Paula Bosch probiert
Pilgern mit Prozenten
von Paula Bosch
11. Dezember 2019
Im Wein liegt die Wahrheit! Wer den Jakobsweg geht, sollte sich also ab und an ein Glas gönnen. Sommelière Paula Bosch war beeindruckt von über 350 Jahre alten Rebstöcken und fabelhaften Weinen in Galizien.
Es ist völlig egal, wo man die Weinreise entlang des Jakobsweges beginnt, im äußersten Nordwesten Spaniens in der Hafenstadt La Coruña oder in der Kapitale Madrid, es wird so oder so eine spannende Pilgerroute nach Santiago di Compostela.
Ein alter galizischer Speicher: Schutz der Vorräte vor Feuchtigkeit und Nagetieren
Eine Entdeckungsreise vorbei an abgeschiedenen Bergdörfern und Pässen, an vom Granitgestein geprägten Höhenlagen oder entlang zahlreicher Weingärten, Tausender kleiner Parzellen und Weinbergterrassen, hin zu vielen kleinen familiengeführten Winzerbetrieben, die ursprünglich Wein für den Eigenbedarf produzierten.
Mit viel Glück entdeckt man hier uralte Rebstöcke – Methusalems, die die Reblausplage überstanden haben und heute noch Trauben tragen –, die uns erstklassige Weine bescheren.
Die Weinlandschaft Galiciens umfasst rund 10.000 Hektar Reben, in erster Linie auf steinigen Granit‑, Fels- und Schieferverwitterungsböden. Fünf Regionen – Rias Baixas, Valdeorras, Ribeira Sacra, Ribeiro und Monterrei – bestimmen die unterschiedlichen weißen wie roten Weine.
DAS WEINBAUGEBIET RÍAS BAIXAS
Bedeutsam ist das Weißweinparadies Rías Baixas in der Provinz Pontevedra, südwestlich der atlantischen Küste bis hin zur portugiesischen Grenze. Das flächenmäßig größte Gebiet ist in fünf Subzonen gegliedert, von denen das Val do Salnés mit seinen zwei Drittel Rebgärten die bedeutendste Region darstellt. Die weiße Albariño dominiert mit 95 Prozent die Weingärten. Sie ist mit ihren frischen, spritzigen, saftigen, trocken ausgebauten Weinen der Star in der regenreichen, stets feuchten Rias Baixas, geprägt von schmalen, tief ins Land reichenden Meeresbuchten. Die hohe Reberziehung im weniger effizienten Pergolastil auf den allgegenwärtigen Granitstützpfeilern hat Tradition. Holz hätte in der vom Regen geprägten Landschaft keine dauerhafte Chance.
Paula Bosch mit Manuel und Encarna Méndez Lázaro
Im Weingut Gerardo Méndez in Meaño konnte ich nicht nur die ältesten Rebstöcke in meinem Weinleben bewundern, nämlich Albariños mit 350 plus Jahren, sondern eine ganze Reihe dieser „Cepas Vellas“ gereifter Jahrgänge aus Magnumflaschen kosten. Ein unvergessliches Albariño-Erlebnis, auch wenn mich schon die Reihe der Basisweine begeisterte.
Gegründet von Marisol Bueno and Javier Mareque und heute geleitet
von deren vier Kindern Marisol, Vicky, Javier und Santiago:
das Weingut Pazo de Señorans
Zu den Pionieren im Rias Baixas zählt in erster Linie, das Weingut Pazo de Señorans in Pontevedra, dessen Weine mich mit ihrer Dichte und Finesse überzeugen.
Wer genug Zeit mitbringt, sollte sich in Vinotheken, Tapas-Bars wie dem Continental in Yayo Daporta oder im Restaurant Sabino in Sanxenxo, quasi am Strand, verwöhnen lassen.
DAS WEINBAUGEBIET VALDEORRAS
Die östlichste Weinprovinz Galiciens: Valdeorras – Goldenes Tal
Valdeorras, die östlichste Weinprovinz Galiciens, hat mit der weißen Rebsorte Godello, die inzwischen wie die Albariño zu den besten Weißweinen Spaniens gezählt wird, ein weiteres Ass im Ärmel. Auch hier bestimmen die relativ hohen Niederschläge das Klima, dazu gesellen sich viele heiße Sommertage, die die Reifezeit verkürzen und den Trauben wie den Weinen Kraft, Fülle und Potenz verleihen.
Aufgrund der Steillage seiner Weinberge müssen die meisten
Arbeiten per Hand ausgeführt werden: der Winzer Rafael Palacios
Im Rampenlicht der Region steht heute Rafael Palacios mit seinem Top-Wein As Sortes, der mit seinem perfekten Aromenspiel, finessenreicher Eleganz und schier endloser Mineralität die vielen anderen auch sehr gelungenen Godellos etwas ins Abseits stellt. Selbst der einfachere Zweitwein Louro kann mit seiner Brillanz im Duft und am Gaumen begeistern.
DAS WEINBAUGEBIET RIBEIRA SACRA
Durchzogen von den Flüssen Sil und Miño: das Weinbaugebiet Ribeira Sacra
Ribeira Sacra wurde erst 1996 als D. O.-Region geschützt. Die herrliche waldreiche Landschaft wird von zwei Flüssen durchzogen, was den Namen „heiliges Ufer“ erklärt. Die Rebberge stehen auf sehr steilen, terrassierten Parzellen auf Granit und Schieferböden. Die rote Mencía hat auf den 1200 Hektar Rebflächen die Oberhand. Bei den weißen Sorten kommt neben Albariño und Godello auch Loureiro mit ins Spiel.
Das Winzertraumpaar Sara Pérez und René Barbier
Der sortenreine Mencia Lacima ist meiner Meinung nach besser denn je. Eindrucksvolle rotbeerige Fruchtaromatik, mediterrane Würze, ein Kraftwerk im Mund mit nachhaltiger, beeindruckender Länge. Ein Paradebeispiel für Ribeira Sacra.
DAS WEINBAUGEBIET RIBEIRO
Die Weinberge von Ribeiro erstrecken sich beidseitig des Rio Miño
Das Aushängeschild der nur knapp 50 Kilometer vom Meer entfernten Region Ribeiro ist die spätreifende weiße Treixadura. Sie trotzt sämtlichen Wetterkapriolen und der enorm hohen Luftfeuchtigkeit, die den Pilzbefall fördert. Auch im Dreiklang mit ihren heimischen Schwestern, Loureiro und Albariño, bringt sie allerfeinste Ergebnisse.
Der Winzer Emilio Rojo mit seinem Weißwein
(Foto: Xurxo Lobato)
Am eindrucksvollsten und ebenso rar wie teuer präsentiert sich das Emilio Rojo mit seinen Weinen, die ohne Zweifel zu den feinsten und besten des Landes gezählt werden dürfen. Entsprechend genießt Emilio Rojo mit seinem Betrieb eine Sonderstellung.
Die Winzer Marcial Pita und Felicísimo Pereira
Mit den Weinen aus dem Weingut El Paraguas, das erst 2011 gegründet wurde, kann der erste Durst stets mit dem köstlichen Atlántico überbrückt werden, und das sicher nicht nur als Lückenbüßer.
DAS WEINBAUGEBIET MONTERREI
Die Weinregion Monterrei beidseitig des Flusses Tamega und seiner Nebenflüsse
Die kleinste Region, Monterrei, hatte es in all den letzten Jahren schwer, mit ihren etwas weniger gefälligen Weinen den Geschmack der Weinfreunde zu treffen. Die Anbauflächen sind rückläufig, versprechen daher mit den noch verbliebenen 650 Hektar weniger Zukunft.
Das landschaftlich reizvolle und immergrüne Galicien bleibt nicht nur für die von der Sonne verwöhnten Spanier ein willkommenes Reiseziel. Auch die zahllosen Pilger auf dem Jakobsweg, die Kunstfreunde der Burgen, Klöster und Kirchen und nicht zuletzt die vielen Genussmenschen, die sich für die Esskultur, für die Fisch- und Muschelspezialitäten aus dem nahen Atlantik interessieren, kommen auf ihre Kosten.
Bezug: www.bodeboca.de | www.hispavinus.de | www.vinos.de | www.garibaldi.de