KlassikWoche_RGB_2020-09

Schluss mit Sommerpause – endlich wieder Klassik!

Willkommen in der neuen KlassikWoche,

ich hoffe, Sie sind gut über den Sommer gekommen! Es war ja allerhand los: die Bayreuther Festspiele mit musikalischen Superlativen – mich persönlich hat besonders das Parsifal-Dirigat von Pablo Heras-Casado begeistert (hier ein Interview mit ihm), die Salzburger Festspiele hatten ziemlich viel Routine auf dem Programm und einen offensichtlich ziemlich ausgelaugten Christoph-Marthaler-Falstaff, Bregenz überzeugte mit einer Spitzen-Auslastung, Verona mit einem mega Star-Aufgebot zum Jubiläum, und Umfrage-Sieger auf meiner neuen Insta-Seite Backstageclassics waren die künstlerisch wohl überzeugenden Festspiele in Aix-en-Provence. Ich freue mich, dass es nun langsam auch an unseren Häusern wieder losgeht und dass wir wieder wöchentlich über die Klassik-News berichten. Was aber wirklich bleiben wird aus dem Sommer, ist die erschreckende Nachricht, dass Dirigent Lorenzo Viotti sein turboaffentittengeiles Nacki-Bild auf Instagram gelöscht hat!!!

Das Neudenken von Opern-Fördervereinen

Zeitenwende nun auch an der MET in New York: Der legendäre Förderverein, die Opera Guild, ist am Ende. 28.000 Mitglieder und 8,1 Millionen Dollar Fördergelder waren nicht genug. Einer der größten und traditionsreichsten Opern-Vereine gibt auf und hofft, dass die Oper seine MitarbeiterInnen übernimmt. Begleiterscheinung: Das Traditionsheft Opera News wird eingestellt. Damit bröckelt einer der größten Felsen der alten Opernwelt. Eine Warnung auch an die alten Opern-Fans in Europa, die noch immer glauben, in der Mehrheit zu sein und behaupten, die Oper müsse sich nicht verändern. Die USA zeigen: Es sind diese Vereine selbst, die keine jungen Mitglieder mehr finden.
Neudenken und Transformation sind nötig, wenn die „sterbende Generation“ nicht ein Kulturerbe hinterlassen will, mit dem die „Letzte Generation“ nichts anzufangen weiß. Auch in Europa mehren sich die Probleme mit den Fördervereinen schon lange: An der Wiener Staatsoper hat Intendant Bogdan Roščić bereits einen eigenen Förderverein ins Leben gerufen, und bei den Bayreuther Festspielen gibt es traditionell Zoff zwischen der sehr konservativ aufgestellten Gesellschaft der Freunde und der Intendanz von Katharina Wagner (den Brillenstreit von Georg von Waldenfels habe ich während der Sommerpause in dieser kleinen Collage verarbeitet).

Personalien der Woche

Aufregung in Hollywood: Einige jüdische Stimmen beklagen, dass Schauspieler Bradley Cooper als Nichtjude in einem neuen Film den jüdischen Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein verkörpert. Kritik gibt es auch an der falschen, großen Nase, die Coopers Gesicht „schmückt“ („Jewfacing“). Rückendeckung gibt es allerdings von den Bernstein-Erben, die sowohl die Besetzung von Cooper gut finden als auch betonen, dass Leonard Bernstein nun mal eben „eine sehr schöne, große Nase“ gehabt habe.
Daniel Barenboim und Igor Levit traten beim Lucerne Festival erstmals gemeinsam auf – und der Schweizer Kritiker Christian Berzins stellte eine Frage, die viele KollegInnen sich nur hinter vorgehaltener Hand stellen: „Wer sagt Daniel Barenboim: ‚Lass gut sein‘?“ Eine zutiefst ehrliche Rezension. Beim nächsten gemeinsamen Auftritt der beiden bei den Salzburger Festspielen war dann plötzlich von einem großartigen Konzert zu lesen. Bleibt die Frage: War das Konzert wirklich so viel besser, oder haben die  österreichischen Rezensenten sich einfach nur etwas tauber gestellt? +++ Die Siemens-Korruptionsaffäre in Österreich erreichte nun auch die Bregenzer Festspiele. Die Vorwürfe kreisen um den Vizepräsidenten der Festspiele, um Wilhelm Muzyczyn. Der Standard fragt, ob beim Erweiterungsbau alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Muzyczyn sagt: „Ja.“ 

Netrebkos Sommerloch-News

Anna Netrebko hat das Sommerloch quasi im Alleingang gefüllt: Erst sorgte sie für Schlagzeilen, da sie die MET und ihren Intendanten Peter Gelb (trotz einer bereits gezahlten Abfindung) verklagte (die Klageschrift liegt uns vor). Netrebko fordert 360.000 Dollar Schadenersatz für entgangene Einnahmen aus Auftritten und Proben. Außerdem gibt sie an, die MET habe ihr „schwere seelische Qualen und emotionales Leid“ zugefügt, darunter Depressionen, Demütigungen und Stress. Da sind die Veranstalter in Prag besser weggekommen. Hier hat Netrebko ein geplantes Konzert angeblich selber abgesagt, nachdem die tschechische Regierung von einem Auftritt der Austro-Russin abgeraten hatte (mit Rücksicht auf die ukrainische Botschaft). In diesem Fall habe man sich „beidseitig“ für die Absage entschieden und Netrebko würde keine Klage einreichen, erklärte ihr Management. Die russische Prawda berichtete derweil, dass Netrebko in Russland bereits wieder Auftrittsmöglichkeiten sondiere (dazu gab es von der Sängerin bislang aber keinen Kommentar). In China trat die Sängerin kürzlich mit russischem Repertoire auf. Ach ja, und dann war da auch noch die Farce um die Proteste gegen die Sängerin in Baden-Baden, denen Pro-Netrebko-Fans angeblich den Hitlergruß entgegengestreckt haben. Früher sorgte die Sängerin in der Oper für Aufhorchen, heute ist ihr Eiertanz selber zur tragischen Operette geworden.

Personalien der Woche II

Kay Voges wird neuer Intendant in Köln (er verlässt das Wiener Volkstheater), und von Köln zieht Stefan Bachmann ans Wiener Burgtheater. Aber war die Vergabe in Köln eigentlich transparent genug? Nein, sagt Dorothea Marcus bei Nachtkritik. +++ Auf Facebook werden erste Bilder von Siegfried Mauser veröffentlicht, die ihn in Freiheit zeigen. Der ehemalige Rektor der Münchner Musikhochschule wurde wegen sexueller Übergriffe zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hatte seine Haft nach vielen Verschiebungen im Februar 2022 angetreten.
Nachdem Stéphane Lissner als Chef des Opernhauses in Neapel durch den Ex-Chef der RAI, Carlo Fuortes, ersetzt wurde, klagte Lissner gegen diese Entscheidung, die wohl auf die neue italienische Rechtsregierung zurückzuführen ist. +++ Die große Sängerin Renata Scotto ist tot – sie prägte eine ganze Opern-Generation durch ihre Stimme und Bühnenpräsenz. Die Trauer in der Klassik-Welt war groß. +++ Die goldenen Wagner-Figuren wurden aus dem Bayreuther Festspiel-Park entwendet. Auf meiner neuen Insta-Seite Backstageclassics mit täglichen Klassik-News (gern mal abonnieren) haben die LeserInnen bestimmt, wer der Dieb sein könnte: Fünf Prozent tippten auf die Leute vom Jean-Paul-Museum, 20 Prozent auf Alberich Ólafur Sigurdarson, 32 Prozent auf Markus Hinterhäuser und 42 Prozent auf Georg von Waldenfels

Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?

Ja, wo zum Teufel bleibt es nur? Vielleicht ja hier: Wir hatten an dieser Stelle über den Musikinstrumentenklau in Passau berichtet (es wurden unter anderem Blockflöten entwendet). Nun fand die Polizei die Täter (die Instrumente waren bei einer Frau versteckt) und wurden der Schule inzwischen zurückgegeben. Und dann bin ich noch über ein Konzert gestolpert, das letzte Woche vor dem Dom in Köln stattgefunden hat: Die Band Brings und das Beethovenorchester Bonn unter Dirk Kaftan haben die Leute begeistert. – So beweist man den Menschen vor Ort, warum Orchester wichtig für eine Region sind. Ach ja, und dann noch in eigener Sache: Am 23. August um 23:40 Uhr wird mein Film Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt im BR-Fernsehen wiederholt und steht danach für zwei weitere Wochen in der ARD-Mediathek zur Verfügung. Wenn Sie Lust haben, schauen Sie doch mal rein.

Schön, dass Sie wieder da sind, halten Sie die Ohren steif!

Ihr

Axel Brüggemann

brueggemann@crescendo.de

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