Axelrods Weinlese
Ravels Rioja
von John Axelrod
16. März 2012
Der Rioja, der Bordeaux Spaniens, ist die einzige spanische Weinklasse, die das „Denominación de Origen“, also Gütesiegel für exzellente klassische spanische Weine tragen darf.
Der Rioja, der Bordeaux Spaniens, ist die einzige spanische Weinklasse, die das „Denominación de Origen“, also Gütesiegel für exzellente klassische spanische Weine tragen darf. Vermutlich gibt es indes kein Werk, das die französisch-spanische Stimmung besser symbolisiert als Ravels „Bolero“. Ja, ich gebe zu, ich habe eine Vorliebe für Ravel, ich habe seine „Tzigane“ erst neulich mit dem Rosé der Camarque besprochen. Aber der Rioja ist ein Wein aus dem Herzen Spaniens und der „Bolero“ geht – spätestens seit seinem Einsatz im Film „10“ – ebenfalls direkt ins Herz.
Der „Marqués de Cáceres Crianza“ ist mit seiner rubinroten Farbe, die so typisch ist für Rioja-Weine, eine echte Schönheit. Er ist aus mindestens 85% Tempranillo-Trauben gemacht, kombiniert mit den Rebsorten Garnacha (wie die französische „Grenache“) und Graciano. Der Crianza ist anziehend. Nicht nur wegen seines bescheidenen Preises von unter 10 Euro, sondern wegen seines herausragenden Geschmacks. Was den Crianza als besonderen Wein kennzeichnet, ist sein Boquet aus reifen Himbeeren und Kirschen, mit einem Hauch Gewürz, Samt und einem Quäntchen Vanille. Und jeder Schluck eröffnet eine neue Welt! Der zweite Schluck ist immer besser als der erste: Er legt sich nach einer Fruchtexplosion schmeichelnd um den Gaumen, wirbelt mit seiner dichten Textur durch den Mund, hat einen wohligen und doch würzigen Effekt. Dieser Schluck findet eine Balance, die das sonnengetränkte Tannin in einem furiosen Finale aufgehen lässt, das so lange anhält, wie die spanische Nacht.
Klingt wie der „Bolero“, mit seinen klaren rhythmischen Motiven, die sich auf den zweiten Schlag konzentrieren. Wie das eröffnende Flötenthema, das, wie ein Parfum, das Ohr in orientalische Harmonien entführt. Erst kombiniert mit Glockenspiel, Piccolo und Horn, dann ergänzt durch ein macho-haftes Saxophon, ein süßes Sopran-Saxophon, dann die berauschte Posaune, ein Fluss von Streichern … Es wird dichter und intensiver, bis es schließlich zur unausweichlichen Explosion kommt. Im Klangfarbenrausch in E‑Dur. Alle Elemente kommen zu einem Akkord zusammen, den man nie wieder vergisst.
Und gerade wenn das Publikum aufspringt und „bravo“ schreit, wird sich der Rioja-Kenner zurücklehnen und schlicht sagen: „Olé!“ Die Sinne sind verführt. Gebt mir Ravels „Bolero“ und ein Glas „Marqués de Cáceres Crianza“ – die spanische Nacht erledigt den Rest.