Paula Bosch probiert
Das Reinheitsgebot
von Paula Bosch
29. April 2021
Nein, es geht nicht um bayerisches Bier, sondern um koschere Weine. Sommelière Paula Bosch hat Winzer in Katalonien besucht und wunderbare Tropfen entdeckt.
Unter den bedeutenden religiösen Gemeinschaften ist Alkoholkonsum nur den Juden und Christen gestattet. Sie aber haben Wein als solchen sogar in ihren religiösen Zeremonien als rituellen Bestandteil integriert. Dabei müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, um die „Reinheit“ des Weines zu garantieren. Im Judentum ist Wein generell – nicht nur bei religiösen Ritualen – nur dann erlaubt, wenn er koscher, sprich: rituell rein ist. Er muss also eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um sich als koscher qualifizieren zu können. Streng überwacht wird dies von einem dafür bestimmten Rabbi.
So sind zum Beispiel für den Anbau alle Rebsorten zugelassen, eine Mischkultur mit Obst oder Gemüse im Weinberg ist verboten. Es dürfen nur Trauben nach dem vierten Jahr der Anpflanzung verwendet werden. Die organische Düngung muss zwei Monate vor Erntebeginn beendet sein. Alle Geräte (auch technische) sowie Fuhrpark, Behälter, Tanks, Fässer oder Schläuche müssen unter Aufsicht des Rabbis vor der Verwendung peinlich genau gereinigt werden. Die Traubengärung hat spontan mit deren eigenen Hefen zu verlaufen. Enzyme oder Bakterien dürfen nicht zugefügt werden, ebenso wenig Gelatine oder Kasein. Zur Klärung ist nur das Weinschönungsmittel Bentonit, zur Filtration nur Papier zulässig.
Schließlich ist bei der Abfüllung Vorschrift, dass nur neue Flaschen verwendet werden, und im siebten Jahr, dem Sabbatjahr, werden die Trauben nicht geerntet. In der Kellerei dürfen nur Personen arbeiten, die den Sabbat ehren, anderen ist der Zutritt untersagt. Von der Ernte muss ein Prozent an Arme abgegeben, darf also nicht verkauft werden. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Land produziert wird, es kommt nur auf die Beachtung der Regeln für die koschere Herstellung an.
Außerhalb Israels gibt es einige Kellereien, die koscher produzieren. Die beste unter ihnen, viel gelobt und international ausgezeichnet, ist die spanische Winzergenossenschaft Celler de Capçanes aus Capçanes in der Region Monsant. Einige Weine kenne ich seit 20 Jahren. Die Produktion dieser Mini-Genossenschaft wird quasi von den 400 Einwohnern des Bergdorfes verantwortet, denn alle sind an diesem Projekt beteiligt. Über die Jahre hat man sich stets verbessert, mit der folgenreichen Industrialisierung die Anbauflächen verkleinert und 1.000 Hektar auf 200 geschrumpft. Interessant dabei dürfte für alle Weinfreunde der Vergleich mit biologisch, biodynamisch erzeugten Weinen sein, weil es bei deren Erzeugung im Weinberg wie im Keller einige wichtige Parallelen gibt.
Der für Marketing und Önologie zuständige, aus Deutschland stammende Jürgen Wagner wird inzwischen von der jungen Katalanin Ana Rovira unterstützt. Er reagierte schon 1995 auf eine Anfrage der jüdischen Gemeinde Barcelonas und produzierte hier zum Erfolg aller Beteiligten den ersten koscheren Wein „Peraj Ha’abib“, eine Rotwein-Cuvée, die seither sehr erfolgreich ist. Dass aber auch mit nicht koscheren Weinen im Hause Furore gemacht wird, beweist der erstklassige rote Cabrida aus über 100-jährigen Reben, die auf einer Höhe bis 550 Meter wachsen. Zwei Awards von vielen 2021 – „Beste spanische Kellerei des Jahres“, drittbeste weltweit – sprechen für sich und die hier genannten koscheren Weine.
Peraj Petita rosat 2020
Flamingofarben strahlt dieser feinfruchtig, blumig duftende Rosé, der vom ersten Moment des Einschenkens an tänzerisch wie eine Primaballerina in Tschaikowskis Schwanensee kleine Duft ‑Pirouetten im Glas dreht. Hibiskus, Himbeer, rosa Grapefruit, Teerosen. Im Mund glänzt er frisch wie saftige Erdbeeren mit Zitrusfrische. Angenehmer, köstlicher Trinkfluss nicht nur für den Sommer.
Zu beziehen unter: www.la-tienda.de
Peraj Ha’abib „Pinot Noir Edition“ 2019
Das helle, glänzende Sauerkirschrot lässt vom ersten Eindruck auf einen leichten Typ Rotwein schließen, was durch die Probe auch gleich bestätigt wird. Faszinierend der Gewürznelkenduft, Pflaumenkompott, rote, saftige Melone. Reifes, feinkörnig edles Tannin, das pure Gaumen- und Trinkfreude auslöst. Ein ganz bemerkenswerter Pinot Noir außerhalb seiner Heimat Frankreich. Leicht gekühlt köstlich zu Lachs, Pizza, Pata Negra.
Zu beziehen unter: www.la-tienda.de
Peraj Ha’abib 2018
Die je nach Jahrgang variierende Cuvée aus Cariñena, Cabernet Sauvignon und Garnacha ist im ersten Eindruck im Gaumen nicht selbstgefällig, sondern herausfordernd. Die rote, blaublumige und würzige Aromatik von Malventee, Lilie, Sauerkirsche bis hin zur Preiselbeere täuscht kurz darüber hinweg, aber nur kurz. Dann streut sie mit einer ausgesprochen rustikalen, frechen Art zahlreiche nicht ganz feinkörnige Tannine um sich und verlangt nach mehr Zeit zur Reife. Bodenständige, kraftvolle Struktur mit viel Druck im Nachhall.
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La flor del flor de primavera Samsó (Carignan old vines) 2018
Die beiden Top-Weine der koscheren Serie kommen aus recht betagten Weinbergterrassen mit weit über 100-jährigen Buschreben, die auf Schiefer‑, Granit- und Tonböden stehen. Sehr viel extremer geht Weinbau nicht. Der Samsó, auch als Carignan bekannt, hat die etwas femininere Verkleidung und trägt dabei die dunklen Noten von Blaubeere, Cassis, Aronia bis Rote Bete – und das sowohl im Duft als auch im Geschmack. Dezente Holznoten ergänzen den säurefrischen Charakter. Die feingerippte Textur lässt im Abschluss an hauchfeine Seidenschals denken. Was für ein Wein zu dem Preis!
Zu beziehen unter: www.la-tienda.de
La flor del flor de primavera Garnacha (old vines) 2018
Wem der Samsó zu charmant ist, der liegt hier richtig. Dunkle Beeren, Kirschsaft , rauchig, ledrig mit vielen mineralischen, erdigen Noten. Was für ein duftiger, vielschichtiger Auftritt, ständig im Wechsel mit Luft und Temperatur. Gewürznelken, Muskatnuss, schwarze Pfefferkörner und Speck vermitteln weitere Noten im Mund. Die noch jugendlichen Gerbstoffe verleihen dem Wein Biss und bleiben kompakt bis zum lang gezogenen, großartigen Finale. Als Messwein würde er ganze Kathedralen füllen.
Zu beziehen unter: www.la-tienda.de
Weitere Informationen zur spanischen Winzergenossenschaft Celler de Capçanes unter: www.cellercapcanes.com