit u.a. die zweifelsfrei notwendige Sanierung des Opernhauses wie auch der in die Jahre gekommene Meistersingerhalle. Die mangelhafte Akustik wollen wir hier gar nicht erst ansprechen… Sanierung geht vor Neubau, ist die Devise. Nachvollziehbar.

Aber was wäre denn, wenn man wenigstens die Planungen zum Neubau des Konzerthauses beenden würde und dann die fertigen Pläne erst einmal auf Eis legen würde. Die Planungsphase des Konzerthauses steht ohnehin kurz vor dem Abschluss. Stattdessen werden nun die dreiviertel fertigen Pläne in den Schubladen verstauben und irgendwann endgültig zu Grabe getragen. Ein schleichender Tod auf Raten.

Finanzieller Topf für Neubau wohl für Jahrzente geschlossen

Wenn man nur einen kurzen Blick auf das bis 2030 kalkulierte Investitionsbudget von 500 Millionen Euro wirft, die der Kämmerer der Stadt allein für die Sanierung des Opernhauses veranschlagt hat, und dann noch die veranschlagten 100 Millionen für die Sanierung der Meistersingerhalle on top rechnet, ahnt man, dass nach solchen Sanierungskosten der Topf für einen Neubau eines Konzerthauses in Nürnberg für lange Jahrzehnte verplombt ist. Zumal das Beispiel der Stuttgarter Opernhaussanierung uns derzeit lehrt, wie rasant Opernhaussanierungskosten auch schon einmal die Milliardenhürde reißen können. Keine Frage: Das Opernhaus bedarf dringender Sanierung. Das ist unaufschiebbar, aber kein Grund, die Planungen zum jetzigen Zeitpunkt für den Neubau des Konzerthauses einzustampfen.

Musikalischer Traum geplatzt

Der heutige Tag ist ein rabenschwarzer Tag für die Musik in Nürnberg. Aus der Traum von einem prosperierenden musikalischen Zentrum im Norden Bayerns mit zwei Klangkörpern am Ort, die sich unter dem Dach eines akustisch professionellen Konzerthauses gegenseitig beflügeln. Aus der Traum von internationalen Orchestern und Künstlern, die Nürnberg als feste Größe auf ihrer Tourneekarte gespeichert hätten. Aus der Traum von einem professionellen, akustisch akzeptablen Konzertsaal in Nürnberg. Als nähme die Kultur in dieser Coronapandemie nicht ohnehin schon genügend Schaden. Ein Trauerspiel.

Sendung: "Leporello" am 17. November 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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