Craig Leon

Der Synthie

von Magdalena Wolf

6. Juni 2015

Vor 50 Jahren erblickte der Moog-Synthesizer das Licht der Welt. Eine hörenswerte CD erinnert an dieses in die Jahre gekommene Klangwunder.

Heut­zu­tage hat man ja alles schon einmal gesehen und gehört: den Pachelbel-Kanon in unter­schied­li­chem Gewand in den Popcharts, Sinfo­nie­or­chester in Musik-Clubs, und jetzt also Bachs Werke mit einem Synthe­sizer einge­spielt: Nichts Neues, könnte man meinen, alles schon dage­wesen. Sony Music macht aber mit der CD „Bach to Moog“ einen nost­al­gi­schen Schritt zurück in die 1970er-Jahre, in eine Zeit also, als der Grund­stein für eine neue musi­ka­li­sche Zukunft gelegt wurde. Zum 50-jährigen Jubi­läum des ersten Synthe­si­zers von Robert Moog wird zurück­ge­schaut auf die Erfolgs­ge­schichte eines Instru­ments, das die klas­si­sche und die Popmusik glei­cher­maßen beein­flusste.

Wer das Leben des Erfin­ders betrachtet, kann eigent­lich schon am 15-Jährigen erkennen, was maßgeb­lich für den Erfolg seiner Synthe­sizer war: das Zusam­men­spiel von tech­ni­schem und musi­ka­li­schem Wissen in einem Erfin­der­geist. Der Teen­ager nahm nicht nur Unter­richt in Gehör­bil­dung, Gesang und Musik­theorie, sondern bastelte gleich­zeitig schon an seinem ersten Äthero­phon. Jahre später finan­zierte er sich mit dem Verkauf von Äthero­phon-Bausätzen sein Physik­stu­dium. Der Physiker und der Musiker in ihm sorgten dafür, dass sein Prinzip zur Erzeu­gung elek­tro­ni­scher Klänge bis heute die tech­ni­sche Grund­lage für eine ganze Gene­ra­tion von Synthe­si­zern bildet. Anfangs nur für Sound­ef­fekte in Werbe­jin­gles einge­setzt, hielt Moogs elek­tro­ni­sches Instru­ment bald Einzug in die großen Musik­stu­dios.

Craig Leon spielt Toccata und Fuge in d‑Moll BWV 565 von Johann Sebas­tian Bach

Der große Erfolg aber kam mit Walter Carlos. Der Physiker und Tonin­ge­nieur hatte die zündende Idee, mit der die Erfolgs­ge­schichte des Synthe­si­zers begann. Moog und Carlos reicherten den elek­tro­ni­schen Klang mit zusätz­li­chen Frequenzen an: Noch leben­diger sollte er werden. Mit diesem Sound schließ­lich wagten sie sich an das Werk Johann Sebas­tian Bachs. Barock und elek­tro­ni­sche Musik hatten in den Augen der beiden Tüftler einiges gemeinsam, warum also nicht auch beim großen Meister der Barock­musik den Schalter umlegen?

Swit­ched-On Bach“ hieß die LP, die in die Popmu­sik­charts einzog, die der klas­si­schen Musik eine nie gekannte Platt­form bot und die vor allem den Moog-Synthe­sizer als das Must-Have-Instru­ment der 1970er etablierte. Jeder Produ­zent, jede Plat­ten­firma wollte nun ein eigenes Album mit diesem spezi­ellen Sound heraus­bringen. Musiker wie oder Keith Emerson standen Schlange. Weitere Modelle reihten sich ein, bevor Robert Moog die Firma verkaufte und schließ­lich 1977 auch seinen Posten in der Firma aufgab.

„Bach to Moog“: Aufnah­me­sit­zung mit Craig Leon

Und jetzt also „Bach to Moog“: Der Kompo­nist, Arran­geur und Musik­pro­du­zent Craig Leon, Master­mind hinter der Produk­tion, ist sowohl in der Popmusik für Bands wie Blondie oder The Ramones als auch in der klas­si­schen Musik zuhause. Mit diesem Album setzt er nun den Synthe­sizer nicht als Ersatz für die akus­ti­schen, „tradi­tio­nellen“ Orches­ter­in­stru­mente ein, wie es damals Moog und Carlos taten, sondern etabliert ihn als ein weiteres Instru­ment im Orchester und schafft dadurch einen beson­deren, hybriden Klang auf verschie­denen Ebenen: die von ihm diri­gierte Sinfo­ni­etta Cracovia, dann die MIDI-Bear­bei­tungen von Instru­menten, oben­drein Jennifer Pikes Solo­vio­line und schließ­lich der „Moog“. So tritt der Synthe­sizer in der Kantate Ich steh mit einem Fuß im Grabe als Continuo auf, im Vierten Bran­den­bur­gi­schen Konzert inter­agiert er mit der Solo­vio­line, indem er den Part der Solo­flöten über­nimmt. In der Aria aus den Gold­berg­va­ria­tionen sowie in den nach­fol­genden 14Kanons kommt der Synthe­sizer dann als Solo­in­stru­ment ohne weitere Beglei­tung zum Einsatz.

Der Blick in die Vergan­gen­heit lohnt sich also, auch wenn die Sounds des Moog-Synthe­si­zers tatsäch­lich wie ein wenig aus der Zeit gefallen wirken. Zwar wurde der heut­zu­tage allge­gen­wär­tige Remix-Gedanke in der Aufnahme aufge­griffen, inzwi­schen ist aber vor allem im Cross­over-Bereich zwischen Klassik und elek­tro­ni­scher Musik tech­nisch viel mehr möglich – ob durch das elek­tro­ni­sche Bear­beiten und Über­ein­an­der­legen akus­ti­scher und digi­taler Sounds oder durch das Wieder­auf­greifen und Remixen von bestehender klas­si­scher Lite­ratur mit und ohne Orchester. Zukunfts­wei­send ist der Moog Synthe­sizer als Instru­ment ange­sichts der heutigen tech­ni­schen Möglich­keiten nicht mehr, da hat ihn die junge Gene­ra­tion von Produk­ti­ons­technik weit über­holt. Aber wer weiß, wo die elek­tro­ni­sche Musik heute wäre ohne den guten, alten „Moog“.

Fotos: Laura Lewis