Axelrods Weinlese
Wagners heiliger Gral
von John Axelrod
13. März 2018
Französischer Wein inspirierte Wagner, inspirierte Debussy. Über den Tropfen, unter dessen Einfluss der Parsifal entstand.
Manche Komponisten waren echte Weinliebhaber. Ravel verehrte erlesene Tröpfchen, die sein Dandytum unterstrichen. Beethoven soll drei Flaschen Frankenwein täglich konsumiert haben. Pierre Boulez andererseits war strikt gegen Alkohol. Und wieder andere nutzten Wein zur Inspiration, so etwa Richard Wagner. Einen davon liebte er sogar so sehr, dass er sich 100 Flaschen davon in sein Haus in Bayreuth liefern ließ. Diesen Saint-Péray, einen brillanten Weißwein, den es in einer sprudelnden und einer stillen Variante gibt, trank er, als er seinen Parsifal komponierte. Dieser „Heilige Gral unter den Opern“ inspirierte wiederum Debussy – den wir ja in dieser Ausgabe zu seinem 100. Todestag würdigen – zu seiner Oper Pelléas et Mélisande.
Debussy schrieb über Parsifal, dass er einen der schönsten Momente der Musikgeschichte beinhalte, unvergleichlich, verblüffend, brillant und stark. Et voilà! So inspirierte ein französischer Wein einen deutschen Komponisten, der wiederum die französische Musik inspirierte. Das gibt der Redewendung „à la française“ gleich eine ganz andere Bedeutung – quasi mit teutonischer Wendung.
Wagner ließ sich 100 Flaschen Saint-Péray in sein Bayreuther Haus liefern.
Nur allzu verständlich, dass der Wein aus Saint-Péray die Welt der Künstler, der Schönen und der Reichen in Europa eroberte, obwohl er nach der Französischen Revolution einen sekularen Namen annahm: Eine Zeit lang war er schlicht als „Péray-Weißwein“ bekannt – ganz ohne religiöse Heiligsprechung. Lamartine, Daudet, Maupassant und Baudelaire erwähnen alle den Wein in ihren Schriften. Sogar Papst Pius VII. lobte ihn.
Der Weißwein hat einen robusten, dicken, buttrigen Geschmack nach Mandel, Honig und sämigen Früchten wie Pfirsich oder Aprikose. Dieser und die sprudelnde Variante werden aus der Marsenne- und Rousanne-Traube gekeltert, die in kühlerem, feuchterem Klima gedeiht und sich für tiefgründige Weiß- und Perlweine im Burgunderstil eignet. Die Trauben werden gepresst. Fermentiert werden sie bei kalten Temperaturen in Bottichen und Eichenfässern. Die besten Produzenten dieses Weins wie Yves Cuilleron und Alain Voge sind für ihre speziell limitierten Editionen bekannt, aber der von Michel Chapoutier ist vielleicht der beste, erschwinglichste und am leichtesten zu beschaffende unter ihnen. Zusammen mit der französischen Starköchin Anne-Sophie Pic hat die Chapoutier-Familie ein hervorragendes und bezahlbares Beispiel für einen Marsenne Saint-Péray herausgebracht.
Sogar Papst Pius VII. lobte den Saint-Péray.
Und für den Besten der Besten sollten Sie den „Fleur du Crussol“ von Alain Voge probieren – mit besten Parker-Punkten bewertet und Musterbeispiel für einen Wein aus dieser Region. Innovation und Inspiration waren im Spiel, als Louis-Alexandre Faure, ein Winzer der Region, angeregt von den Methoden, die es in der Champagne gab, seinen ersten sprudelnden Saint-Péray produzierte. Im 20. Jahrhundert sollte der Wein große öffentliche Anerkennung genießen: Am 8. Dezember 1936 erlangte der Saint- Péray als einer von nur neun Weinen AOC Status, also das Gütesiegel „Appellation d’origine contrôlée“.
Leider hat dieser Wein heute seinen Glamour-Faktor verloren und wird außerhalb von Frankreich kaum noch vertrieben, während seine stille Variante ein Favorit unter Sammlern, Kennern und natürlich auch unter Komponisten und Dirigenten geblieben ist. Und Wagner – wie indirekt später dann auch Debussy – hatte also das Glück, seinen persönlichen Heiligen Gral unter den Weinen gehabt zu haben. Warten Sie nicht weiter auf Ihre Inspiration – Ihre Muse „à la française ist schon bereit …