Axelrods Weinlese

Seele und Myste­rium

von John Axelrod

5. September 2012

Die Syrah-Traube und der berühmte Tristan-Akkord – John Axelrod verrät, was sie gemeinsam haben.

Was die Rebe und der berühmte Tristan-Akkord gemeinsam haben, verrät er uns wie immer fest­lich: Es heißt: Ein ohne Wein ist wie ein Tag ohne Sonnen­schein. Die Winzer warten schon begierig auf den Beginn des Herbstes und somit der Ernte­zeit, damit es mehr Wein gibt, den man zu gutem Essen genießen kann. Das heiße Sommer­wetter der letzten Wochen war gut für die Trauben, ließ es sie doch viel ihres Zuckers behalten und führte zu einer guten zwischen Größe und Frucht­ge­halt.

Ein Wein, der beson­ders davon profi­tiert, ist der Syrah. Diese Rebsorte (auch als „Shiraz“ bekannt) nimmt die Hitze auf und lässt die Trauben wachsen. Der Alte­rungs­pro­zess im Fass verstärkt schließ­lich die natür­li­chen Tannine und sorgt für einen würzigen, verfüh­re­ri­schen und leckeren Wein. Der Syrah ist eine edle Traube, die ursprüng­lich aus der fran­zö­si­schen Rhône-Region stammt – nicht, wie Geschichten glauben machen, aus Persien!

Die Syrah-Traube wächst und gedeiht am besten in warmem Klima, was ihn zum Wein der Wahl in Kali­for­nien und Aus­tralien macht. Aber Achtung: Birgt es nicht ein Risiko, eine solch unbe­re­chen­bare Rebsorte anzu­bauen, die spie­le­risch vom Regen oder zu viel Sonne zerstört werden kann? Winzer und Wein­lieb­haber gehen das Risiko gern ein. Der Syrah profi­tierte vom großen Befall des Phyll­o­xera Pilzes auf vielen ameri­ka­ni­schen Wein­gü­tern. Denn als Cabernet und Char­donnay-Reben neu ange­pflanzt wurden, gab man auch der Syrah-Traube eine Chance – erfolg­reich! Der Wein­ex­perte Kermit Lynch sagte: „Der Syrah hat einfach Seele und Myste­rium!“

Ähnliche Ausdrücke nutzt man häufig, um die Musik Richard Wagners zu beschreiben; Seele und Myste­rium. Sinn­lich. Unvor­her­sehbar und riskant. Für mich ist es die Oper Tristan und Isolde, auf die diese Beschrei­bung am Besten passt. Von manchen geliebt, von anderen gehasst – aber alle sind sich einig, dass Wagner mit seiner Musik etwas völlig Neues schuf, in dem er bild­lich und musi­ka­lisch die Essenz der germa­nisch-roman­ti­schen Seele erfasste.

Nimmt man den Syrah und den sinn­li­chen Begleiter Tristan und Isolde zusammen, kann das einen unver­gess­li­chen, roman­ti­schen Abend bedeuten.

Aber was war daran so wunder­schön und über­mächtig? Ein Akkord. Wagner kompo­nierte den Tristan-Akkord und verän­derte damit die Musik­welt, entfachte er doch eine Revo­lu­tion der Chro­matik. Manche bezeichnen ihn als den Beginn der Moderne. In der Tat ist der Akkord einzig­artig in seinem Einsatz von Stille, seiner Dauer und seiner unauf­ge­lösten Tona­lität. Der Syrah hat eben­falls seinen eigenen, revo­lu­tio­nären Weg einge­schlagen und hat damit die Art, wie man eine Traube kulti­vieren und konsu­mieren kann, nach­haltig verän­dert. Nimmt man den Syrah und den sinn­li­chen Begleiter Tristan und Isolde zusammen, kann das einen unver­gess­li­chen, roman­ti­schen Abend bedeuten. Perfekt für die kommenden kühlen Nächte, in denen sich ein Feuer besser als die Sommer­hitze anfühlt.

Fotos: Syrah